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Buchvorstellung: „Bonsai“ von Chuck Palahniuk Vorgestellt von Marvin Gräfing10.03.2020



MoX: Wovon handelt das Buch?
Marvin Gräfing:  Wenn man* nur allein die Handlung betrachtet, wirkt die Geschichte auf den ersten Blick so, als ob sie aus einem typischem Spionageroman stammen würde: Wir finden hier einen Protagonisten vor, der namentlich nicht genannt wird und lediglich eine Agentennummer besitzt. An den Stellen, wo der Name eigentlich vorkommen müsste, ist er geschwärzt. Das erweckt den Eindruck, als hätte man* Geheimakten vor sich liegen. Die Art und Weise, wie wir in den Auftrag des Protagonisten eingeführt werden, geschieht über einen Schreibstil, der an ein Protokoll erinnert bzw. einem Logbuch ähnelt. Ein nicht näher benanntes Land, das wohl im asiatisch-pazifischen Raum liegt und durchaus ein Gegenmodell zum westlichen Kapitalismus darstellen möchte, entsendet jugendliche Schläfer-Agenten unter dem Deckmantel eines Schüleraustausches in die Vereinigten Staaten von Amerika. Hauptprotagonist Agent Nr.67 und seine anderen Mitstreiter*innen sollen in die amerikanische Zivilbevölkerung untertauchen und ihren Geheimauftrag erfüllen. Um welchen jeAuftrag es sich handelt, erfahren wir nach und nach. Die von Agent Nr.67 in den Protokollen verwendeten Umschreibungen für Personen sind eindeutig ideologisch geprägt, so ist z.B. jeder Amerikaner dick, sexsüchtig und dem Kapitalismus erlegen. In der Geschichte finden wir immer wieder Anlehnungen an den Kalten Krieg und einer einhergehenden Systemkonfrontation zwischen Kapitalismus und Kommunismus vor. Davon abgesehen bietet der Roman einen sehr interessanten Blick auf die amerikanische, und auf westliche Kulturen. Der ideologisch geprägte Außenblick des Schläfer-Agenten beschreibt die Besonderheiten an der westlichen Kultur wie durch eine absurde Brille, in der die scheinbar alltäglichen Dinge in einer fast schon perversen Form erscheinen.
MoX: Wie haben Sie das Buch gelesen?
Marvin Gräfing: Auf dem Papier. Meiner Meinung nach lesen sich Romane auf dem Papier wesentlich besser, aber das ist wohl eine Frage des persönlichen Geschmacks. Ich besitze keinen E-Book-Reader, da ich eben Printmedien bevorzuge. Zudem kommt das Lesen auf dem Papier den Augen zu gute.
MoX: Was hat Ihnen besonders gut an dem Buch gefallen?
Marvin Gräfing: Ich finde, das ganze Buch lebt weniger von der Geschichte und mehr von dem ganzen Drumherum. Wenn man* wirklich nur die Story in ihren Kernpunkten summiert, ergibt das einen herkömmlichen Agentenroman. Aber durch Aufbau, Erzählperspektive und vor allem durch die Sprache gestaltet sich der Roman vielschichtig. Das Schöne daran ist, dass die Geschichte  auch dann funktioniert, wenn man* sie einfach herunterliest. Es obliegt den Leser*innen, ob sie sich tiefer in die Sprache und Erzählperspektive begeben und die ideologischen Differenzen, die dort aufgezeigt werden, näher betrachten.
MoX: Wem würden Sie das Buch empfehlen?
Marvin Gräfing: Ich würde es Personen empfehlen, die sich für spannende Geschichten interessieren, in denen es etwas kniffliger zugeht und nicht gleich alles offen gelegt wird. Es kann nicht schaden, etwas vom Kalten Krieg bzw. vom Ost-West-Konflikt, weitergehend auch von dem Konflikt der rivalisierenden Systeme gehört zu haben, weil das ist die Inspiration für das Ganze darstellt. Ich denke, dass es einen Zugang eröffnen kann, wenn man* diese historische Perspektive im Hinterkopf behält, aber dieses Wissen muss nicht zwingend vorhanden sein.
MoX: Was wissen Sie über den Autor?
Marvin Gräfing: Chuck Palahniuk, 1962 geboren,  war vor allem in den neunziger Jahren ein erfolgreicher und gefeierter Autor, der einer alternativen Künstler*innenszene entstammte. Der großen Durchbruch gelang ihm mit seinem Roman „Fight Club“ und dessen erfolgreicher Verfilmung durch David Fincher. Viele seiner Werke besitzen diesen typischen Neunziger Jahre-Flair: Der Kalte Krieg ist vorbei und eine neue Zeit ist angebrochen. In der westlichen, oberflächlichen Welt suchen die Menschen einen Ausgleich, eine Art kulturelle Bestimmung, die im Hier und Jetzt verankert sein soll.

Interview und Foto: Dana Hubrich

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