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Neues aus der Hauptstadt25.01.2023







Text und Fotos: Horst E. Wegener

Aktuelles Beispiel: Die Uferhallen in Berlin-Wedding. Das weitläufige Areal nahe dem Flüsschen Panke, auf dem ab 1873 ein Transportbetriebshof für die „Große Berliner Pferdeeisenbahn“ entstand, und auf dem später dann Straßenbahnen und Busse repariert wurden, beherbergt seit 2007 zahlreiche Ateliers, Tanz- und Proberäume, Werkstätten, Tonstudios und Veranstaltungsräume. Seit 2017 ist die Uferhallen AG, der das Gelände gehört, mehrheitlich in Besitz einer Investorengruppe um die Zalando-Mitbegründer, die dort nicht nur mit dem Abriss von etlichen nicht denkmalgeschützten Gebäuden liebäugeln, sondern obendrein eine dreizehnstöckige Wohnturm-Vision in der Mache haben.  Zwar gelang  es den derzeit rund 150 Mietern vor Ort, sich mit Politik und Investoren im Frühherbst ´21 auf einen „Letter of Intent“ zu verständigen, der langfristige Planungssicherheit verhieß, doch die Angst vor Verdrängung blieb. Und ist für jeden Besucher mit Händen zu greifen, wenn man sich auf dem weitläufigen Gelände ein Weilchen umschaut. Am besten lassen wir uns zum Auftakt auf einen Espresso im Café am Haupteingang nieder - und beobachten das geschäftige Kommen und Gehen auf dem Gelände. Niemand, mit dem wir im Café ins Gespräch über die von den Investoren geplanten zahlreichen neuen Wohnungen an den Rändern des Uferhallen-Areals kommen, will sich grundsätzlich gegen die Schaffung von Wohnungsneubau in Berlin aussprechen. Allerdings treibt jemanden, der wie Antje Blumenstein oder Hansjörg Schneider große Skulpturen erschafft, was naturgemäß laut über die Bühne geht, verständlicherweise die Frage um, wie diese Arbeitsgeräusche bei jenen in den beabsichtigten Wohnturm einziehenden neuen Nachbarn ankommen dürften. Ein Gedanke, den auch Sophia Gräfe und Arkadij Koscheew aufgreifen – das Kuratoren-Duo hat im Rahmen der international renommierten Berliner Art Week im Herbst ´22 eine Gruppenausstellung mehrerer Künstler in einer der großen Uferhallen verantwortet. Und sie befürchten, dass die dann auf ihre Wochenendruhe pochenden neuen Wohnungsnachbarn speziell bei größeren Kulturveranstaltungen mit Unterlassungsklagen reagieren könnten. Hinzu kommen die ins Stocken geratenen Verhandlungen über künftige Mietpreise für die derzeit extrem günstigen, weil unsanierten Großateliers.  Wessen Gebäude vom Abriss bedroht ist, dem wurde vom Investor zwar ein Ausweichquartier auf dem Gelände angeboten – gleichwohl würde die derzeitige Mietvorstellung des Investors „eine Vervielfachung der Kosten bedeuten“, betont der Sprecher des Vereins Uferhallen e.V., Peter Dobroschke. Beim Senat wird mit Verweis darauf, dass man sich aktuell auf verschiedenen Ebenen in Gesprächen mit allen Beteiligten befinde, abgeblockt. Ephraim Gothe, Baustadtrat des Bezirks Mitte, kommt bei Podiumsdiskussionen zum Thema gern auf den Bebauungsplan zu sprechen: Dieser biete grundsätzlich Möglichkeiten, Gewerbe und Wohnen räumlich so zu sortieren, „dass eine Kollision ausgeschlossen werden kann“. Dabei achte Berlin hinsichtlich der Uferhallen-Zukunft auf drei Ziele: „Die Sicherung des Kulturstandortes, die Sicherung der denkmalgeschützten Gebäude, dann kommt erstmal nix und dann kommt eine behutsame Nachverdichtung“, so Gothes Argumentation zur Umsetzung der unterschriebenen Letter of Intent-Vereinbarungen.
Eine Aussage, die von einem langjährigen Uferhallen-Mieter wie Christoph Schreiber, dessen Pianosalon Christophori auf Planungssicherheit extrem angewiesen ist, durchaus mit Erleichterung zur Kenntnis genommen wurde. Seit 2011 existiert Berlins krasseste Konzertwerkstatt in einer der ehemaligen Motorenbauhallen der zentralen Omnibus- und Straßenbahnwerkstatt der Berliner Verkehrsbetriebe. Wo in einer der unter Denkmalschutz stehenden Großraumhallen jahrzehntelang Fahrzeuge gewartet wurden, werden heutzutage einerseits Resonanzböden poliert oder historische Flügel spielbar gemacht, um andererseits auf manchen dieser Uralt-Schätzchen zu musizieren! Wer sich auf eins der regelmäßig von Impresario Schreiber initiierten Konzerte einlässt, der erliegt unmittelbar beim Betreten der riesigen Halle dem Industrie-Charme des Pianosalons Christophori. Auf einem Podest reiht sich Konzertflügel an Flügel, moderne Kunst ziert die Wände, Kronleuchter hängen von der Decke und dazwischen erhellen altmodische Stehlampen den Großraum. Im Halbrund um das Podest harren bunt zusammengewürfelt Sessel und Stühle auf Belegung; Pianosalon-Profis wissen um die gewissen Unbequemlichkeiten, wenn man nicht eines der dicken roten Kissen erwischt hat, und bringen sich ihre eigene Sitzunterlage mit. Das Publikum ist erstaunlich heterogen; im Vergleich zu den etablierten Konzertsälen der Stadt sind viele junge Zuhörer unter den Gästen. Und Veranstalter Schreiber, der vor wenigen Jahren noch als Arzt im Krankenhaus Dienst schob, um in der Freizeit Konzertflügel zu restaurieren, kann für Veranstaltungen längst auf sein Adressbüchlein voller Kontaktdaten etablierter Künstler zurückgreifen. Mittlerweile hat er sogar den stressigen Klinikjob an den Nagel gehängt, um sich ganz seinem Herzensprojekt widmen zu können. Danach, dass der Pianosalon Christophori dicht machen müsste, sieht es in nach-pandemischen Zeiten nicht aus. Und solange Schreibers „Christophorie“ geteilt wird, ist daran erst recht nicht zu denken…



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