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Urlaub auf dem Bauernhof15.07.2021



Ohne Strom, fließend Wasser oder einer Toilette, die nicht die Form eines Waldes oder Kartoffel-Ackers hat, ist in diesen Zeiten schon fast die ideale Möglichkeit einfach mal abzuschalten und kurz Pause zu machen, von den ständig neuen Updates. Morgens von der Sonne geweckt werden, das Gas aufdrehen, der Kaffeegeruch, der einem langsam durch die Nase strömt, während man vielleicht auf Meer, vielleicht auf Berglandschaften blickt und abends dann mit dem letzten Licht müde werden. Kerzen und Feuer langsam runterbrennen zu lassen und sich nach einem Tag an der frischen Luft in den Schlafsack zu kuscheln – was will man mehr? Vielleicht noch ein bisschen Pfannenpizza oder Chili für das leibliche Wohl und ein guter Wein oder ein herbes Bier am Abend, dann passt zu den meisten der frisch gebackenen Corona-Camper der Ausdruck „rundum zufrieden“ ganz gut.


WWOOFen in Niedersachsen
Aber bitte weiterlesen, auch wenn kein eigener Bulli vorm Haus parat zum Einsteigen ist! Denn wovon hier berichtet werden soll ist ein Konzept das sich WWOOF nennt. „World Wide Opportunities on Organic Farms“ bedeutet so viel wie „Weltweite Möglichkeiten auf organischen (Bauern-)Höfen“ und ist eine super Chance für all diejenigen, die sich im Urlaub auch einfach mal Abwechslung vom Alltag wünschen. Eigentlich ist es ganz einfach: Freiwillige Urlauber arbeiten für Kost und Logie auf einem Hof ihrer Wahl. Dazu einfach auf wwoof.de registrieren, Beiträge für ein Jahr kosten 25 Euro, und lossuchen. Höfe gibt es in ganz Deutschland, manchmal sogar direkt vor der eigenen Haustür, also kann man ganz frei wählen wie weit man sich aufmachen möchte. Selbstverständlich gibt es dieses Angebot auch in vielen anderen Ländern, aber das gestaltet sich auf Grund der aktuellen Lage natürlich unnötig kompliziert, wenn es auch hier in Niedersachsen die verschiedensten Angebote gibt. Die Website informiert über die wichtigsten Eckdaten zu den Höfen, ihren menschlichen und tierischen Bewohnern und teilweise auch schon zu den aktuell anstehenden Arbeiten, bei denen die häufig noch unerfahrenen Besucher tatkräftig unterstützen können. Es gibt individuelle Regeln für die Dauer der Arbeitszeiten innerhalb einer Woche und teilweise auch Beschränkungen der Hofbesitzer zur Dauer des jeweiligen Aufenthaltes. Persönlich bin ich auf diese Weise in Deutschland schon ganz schön herumgekommen. Ob in Hessen im Herbst bei der Weinlese (und Verkostung) zu helfen in Butjadingen auf einem feministischen Bauernhof Ponyreiten für Touristen zu veranstalten oder, wie gerade in diesem Moment, bei einem SoLaWi-Hof (Solidarische Landwirtschaft) in Brandenburg zu sitzen und nach einer langen Zaunbau-Aktion auf das Abendessen zu warten, dass die Mit-Wwoofer gerade frisch zubereiten – ein Urlaubsgefühl und die ersehnte Entspannung sind ebenso erreicht worden, wie meine Neugier täglich befriedigt wurde! Um zwei meiner persönlichen Erfahrungen wird es sich nun drehen, damit vielleicht ein etwas lebendigeres Bild davon entstehen kann, wie der Wwoof-Alltag so aussieht und sich die/der ein oder andere vielleicht auch mal auf dem Feld oder im Kuhstall ausprobiert – denn von dieser Abmachung, die ganz ohne Geld funktioniert, profitieren alle Seiten.
Die Bunte Birke in Butjadingen
Auf dem kleinen Hof „Bunte Birke“ in der Nähe des Jadebusens, liegt nur einen zehn Minuten Spaziergang vom Deich entfernt, und ha mir meine ersten Wwoof-Erfahrungen in Deutschland beschert. Ich war nur knappe vier Tage vor Ort und bin immer wieder überrascht davon, wie vertraut man mit den Menschen und Tieren wird, bei denen man zu Gast ist. Bei meiner Ankunft an einem regnerischen Abend wurde ich von den Besitzerinnen herzlich in Empfang genommen und in der Scheune erstmal etwas bewirtet. So konnte man sich direkt etwas beschnuppern und ein paar Projekte besprechen, die anstanden. Frühstück gab es um halb neun und anschließend ging es direkt zu den Pferden, dem Maulesel und in den Stall zum Pferdeäpfel sammeln. Ich habe in der Zeit mit Sophia und Franziska die unterschiedlichsten Aufgaben bekommen: Vom Zaun Ab- und wieder dran-montieren über Unkraut jäten und Ponyreiten betreuen durfte ich in den Alltag der beiden richtig einsteigen. Highlight war das Fohlen-kuscheln. Wenn die kleinen Shetland-Pony Kinder Lila und Felix sich irgendwann nähertrauten und einmal erkannt hatten, dass Hals kraulen wunderbar zufriedenstellend und doch gar nicht so angsteinflößend war, durfte man gar nicht mehr aufhören. Besonders inspirierend an dem Woofing-Konzept ist aber vor Allem auch der zwischenmenschliche Austausch. Sophia und Franziska haben mit ihrem Hof ein feministisches Projekt gestartet und bieten demnach unter anderem Mädchenmutkurse an, Workshops zu gewaltfreiem Umgang mit Ponys, betreuen aber auch teilweise Jugendliche, die besondere Zuwendung brauchen. So habe ich sehr viele Gespräche, zwischen und während der mal ganz leichten, mal etwas anstrengenderen Arbeit geführt, die mich zum Nachdenken angeregt haben und auf die ich mich schon wieder freue, falls ich es demnächst nochmal an die Nordsee schaffe.


