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Wochenzeitung DIABOLO:
Der Trafikant01.11.2018

Text | Horst E. Wegener

Österreich anno 1937: Auf Geheiß seiner Mutter begibt sich der 17-jährige Provinzler Franz (Morzé) vom Attersee ins metropole Wien, um dort beim alten Kioskbetreiber Otto Trsujek (Krisch) in die Lehre zu gehen.

Prominentester Kunde der alteingesessenen Trafik ist der Seelenklempner Sigmund Freud (Ganz). Der kommt Franz wie gerufen, nachdem sich der 17-Jährige unsterblich in die schöne Anezka (Drogunova) verguckt hat, aber aus den Launen seiner unzuverlässigen und kapriziösen Herzensdame partout nicht schlau wird. Wenn ihm eine Person schlaue Ratschläge geben kann, dann dieser berühmte Professor. Und Freud lässt sich nicht lange bitten, sinniert mit dem Trafikanten-Lehrling über Frauen und die Liebe. Doch im Grunde hechelt der Alte lieber die Probleme der durch die Nazis drohenden Gefahren für Österreich mit Franzens Chef durch. Die erkennbar düsteren Aussichten, die ein Anschluss der Alpenrepublik ans Deutsche Reich mit sich bringen würde, erscheinen weder dem Philanthrop Trsujek noch dem jüdischen Professor rosig. Aber soll man deshalb gleich die Koffer packen? Als Franzens Chef dann eines Tages festgenommen wird, ist´s für Fluchtgedanken fast schon zu spät, sitzen Nicht-Arier in Wien der Mausefalle…
Regieroutinier Niklaus Leytner adaptiert eine Romanvorlage des durch seine Rolle in der Berlin-Krimiserie „Ein starkes Team“ bekannt gewordenen Schriftstellers Robert Seethaler, findet poetische Stimmungsbilder für die gemütlich-heimelige Kiosk-Atmosphäre der K.&K.-seligen Zwischenkriegsjahre in Wien. Vor allem aber ist „Der Trafikant“ erschreckend aktuell, fragen wir uns: Gebärden sich die Rechten nicht längst wieder ähnlich lautstark und schrill, wie seinerzeit?


Der Trafikant
Österreich/Deutschland ´18: Simon Morzé, Johannes Krisch, Bruno Ganz, Emma Drogunova.
Wertung: ✸ ✸ ✸ ✸ ✸ ✸
Casablanca: ab Do. 1.11.

Foto: Copyright Petro Domenigg / TOBIS Film GmbH