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Alles über Roads. Interview mit Sebastian Schipper29.05.2019

interview  |  Martin Schwickert

Schipper: Es gab einige Angebote, aber da muss man auch bereit sein, sich dafür hinzugeben. Ich habe festgestellt, dass ich in einem solchen Set Up letztlich immer ein Angestellter sein würde - und da bin ich einfach nicht gut drin. Ich bin nur dann gut, wenn ich sehr entschieden meine eigenen Sachen machen kann.
DIABOLO: Gyllan und William sind beide um die 18. Ist das ein Alter, in dem man besonders empfänglich für neue Freundschaften ist?
Schipper: Wenn man in diesem Alter zum ersten Mal ohne Familie auf Reisen geht, ist das Phänomen, neue Leute kennen zu lernen, besonders reizvoll. In der Zeit macht man vielleicht noch nicht mit „der Beziehung“ Urlaub, sondern ist eher mit seinem besten Kumpel oder besten Freundin unterwegs. Andere Menschen treffen, mit Unbekannten auf irgendwelchen Parkbänken oder im Interrail-Abteil ein billiges Bier zu trinken - das passiert in diesem Alter einfach sehr viel häufiger.
DIABOLO: Was erkennen der Londoner Gyllan und William aus dem Kongo ineinander?
Schipper: In einer Situation, in der sie sich von Gott und der Welt verlassen fühlen, erleben sie das Wunder, dass man sich einem Menschen nahe fühlen kann, dem man gerade erst begegnet ist. Die beiden sind ja selbst davon überrascht, dass sie sich so gut verstehen. Gyllen ist da sehr offensiv und hat Lust Neues zu erleben. William bleibt zunächst ein wenig auf Distanz. Aber die Begegnung und die Freundschaft, die daraus erwächst, ist für beide ein tolles, intensives Erlebnis.
DIABOLO: Sie reisen mit dem Film nach Marokko und Calais - den Nahtstellen der Migrationsbewegungen. Warum war Ihnen diese zeithistorische Verortung so wichtig?
Schipper: Der politische Kontext ist in diesem Film absolut quintessentiell. Aber trotzdem ist es zuerst einmal eine Geschichte über die Freundschaft zweier Achtzehnjähriger, die mit einem geklauten Auto quer durch Europa fahren. Der eine ist aus dem Kongo, der andere aus London. Für mich ist das Versprechen des Films, dass das Leben trotz allem Wahnsinn um einen herum, trotz aller Härten voller Wunder und Überraschungen steckt. Und das lässt sich in einem Set Up, das mit unserer gesellschaftlichen Realität verbunden ist, nicht nur bedeutsamer, sondern schlichtweg auch interessanter erzählen. Ein Film, in dem die größte Krise ist, dass der Wagen einen Platten hat, hätte mich nicht interessiert. Wenn ich von einer Poesie und Schönheit erzählen will, dann muss die heutige Welt mit all ihren Widersprüchen auch darin vorkommen und soll nicht nur so zurecht gelegt werden, damit das Drehbuch funktioniert.
DIABOLO: Sie haben auch vor Ort in Calais und Marokko recherchiert. Was haben Sie über die Menschen, die auf der Flucht sind, gelernt?
Schipper: Es hat mich verblüfft, mit welcher Offenheit mir die Migranten begegnet sind, obwohl sie in diesen tragischen und furchtbaren Verhältnissen leben. Und das ohne irgendeinen Vorwurf, wo es mir als privilegiertem Europäer doch so über die Maßen gut geht. Die Neugier und die Bereitschaft mir ihre Geschichten zu erzählen, mir zu begegnen – das hat mich wirklich überwältigt. Außerdem habe ich gesehen, wie stark die Geflüchteten dort zusammenhalten. Viele junge Menschen aus allen Ecken Europas kommen nach Calais, um sich in den Flüchtlingshilfeorganisationen zu engagieren und schuften dort mit einer unheimlichen Energie. Die Zeit dort mit all den Begegnungen ist ein wirklich profundes Erlebnis in meinem Leben.

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