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Den Umgang mit Plastik neu lernen18.05.2022



MoX: In der Ausstellung „Planet Or Plastic“ wird die Plastikverschmutzung vor allem bildlich dargestellt. Sie beschäftigen sich seit langem auf wissenschaftlicher Basis mit der Thematik. Wie kam es dazu?
Dr. Barbara Scholz-Böttcher:  2011 haben wir mit der Forschung angefangen. Ich bin leidenschaftliche Analytikerin und es ging darum, wie man Plastik analysieren kann. Mikroskop und zählen ist völlig unzuverlässig, das war uns damals auch schon klar. Es muss etwas Chemisches geben. Mit dieser Überlegung fing es an. Wir fingen an, Kleinstfischchen in der Nordsee auf Mikroplastik zu untersuchen, parallel zu dem ‚Hype‘ um dieses Thema, der damals losging. Partikel zu definieren ist wahnsinnig schwer, denn man hat nicht nur ein Plastik, sondern zig verschiedene, was sowohl analytisch als auch in der Umwelt ein anderes Verhalten bedeutet. Es hat etwa 10 Jahre gedauert, dass die Methoden auch komplementär verstanden wurden, was bedeutet, dass es nicht nur eine Methode zur Erfassung gibt, sondern dass man verschiedene miteinander kombinieren muss.
MoX: Was ist das größte Problem von Mikroplastik in Gewässern?
Dr. Barbara Scholz-Böttcher: Ich denke den größten Schaden nimmt die Primärproduktion. Also dort, wo Organismen sehr unselektiv fressen und Kunststoffe aufnehmen und diese somit in die Nahrungskette bringen. Dabei sind die Kunststoffe weniger das Problem als die Additive. Zwar ist der Mensch selbst als Endnahrungsglied sehr robust, aber wenn die Primärproduktion in breiter Form Schaden nimmt, wirkt sich das insgesamt auf den Kreislauf aus.  Aktuell wird auch geschaut, was Mikroplastik beim Menschen anrichtet, beispielsweise in den Atemwegen, durch die Luft, Kleidung, etc. Da geht es um Kleinstpartikel und wie diese transferiert werden und wie gut Abwehrmechanismen sind.
MoX: Ihre Forschung beschäftig sich mit der Analyse und Herkunft, aber gibt es auch Lösungsansätze, um den Schaden rückgängig zu machen?
Dr. Barbara Scholz-Böttcher: Ich glaube, dass den Schaden rückgängig zu machen ein guter Wille ist. Es wird aber nicht funktionieren. Es ist viel sinnvoller nach vorn zu schauen und bewusst einen Cut zu setzen und jetzt zu versuchen, soweit es geht, die Quellen einzuschränken. Plastik ist durch Müllmissmanagement so breit verteilt, dass es nicht mehr rückgängig zu machen ist. Man kann natürlich kleine Mengen hier und da in Aktionen entfernen, um Menschen dazu zu bringen, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen, das ist auch wichtig, aber hauptsächlich müssen wir den aktuellen Umgang mit Plastik komplett überdenken. Wenn wir nach Asien schauen und dort Flüsse sehen, die voll sind mit Plastik, ist es natürlich sinnvoll, dieses direkt zu entfernen, aber eben im Makroplastikbereich. Wir müssen stattdessen sofort verhindern, dass bestimmte Kunststoffe vermüllt werden. Viel gezielter dort eingreifen, wo produziert wird.Wir können nicht alle Kunststoffe ersetzen, sie sind in meinen Augen für die heutige Gesellschaft unverzichtbar, aber wir müssen uns vor Augen halten, dass es ein Wertstoff ist, der dafür gemacht ist, unglaublich lange zu halten. So sollte er dann auch genutzt werden.
Interview und Foto: Thea Drexhage

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