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11 Fragen an … Rami Chahin17.12.2020



Text und Foto  |  Karin Eickenberg

Im  besten Sinne un-gewöhnlich klingt die Musik von Rami Chahin. Der syrisch-deutsche Komponist und Musikwissenschaftler widmet sich mit großer Leidenschaft der zeitgenössischen Musik. Ein besonderer Schwerpunkt seiner Arbeit liegt darin, traditionelle arabische Elemente mit Formen neuer europäischer Kunstmusik zu verbinden. Zum Beispiel durch die Verwendung mikrotonaler Intervalle, also Tonstufen, die kleiner als ein Halbtonabstand sind und typisch arabische Klangfarben ins Spiel bringen. Dafür erhielt er mehrere internationale Preise, Stipendien und Auszeichnungen und tritt mit hochkarätigen Orchestern und Ensembles in aller Welt auf.  Gerade hat ihm Corona einen Strich durch die geplante Konzertreise nach Tunesien gezogen. Er hofft aber, nächstes Jahr ein Projekt in Ägypten realisieren zu können. Schon während seiner Studienjahre in Kuba und Japan setzte sich Chahin mit den vielfältigen kulturellen Ausdrucksformen der Musik auseinander. 2008 kam er dann nach Oldenburg, um an der Carl von Ossietzky Universität über spektrale mikrotonale Kompositionen zu promovieren. Hier erlangte er auch seinen „Doktor der Philosophie“ in Musikwissenschaft. Inzwischen ist der 45jährige als Dozent an der Uni Oldenburg tätig.  Gerade arbeitet er an seiner Habilitation. In seiner freien Zeit engagiert er sich für geflüchtete und behinderte Menschen. Es sei ihm wichtig, zu einem positiven Wandel in der Gesellschaft beizutragen, so der Musiker.  

 
DIABOLO: Was hat Sie zu Ihrer Kunst gebracht?
Chahin: Die  Liebe zur Musik. Schon als Kind hat mich die Musik mit ihren verschiedenen Einflüssen auf unsere Psyche fasziniert. Man kann mit Musik schnell glücklich, traurig, voll mit Energie, verrückt oder ruhig werden. Mein Onkel hat eine arabische Flöte, eine „Nay“, für mich gebaut. Es war nur eine sehr einfache Bamboo-Flöte, wie man sie auch in der  babylonischen und ägyptischen Kultur (?) findet, aber man konnte tolle Musik damit spielen. Wir hatten immer verschiedene Musikinstrumente im Haus und es gab immer jemanden, der sie spielte.  Mein Vater hat seine Master- und Doktorarbeit in Chemie in Polen gemacht. Er brachte von dort viele Schallplatten von klassischen Komponisten wie Tschaikowski, Beethoven, Bach sowie Popmusik und Volksmusik mit.  Diese Musik neben der arabischen habe ich jeden Tag für Stunden gehört und sie spielt eine große Rolle in meinem Leben.
DIABOLO: Was möchten Sie mit Ihrer Kunst bewirken?
Chahin: Ich möchte mit meiner Arbeit zufrieden sein. Und bei meinen Zuhörern ein neues Gefühl für Musik und Interkulturalität wecken.
DIABOLO: Mit welchen Themen setzen Sie sich auseinander?
Chahin: Mit allem, was mir in den Kopf kommt: Interkulturalität, Liebe, Krieg, Natur, Politik, Operette Buffa, experimentelle Musik...
DIABOLO: Wo und wie arbeiten Sie?
Chahin:   Ich arbeite in meiner Wohnung. Es gibt unterschiedliche Methoden, das hängt von Art und Umfang der Arbeiten ab. Komposition braucht viel Spiegelung. Bevor ich anfange zu schreiben, muss ich das zu komponierende Stück erst mal im Kopf gut formulieren – so, als würde die Musik bereits in meiner Vorstellung gespielt werden.      
DIABOLO: Ihre kreative Eigen-Art?
Chahin: Man könnte sagen: Experimentelle Musik  und Interkulturalität. Ich kombiniere verschiedene Stile, z. B. computergestützte Kompositionen, die traditionelle arabische Elemente mit Formen zeitgenössischer europäischer Kunstmusik mischen.
DIABOLO: Ein Höhepunkt in Ihrer bisherigen Arbeit?
Chain: Jedes Stück und jede wissenschaftliche Arbeit ist für mich ein Höhepunkt...es ist  eine Geburt.
DIABOLO: Ein aktuelles Projekt?
Chahin: Als Mitglied der arabisch-deutschen Akademie für junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen leite ich das Projekt „Avant-Garde Music: Critical Reflections and New Compositions“. Es ist das erste Projekt über mögliche musikalische und akademische Verbindungen zwischen der arabischen Musik und der klassischen und zeitgenössischen Musik. Es werden akademische Interviews in Deutschland  und in arabischen Ländern geführt, wie Kuweit, Ägypten, Tunesien, Libanon. Außerdem sind Komponisten und Komponistinnen aus Deutschland und den arabischen Ländern gefragt, neue mikrotonale Musikstücke zu schreiben. Ein Konzert wird aufgeführt. Man kann es sich demnächst im Oeins-Fernsehen und anderen Rundfunkanstalten ansehen, unter  http://www.agya.info/tandem-project/avant-garde-arab-music-critical-reflections-and-new-compositions/
DIABOLO: Wo ist Ihre Kunst zu hören?
Chahin: (lacht)...hoffentlich überall!
DIABOLO: Was bedeutet Erfolg für Sie?
Chahin: Zufriedenheit
DIABOLO: Wie lebt es sich als Künstler in Oldenburg?
Chahin: Die Vorteile: Es ist ein ruhiger Ort zum Arbeiten, die Leute sind offen und nett. Ein Nachteil, es gibt nur begrenzt Projekte für Musiktheater und zeitgenössische Musik. Und leider gibt es hier keine Hochschule für Musik.  
DIABOLO: Ein Wunsch, ein Plan, eine Vision?
Chahin:  Zunächst möchte ich an der Uni meine Habilitation abschließen, um später vielleicht eine Professorenstelle in Komposition zu bekommen. Außerdem würde ich gern neue Kompositionen für elektronische Musik schreiben. Und ich wünsche mir eine Konferenz für zeitgenössische, interkulturelle Musik.  
Kontakt: www.ramichahin.com

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