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Kunst zum Anfassen und Einstecken22.09.2021



Text und Foto: Britta Lübbers
Als „lustvolle Enttäuschung“ bezeichnet der 1984 in Magdeburg geborene Heine, der an der HfK in Bremen studiert hat, heute in Leipzig lebt und dessen Werk vielfach ausgestellt wurde, diese Art der Irritation. Er möge Mehrdeutigkeiten, bekennt er. Das zeigt sich schon in der Titelwahl. „Topos und Terrain iO.iO“ (in Oldenburg in Oldenburg) – für Heine, der auch Kunstvermittler an der Werkschule ist, ist das iO.iO eine vieldeutige Lautmalerei. Io hieß aber auch die Geliebte des Zeus. Die Lautfolge habe Potenzial, freut sich der Künstler, dessen Werke zurzeit ebenfalls in einer Gemeinschaftsschau im Museum für Moderne Kunst im brasilianischen Recife zu sehen sind.
„Topos und Terrain“, das sind 150 Kopierpapierblätter in 16 Mappen, die Tobias Heine auf einem Tisch ausgelegt hat. Er hat das durchscheinende Papier beidseitig mit Bleistift bearbeitet, hat Linien gezogen, dick aufgetragen und zart schattiert. „Mich interessiert die Grenze der Materialität“, sagt Heine. „Wann wird das Papier zum Objekt? Und wann wird die Spur auf einem Bild zur Schrift und damit lesbar?“ Solche Fragen beschäftigen ihn. Die Besucherinnen und Besucher können in den Mappen blättern, sie dürfen auch die Seiten darin neu ordnen. Was dann entsteht, ist eine Interaktion, die nicht vorhersehbar ist, meint der Künstler. Nicht vorhersehbar sind wohl auch die Reaktionen auf seine Wandmalerei. Hier dominieren ebenfalls Striche und Schraffuren, angereichert mit Wörtern und Satzfragmenten. Es ist temporäre Kunst, im Anschluss an die Ausstellung wird die Wand wieder weiß übermalt.
Schreiben und Schrift spielen bei Heine eine wichtige Rolle, auch wenn dies nicht sofort ins Auge fällt. Der Spiegelbild-Druck zum Mitnehmen enthält schönste Minimal-Prosa, darunter Zeilen, die wie ein Gedicht anmuten: „(…) Ich habe keine Angst mehr. Meine Eltern verschwanden 1989 mit dem Auftauchen ihrer Ohnmacht. / Heute stehe ich mit ihnen an der Kasse.“
Mehrdeutigkeit bedeute nicht den Verlust von Halt, unterstreicht Tobias Heine. In der Kunst sei gar das Gegenteil möglich. „So können wir dem Bodenlosen eine Form geben.“

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