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Schwierige, lesenswert verrätselte literarische Kost10.01.2024



Text: Horst E. Wegener Foto: Maja Bechert

Denkwürdige Titel gelten ohnehin als Markenzeichen des seit längerem in Offenbach lebenden umtriebigen Schriftstellers, Musikers, Radiomoderatoren und Illustratoren Witzel – darunter „Uneigentliche Verzweiflung“ (2019), „Inniger Schiffbruch“ (´20), „Erhoffte Hoffnungslosigkeit“ (´21) und seit neuestem ein Band mit mehreren Erzählungen über die komplizierten Bedingungen des Menschseins vor und die vielen Wirklichkeiten hinter der Wirklichkeit, getauft auf „Die fernen Orte des Versagens“ (´23). Da findet in einer Geschichte ein Pilzsammler im Wald eine Leiche und versucht, mögliche Konsequenzen zu umgehen; ein Paar fährt zu einem Fotoshooting auf den Todtnauberg; eine Frau mit einem Pferdewunsch muss sich mit den noch ausgefalleneren Wünschen ihrer Partner auseinandersetzen; eine andere Frau versucht sich durch ein Voodoo-Ritual vor einem drohenden Schicksalsschlag zu bewahren.
Selbst manche Buchhändler halten das Gesamt-Oeuvre Witzels nach wie vor für kaum lesbar – ganz entgegen dem einstigen Urteil der Jury des Deutschen Buchpreises, die dessen „Die Erfindung…“ mit ihrer Ehrung aus der Geheimtippnische hieven mochten. Zwar hatte der zuvor unbekannte Nischenautor schon ab 1975 erste Gedichte in alternativen Literaturzeitschriften veröffentlichen können, doch mit seinem 800-Seiter war der Sprachvirtuose im Literaturbetrieb angekommen – und wurde gelegentlich sogar mit der US-Größe Thomas Pynchon verglichen. Ähnlich wie in dessen verrätseltem Parallelwelten-Kosmos wirft Witzel in seinem neuesten Erzählband „Die fernen Orte…“ beständig die große Frage auf, die keine rein erzähltheoretische ist: Wie kriegen wir die Welt überhaupt zu fassen? Und das bedeutet auch: Was müssen wir eigentlich alles weglassen, um Welt und Wirklichkeit in einen schön stringenten Plot zu pakken, wie wir ihn sonst so kennen?
Über 14 Texte in „Die fernen Orte…“ hinweg unterzieht der Autor die Möglichkeiten der Literatur dem Zweifel, um im Endeffekt weiter Nektar daraus zu saugen, sich an den Gegebenheiten auszurichten, zu reiben, weiterzumachen! Zweifelsohne schwerer Lesestoff, der einem Fragen über Fragen auftischt. Dranbleiben an Witzels Überlegungen lohnt schon allein, weil hier jemand angesichts des immer drohenden Versagens so schön und präzise fabuliert und ausführt, unter welchen Bedingungen das Schreiben überhaupt möglich ist; vertiefende Erläuterungen zur Gedankendringlichkeit gibt´s vom Autor im Rahmen seiner LiteraNord-Stippvisite live in Oldenburg am 14.Januar 2024, 11 Uhr, Wilhelm13.

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