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Filme im Kino

MoX Kino-Tipps:26.07.2022













Der perfekte Chef
Grundsätzlich eine begrüßenswerte Initiative der spanischen Regierung: Alle Jahre wieder lässt sie Juroren in allen Teilen des Landes auf die Suche gehen, um einen Firmenchef mit dem Preis für exzellente Unternehmensführung auszuzeichnen. Und Julio Blanco (Bardem), dessen nahe einer Provinzkleinstadt gelegene Fabrik für Industriewaagen es diesmal bis in die Runde der letzten drei Konkurrenten geschafft hat, trommelt umgehend seine Belegschaft zusammen. Wenn alle ihr Bestes geben würden, so der Chef, sollte die demnächst unangekündigt auftauchende Jury vom Betrieb überzeugt werden können. Während sich der Unternehmer auf den ersten Blick patriarchal und motivierend gibt, entpuppt er sich bei aufkommendem Widerstand zusehends mehr als Monster. Leider beschert der ihm einst vom Vater überantwortete Betrieb ausgerechnet jetzt Probleme, die zügig gelöst werden müssen: Angefangen bei dem störenden Protestcamp eines gefeuerten Mitarbeiters direkt vorm Fabrikgelände, über die Blanco lästig fallende Praktikantin, mit der sich der verheiratete Firmenchef ein unschickliches Techtelmechtel gönnen mochte, hin zum eifersüchtigen Produktionsleiter mit Ehestreitigkeiten und jener kleinen Vorzeige-Waage direkt hinter dem Fabriktor, die sich einfach nie ins Gleichgewicht bringen lassen will – was sollte getan werden, um diese Jahrestrophäe zu bekommen? Indem er vor keiner Schweinerei zurückschreckt, enthüllt der auf jovial markierende Blanco sein wahres Gesicht – was einem auch als Kinogänger aufgrund der verschachtelt angelegten Geschichte erst mit der Zeit klar wird.
Die rabenschwarze Komödie lebt von Javier Bardems schauspielerischer Extraklasse und einer Regieleistung des satire-erfahrenen Filmers Fernando León de Aranoa, die Blancos Koste-es-was-es-wolle-Dreistigkeit anprangert, ohne allzu viel  Hoffnung auf Bestrafung oder Läuterung des skrupellosen Dreckskerls zu machen. Wenn das die Realität widerspiegelt, stehen der Menschheit schreckliche Zeiten bevor.
Spanien ´21: R: Fernando León de Aranoa.D: Javier Bardem, Almudena Amor, Oscar de la Fuente, Manolo So
Ab 28. 7. Wertung: 4. von 5 sternen
Bild: Alamode Film

Hatching
Kaum hat Mama eins ihrer inszenierten Vorzeige-Selfies mit der versammelten Familie im Haus abgespeichert, flattert ein Rabe von draußen herein. Er landet auf dem Kronleuchter, der prompt auf den Glastisch kracht – was Tochter Tinja (Sololinna) die Chance gibt, das Tier zu fangen und es ihrer Mutter (Heikkilä) zu übergeben. Anstatt den Eindringling jedoch wieder nach draußen zu befördern, dreht Tinjas Mutter dem Vogel rüde den Hals um, bevor sie ihn von der Tochter im Biomüll entsorgen lässt. Anderntags merkt das sich am Tod der Kreatur mitschuldig fühlende Mädchen beim Nachsehen im Müll,  dass der Rabe überlebt haben dürfte. Tinja folgt den krächzenden Lauten in den Wald. Da ihr der aufgespürte Vogel mehr tot als lebendig vorkommt, erlöst sie ihn. Und nimmt ein unversehrtes Ei an sich, das dem Mädchen neben dem Raben auffällt. Zuhause brütet Tinja das immer größer werdende Ei aus. Geht eine bizarre Freundschaft mit dem alsbald ausschlüpfenden Wesen ein, das sich zusehends mehr in einen Vogel-Mensch-Hybrid verwandelt. Allein schon die Konstellationen innerhalb von Tinjas Familie stellen sich ungewöhnlich dar – mit einem Vater, der nichts zu sagen hat, einem Brüderchen, das fast unsichtbar bleibt. Die Mutter leistet sich einen Lover und pflegt ein ziemlich toxisches, unterkühltes Verhältnis zur pubertierenden Tochter. Einzig die Beziehung Tinjas zu ihrem Alter-ego-Hybridwesen scheint von Zuneigung geprägt – zumindest anfangs. Dieser Groteske gewinnt die Regie einen blutrünstig-schweißtreibenden Cocktail aus Coming-of-Age-Drama, Satire, Öko-Märchen und Horrorfilm ab, der Genrekinofans entfernt an „Lamb“ erinnern könnte. Nichts für Zartbesaitete!
Finnland/Schweden ´22: R: Hanna Berg. D: Siiri Solalinna, Sophia Heikkilä, Jani Volanen, Reino Nordin.
Ab 28.7.  Wertung: 4 von 5 Sternen
Bild: capelight pictures OHG

Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr
Gut 1300 Kilometer liegen zwischen jenem Kaff hoch im äußersten Nordosten Schottlands und der Ortschaft in Cornwalls südlichsten Südwesten – per Bus eine mehrtägige, beschwerliche Reise, die sich Rentner Tom (Spall) dennoch zumuten mag, um noch einmal den Ort aufzusuchen, an dem er vor siebzig Jahren seine mittlerweile verstorbene Frau Mary kennen und lieben lernte. Zudem hat er im Holzköfferchen, das der Neunzigjährige mit sich führt, etwas, das ihn mit seiner Vergangenheit aussöhnen soll.Bis der Rentner von diesem Trauma befreit ist, nutzt die Regie die Überlandfahrt per Bus zum hin- und herschalten zwischen Jetztzeit und Vergangenheit, begegnen dem Witwer die unterschiedlichsten, zumeist netten Mitmenschen. Ein bittersüßes Erinnerungsdrama und sehenswertes Roadmovie – vor allem dank Timothy Spalls schauspielerischer Glanzleistung.
GB/Vereinigte Arabische Emirate ´21: R: Gillies Mackinnon. D: Timothy Spall, Phyllis Logan, Natalie Mitson, Ben Ewing, Patricia Panther.      
Ab 11.8. Wertung: 4 von 5 Sternen
Bild: capelight pictures OHG

Guglhupfgeschwader
Beileibe nicht genug damit, dass man dem Dorfpolizist Franz Eberhofer (Bezzel) seine Bierruhe durch den dringend aufzuklärenden Mordanschlag auf den schusseligen Lotto-Otto verhagelt – nachdem dem bedrohten Kioskbesitzer das zügige Begleichen von ausstehenden Spielschulden mit schier mafiösen Methoden ans Herz gelegt wurde. Zudem sieht sich der Franz im Rahmen seiner Ermittlungen im bayerischen Heimat-Kaff permanent zu Rechtfertigungen und Entschuldigungen gegenüber Gott und der Welt genötigt, was selbst dem Gutmütigsten irgendwann zu viel wird.  Während dem Dorf-Bullen seine Gelassenheit und fast der Appetit auf Leberkäs-Semmeln abhanden kommt, ergänzt Regisseur Ed Herzog die bekannt schenkelklopfende Situationskomik um Brachialbrutalität, schießwütige Lamborghini-fahrende Gangster, kalauert man sich in der nunmehr schon achten Adaption eines Krimis nach Rita Falks Bestseller-Vorlage ansonsten gewohnt derb dem Finale entgegen.
Deutschland ´22: R: Ed Herzog. D: Sebastian Bezzel, Simon Schwarz, Lisa-Maria Potthoff, Eisi Gulp, Enzi Fuchs.
Ab 4.8. Wertung: 3 von 5 Sternen Bild: Copyright Constantin Film Verleih / Bernd Schuller

