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Filme im Kino

MoX Kinotipps KW 0607.02.2023











Texte: Horst E. Wegener


Die Aussprache
USA ´22: R: Sarah Polley. Ab 9.2. Wertung: *****  Bild: 2022 Orion Releasing LLC.

Irgendwo im ländlichen Amerika, abgeschirmt von der modernen Welt lebt eine mennonitische Glaubensgemeinschaft nach patriarchalischen Regeln. Die weiblichen Gemeindemitglieder erhalten nur rudimentär Bildung, können weder lesen noch schreiben. Aber dass die Männer ihnen immerzu einreden wollten, Dämonen wären für die zahlreichen Blutergüsse auf ihren Körpern sowie die Unterleibsschmerzen verantwortlich, mit denen viele der Frauen regelmäßig wach werden, mochte keine der Betroffenen je glauben. Immerhin: Seit Salome (Foy) einen der Unholde während des Missbrauchs stellen konnte, steht endgültig fest, dass es die eigenen Gemeindemitglieder sind, die nach Belieben jüngere oder ältere Frauen und sogar Mädchen betäuben und vergewaltigen. Anstatt dafür um Verzeihung zu bitten und Buße zu tun, erdreisten sich die entlarvten Männer von ihren Opfern zu fordern, diese sollten den Peinigern vergeben. Andernfalls müsste frau die Gemeinschaft verlassen – und käme nicht ins Himmelsreich.
Basierend auf wahren Begebenheiten – geschildert in einem Roman von Miriam Toews - konzentriert sich „Die Aussprache“ weitestgehend auf ein Zusammentreffen der weiblichen Gemeindemitglieder in einer Scheune; lediglich der Lehrer August Epp (Whishaw), als Protokollant der Unterredung zugegen, bekommt eine Nebenrolle zugebilligt. Ohnehin ist Regisseurin Sarah Polley („An ihrer Seite“) an expliziten Vergewaltigungsszenen kein bisschen interessiert, wendet sich von Anfang an der leidenschaftlich geführten Diskussion der Frauen über das weitere Vorgehen zu. Sollte man nichts tun, sich wehren oder zum Selbstschutz gar der Kolonie den Rücken kehren? Die Entscheidungsfindung wird zum Dreh- und Angelpunkt des mitreißend besetzten, senibel inszenierten Kammerspieldramas – dessen Geschichte jedem Kinogänger unter die Haut gehen wird.
D: Rooney Mara, Claire Foy, Jessie Buckley, Judith Ivey, Ben Whishaw, Frances McDormand.


Luanas Schwur
Deutschland/Albanien/Kosovo ´21. R: Bujar Alimani. Ab 9.2. Wertung: ****
Bild: Elsani & Neary Media GmbH


Albanien, Ende der 1950er Jahre: Luana (Krasniqi als Ältere, Sylemani als Kind) und Agim kennen sich seit ihrer Kindheit – wobei irgendwann aus Freundschaft Liebe geworden ist. Doch archaisch wie die Traditionen in der bergigen nordalbanischen Region gelebt werden, haben die Liebenden sich den Eltern gegenüber noch nicht erklärt. Als Luanas Vater Gjon hinter die heimlichen Treffen der beiden kommt, erinnert er seine Tochter daran, dass sie vor ewigen Zeiten einem anderen versprochen wurde. Statt mit Agim ins ferne Deutschland zu fliehen, beschließt Luana sich dem Willen des von ihr hoch geachteten Vaters zu beugen. Doch dann wird Gjon Zeuge, wie der einst zwischen den Familien zum Verlobten seiner Tochter bestimmte Heißsporn Flamur Fiku (Xhelilaj) Luana noch vor der Heirat bedrängt. Spontan erklärt Gjon die Verlobung daraufhin für nichtig, was zu einer Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Schwiegersohn in spe führt, in deren Verlauf er von Fiku getötet wird. Für Luana steht fest, dass sie den Mörder ihres Vaters niemals heiratet. Sie wählt den einzigen Ausweg, den die albanische Tradition einer Frau eröffnet: Als sogenannte Schwurjungfrau ist´s ihr möglich, zukünftig als Mann zu leben und ihren Vater zu rächen. Diese uralte Tradition existiert im Norden Albaniens noch heute, ermöglicht es Frauen, die aufs Heiraten und Kinder kriegen verzichten, sich zudem wie ein Mann kleiden, selbstbestimmt zu leben. „Luanas Schwur“ bringt uns diese Welt näher, ist beeindruckend besetzt – und wandelt sich vom Liebesdrama zum Blutrachewestern. Sehenswert
D: Rina Krasniqi, Shkurte Sylejmani, Nik Xhelilaj, Gresa Pallaska, Kasem Hoxha, Mimoza Azemi, Astrit Kabashi.