Der Angushof in Geestland
Meine zweite Erfahrung war auf dem Angushof in Geestland, der sich auf ökologische Rindfleischproduktion konzentriert. Als jemand, der sich seit ein paar Jahren vegan ernährt, war es für mich interessant sich auch diese Seite der ökologischen Landwirtschaft mal anzuschauen. Das Familienunternehmen habe ich mit meiner damaligen Mitbewohnerin besucht und wir wurden sofort herzlich aufgenommen. Auch hier ist mir der erste Abend in Erinnerung geblieben, an dem sich alle um die Feuer-Tonne versammelt haben und man sich erstmal ordentlich beschnuppern konnte. Neben dem ganzen Kuhzunge-Stechen, einer sehr hartnäckigen Ackerpflanze, gegen die ich nicht unbedingt noch einmal einen Kampf verlieren möchte, habe ich unglaublich viel gelernt. Nicht nur über die Angusrinder und die Herde selber, sondern auch über die Situation der Landwirte generell, die häufig zwischen Umweltschutz und Hof-Betrieb in eine Zwickmühle geraten. Besonders dutlich wurde dies in einem Gespräch über die Rückkehr der Wölfe in die Region und das wenig hilfreiche Angebot, das den Bauern gemacht wurde, einen Wolfzaun zu erhalten. Der sperrt die Wölfe nämlich anscheinend nur halb aus, dafür die Rinder aber so sicher ein, dass sie keinen Fluchtweg mehr haben, sollte ein Rudel Wölfe den Zaun überwinden (was bereits geschehen war). Das gemeinsame Kochen und die Ausflüge zu den praktischerweise benachbarten Familienhöfen hat uns richtig in das Leben der Familie eintauchen lassen und ich bin sehr dankbar dafür, dass ich diesen Einblick bekommen durfte.
Wie wahrscheinlich schon deutlich wurde, kann man die unterschiedlichen Erfahrungen gar nicht miteinander vergleichen – und wozu auch. Über die Internetseite bekommt jeder die Möglichkeit sich schon vorab ein Bild von dem Wunsch-Hof zu machen und der gegenseitige Austausch während der Aufenthalte ist in jedem Fall eine lohnenswerte Bereicherung – und natürlich auch Urlaub!

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