Der junge Häuptling Winnetou
Die Büffeljagd, die den Apachen das über-den-Winter-kommen ermöglichen würde, kann aufgrund der rätselhafterweise ausbleibenden Tiere nicht stattfinden. Und dann steht eines Nachts auch noch das Vorratszelt in Flammen – was die Überlebenschancen für den Stamm des Häuptlings Intschu-tschuna (Kurtulus) erst recht mies aussehen lässt. Schuld ist vor allem der zwölfjährige Häuptlingssohn Winnetou (Ullritz), der trotz des Verbots durch den Vater die Nachtwache übernahm. Statt das Lager im Auge zu behalten, verfolgte Winnetou fatalerweise den jungen Pferdedieb Tom Silver (Haaf). Um für Nachschub an Vorräten zu sorgen, heften sich Intschu-tschunas Sohn und Waisenjunge Tom an die Spuren des Ganoven Todd Crow (Taubman), der laut Tom für das Verschwinden der Büffel verantwortlich sein soll.
„Fünf Freunde“-Regisseur Mike Marzuk will das Genre der Karl-May-Filme „für die jüngere Generation wiederbeleben“. Während sich ältere Bedenkenträger daran stören dürften, dass Weiße hier Indianer spielen und der Türke Mehmet Kurtulus den Häuptling der Apachen gibt, können unsere Jüngsten mit diesem an „Der wilde, wilde Westen“-Flachwitzhumor à la Mel Brooks erst recht wenig anfangen. Und den alten Karl-May-Verfilmungen aus den 1960ern kann dieses Prequel ebenfalls nie das Wasser reichen. Aber das werden unsere kinobegierigen Steppkes wohl kaum wissen.
Deutschland ´22: R: Mike Marzuk. D: Mika Ullritz, Milo Haaf, Lola Linnea Padtzke, Mehmet Kurtulus, Anatole Taubman.
Ab 11.8. Wertung: 2 von 5 'Sternen
Bild: Warner Bros. GmbH

The Survivor
Was tut der Mensch nicht alles, um zu überleben?!? Für den boxsportbegeisterten polnischen Juden Harry Haft (Foster) heißt das, zuzugreifen, als ihm im Vernichtungslager Auschwitz vom SS-Offizier Schneider (Magnussen) die Möglichkeit eröffnet wird, gegen Mithäftlinge zu boxen. Harry siegt – und muss immer wieder zusehen, wie Unterlegene entweder erschossen oder in die Gaskammer geschickt werden. Jahre später schlägt sich der in die USA ausgewanderte Auschwitz-Überlebende auch in der neuen Heimat als Boxer durch. Und obwohl ihn die Schuldgefühle eines Davongekommenen peinigen, nutzt Harry die ihm zugebilligte Faustkampfaufmerksamkeit der New Yorker Presse auch deshalb, weil er die Hoffnung nie aufgeben wollte, seine einstige Arbeitslager-Liebe Leah (Zuvovsky) auf diesem Weg wiederfinden zu können. Obendrein spricht er beim Displaced Persons Service vor, wo ihm die dort arbeitende Miriam Wofsoniker (Krieps) Hilfe anbietet. Miriam wird Harrys spätere Ehefrau, kann ihm allerdings die Last der Erinnerung an albtraumatische Kriegs-Erlebnisse nie von der Seele nehmen. Denn zu den siegreichen Boxkämpfen im Lager belastet den Auschwitzüberlebenden rückblickend auch manch getroffene und verschwiegene Entscheidung über Leben und Tod, nachdem er dem KZ entkommen war.Regie-Veteran Barry Levinson verfilmt die wahre Lebensgeschichte des polnisch-stämmigen New Yorker Boxers Harry Haft. „The Survivor“ baut dessen Biografie nicht einfach nur zum Boxer- und Holocaust-Drama aus, sondern lässt seinen phänomenal schauspielernden Hauptdarsteller Ben Foster eine fesselnde Charakterstudie über Schuld abliefern, die sich durchaus mit der Bravoura-Leistung des jungen Robert de Niro als Martin Scorseses „Raging Bull“-Boxchamp Jake LaMotta messen kann.
Kanada/Ungarn/USA ´21: R: Barry Levinson.
D: Ben Foster, Vicky Krieps, Bill Magnussen, Peter Sarsgaard, Danny DeVito, Dar Zuvovsky, Saro Emirze.  
Bild: Leonine,Ab 28.7. Wertung: 4 von 5 Sternen

Texte: Horst E. Wegener

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