Antman and the Wasp: Quantumania
USA ´23: R: Peyton Reed. Ab 15.2. Vorankündigung Bild: 2022 Marvel


Bis auf den Umstand, dass ihn die Leute gelegentlich mit Spider Man verwechseln, ist Scott Lang alias Ant Man (Rudd) mit seinem Leben ganz zufrieden. Und wenn er mal ernsthaft drüber nachdenkt, stört es ihn höchstens, viel zu wenig Zeit mit der mittlerweile 18-jährigen Tochter Cassie (Newton) verbracht zu haben. Mit Hope Van Dyne alias The Wasp (Lilly) an der Seite und unterstützt durch deren Forschereltern Janet Van Dyne (Pfeiffer) sowie Hank Pym (Douglas) erkundet Scott das Quantenreich. Nachdem man Cassie versehentlich dorthin beamt, ist´s für ihren Dad Ehrensache, es dem Töchterchen gleichzutun. Auftakt zu einem marvel-typischen Abenteuer…
Ant Man zum dritten  – da mit diesem Fantasykracher die fünfte Phase des Marvel Cinematic Universe eingeläutet wird, dürften selbst Neulinge der Superhelden-Langlaufserie auf ihre Kosten kommen, die sich keins von bislang 30 früheren Kinoepisoden ansehen wollten. Wobei es schwer sein mag, Filmfans zu finden, die erst jetzt Interesse am Marvel´schen Kinokosmos bekunden.

D: Paul Rudd, Evangeline Lilly, Michael Douglas, Michelle Pfeiffer, Jonathan Majors, Kathryn Newton, Bill Murray.



Akropolis Bonjour
Frankreich ´22: R: Francois Uzan. Ab 16.2. Wertung: **** Bild: Céline Nieszawer


Um zuhause eine Beschäftigung vorzutäuschen, hat Ruheständler Thierry Hamelin (Gamblin) damit begonnen, die über Jahrzehnte gesammelten Familienfotos zu digitalisieren – eine Mammutaufgabe angesichts ewig zurückliegender Urlaubsreisen mit den zwischenzeitlich erwachsenen Kindern Antoine und Karine. Vor allem die als Rechtsanwältin ins Karriere-machen vertiefte Tochter ist ziemlich genervt, wenn sie von ihrem Vater telefonisch zu den unpassendsten Zeiten mit Fragen zu irgendwelchen Uralt-Fotos behelligt wird. Andererseits setzt Nervensäge Thierry in den von Göttergattin Claire (Arbillat) auf der Rückseite einer Aufnahme vermerkten Spruch all seine Hoffnung: „Wann machen wir diesen Urlaub noch einmal?“, hat die Holde da geschrieben. Und je länger Thierry über jenen Griechenlandtrip nachdenkt, desto rosiger schien damals die Zukunft auszusehen. Also heckt der Ruheständler einen Plan aus, die Familie mit der Wiederholung dieses Urlaubs zu überraschen – darauf hoffend, seine scheidungswillige bessere Hälfte somit zurückgewinnen zu können. Zwar geht Thierrys durchgeplante Überraschungsreise insoweit auf, dass die Familie ihren Griechenland-Trip wie seinerzeit nachvollzieht, doch gut zwanzig Jahre später ist rein gar nichts mehr so rosig wie man es in Erinnerung hatte. Regie-Newcomer Francois Uzan lässt seine gekonnt besetzte Urlaubertruppe von einer Katastrophe zur nächsten schlittern. Reiht Gag an Gag – und unterhält mit einer zwerchfelldauermassierenden Komödie.
D: Jacques Gamblin, Pascale Arbillat, Agnès Hurstel, Pablo Pauly



Final Cut of the Dead


Frankreich ´22: R: Michel Hazanavicius. Ab 16.2. Wertung: **** Bild: Lisa Ritaine


Mit schnell und preiswert abgedrehten Imagefilmchen hält sich Regiedilettant Rémi (Duris) über Wasser. Den Traum von künstlerisch wertvollen Spielfilmprojekten hat er für sich schon fast beerdigt, schiebt dies einerseits unbegabten Schauspielern oder unfähigen Mitarbeitern hinter der Kamera in die Schuhe. Hadert andererseits immer öfter auch mit der eigenen Talentlosigkeit. So gesehen könnte dieses Lowbudget-Projekt, für das japanische Finanziers Gelder bereitstellen wollen, Rémis letzte Regiechance im Spielfilmbusiness darstellen. Entsprechend hochmotiviert macht sich der Filmemacher an die Arbeit. Und realisiert eine fiktive Doku über die chaotisch verlaufenden Dreharbeiten eines Zombiefilms, bei dem ein vom Regisseur ausgestoßener Fluch tatsächlich Untote erweckt. Wie gewohnt geht auch bei Rémis in einer einzigen Einstellung geplanten Doku schief, was nur schief gehen kann – wobei „Final Cut“-Filmer Michael Hazanavicius seinem Publikum die rabenschwarze Horrorkomödie in ein gegen den Strich gebürstetes Triptychon unterteilt kredenzt: Zunächst wird einem der realisierte Zombie-Jux aufgetischt, bevor man die Umstände geschildert bekommt, wie es zum Dreh kam und welche Pleiten, Pech und Pannen-Serie es dabei durchzustehen galt. Der uns mit seinem „The Artist“ in bester Erinnerung gebliebene Regietausendsassa Hazanavicius adaptiert seinerseits eine japanische Horrorkomödie von 2017, reichert seinen Trashjux mit Zitaten aus „The Rocky Horror Picture Show“ oder „Little Shop of Horrors“ an – und lässt Publikumslieblinge wie Romain Duris oder Bérénice Bejo mit Lust über die Stränge schlagen. Turbulent, schwarzhumorig, unterhaltsam.
D: Romain Duris, Bérénice Bejo, Grégory Gadebois, Finnegan Oldfield, Matilde Lutz.


Der Geschmack der kleinen Dinge
Frankreich/Japan ´22: R: Slony Sow. Ab 9.2. Wertung: ***
Dem Komponieren und Verfeinern von exquisiten Menus hat der französische Meisterkoch Gabriel Carvin (Depardieu)  einen Großteil seines Lebens gewidmet. Die eigene Ehefrau (Bonnaire) und seine mittlerweile erwachsenen Kinder sind ihm im Lauf der Zeit fremd geworden; ein mehr schlecht als recht überstandener Herzinfarkt lässt einen Klinikaufenthalt samt Bypass-OP zwingend werden. Wieder draußen beginnt Carvin an seinem einst untrüglichen Gespür für die wesentlichen Geheimnisse des Geschmacks zu zweifeln. Dass man ihm gerade erst den dritten Kristallstern für die Haute cuisine seines Nobelrestaurants Monsieur Quelqu´un zuerkennen mochte,  bessert die Laune des Trauerkloßes kein bisschen. Stattdessen kommt ihm ein Kochwettbewerb von vor 42 Jahren  in den Sinn, bei dem er von der simplen Nudelsuppe eines japanischen Kontrahenten deklassiert wurde! Der workoholic beschließt, den siegreichen Konkurrenten von damals aufzusuchen und bucht sich ein Flugticket nach Japan. Während Madame in Frankreich bleibt, um sich ihrer Affäre mit einem Restaurantkritiker zu widmen, sich ihr Ältester hinterm Herd des Monsieur Quelqu´un beweisen soll, und der Jüngste dem schwergewichtigen Papa hinterherfliegt, lässt die Regie ihren Starmimen Gérard Depardieu das Geheimnis der fünften Geschmacksrichtung des Gaumens, besser bekannt unterm Namen Umami, ergründen. Die Reise entpuppt sich zusehends mehr als eine Art Heilkur für Carvins Psyche; Ehe- und Familientherapie  inbegriffen. Nur schade, dass kulturelle Unterschiede zwischen Europa und Fernost wenig geschmackssicher in Klischees baden, so dass allenfalls Hauptdarsteller Depardieu den Kinobesuch wert ist.  
D: Gérard Depardieu, Kyôzô Nagatsuka, Sandrine Bonnaire, Pierre Richard, Rod Paradot.

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