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Jazz kennt keine Grenzen06.03.2024





Text: Horst E. Wegener
[font=Bembo] In den Niederlanden, die ab 1940 von den Nazis besetzt waren, behalfen sich jazzbegeisterte Musikfans eine Zeitlang damit, die Texte etwa von Louis Armstrongs greatest Hits einfach ins holländische zu übersetzen, und den Besatzern gegenüber zu behaupten, es handele sich hierbei um populäre Volkslieder, die man schon länger im Repertoire habe. Solange die Deutschen die Texte nicht verstanden, nahmen sie den Musikern deren Behauptungen sogar ab – und schon konnte in den angesagten Tanzschuppen des Landes live losgejammt werden. Nachdem auch diese Flunkereien dann irgendwann aufflogen, blieb den jazzaffinen Musikern nichts weiter übrig, als in den Untergrund abzutauchen, wo sie sich über die Lehre vom Swing, Dixie und Hot[/font][font=Bembo] [/font]
Jazz in höchst illegalen Jazzschulen, Dutch Swing Colleges genannt, austauschten. Ein riskantes Freizeitvergnügen, gleichermaßen hochgefährlich sowohl für jede Band als auch fürs interessierte Publikum – zumal man ab 1943 in den Niederlanden sogar schon für den Besitz eines Radiogerätes verhaftet und von den Deutschen abgeurteilt werden konnte. Und wehe denen, die beim heimlichen Hören des amerikanischen Truppen-Senders erwischt wurden.
Als der Zweite Weltkrieg dann auch für die besetzten niederländischen Gebiete endlich beendet war, konnten die Mitglieder der populären Dutch Swing College Band ihre bis dahin nur im Untergrund praktizierte Kunst endgültig in aller Öffentlichkeit ausleben. Und die Truppe war gut genug, um umgehend ein Engagement fürs musikalische Entertainen der kanadischen Soldaten zu ergattern, die im niederländischen Städtchen Apeldoorn ein Depot unterhielten. Der New Orleans Jazz, den diese älteste holländische Band live drauf hatte, ließ Jazzpuristen zwar alsbald verächtlich die Nase rümpfen, weil ihrer Meinung nach diese Spielart des Jazz nach Kriegsende weltweit als spießig und gestrig einzustufen wäre, gleichwohl hielt das Königin Beatrix nicht davon ab, den Frontmann und Strippenzieher der Band, Peter Schilperoort, zum Ritter zu schlagen. Und mit seiner Dutch Swing College Band blieb der Oldtime-Jazzer weiterhin aktiv – sehr zur Freude einer unbeirrbar zu Schilperoorts Leib- und Magenmusik stehenden Fangemeinde in aller Welt.
Wer sich heutzutage für Jazzmusik interessiert, dem unterbreiten crossover-affine Virtuosen längst eine riesige Bandbreite aus allen Bereichen – Scheuklappen unerwünscht! Beim anstehenden jazzahead-Branchentreff im April in Bremen, lässt sich diese absolut hörenswerte Offenheit allein schon am diesjährigen Festival-Partnerland Niederlande festmachen, dem anno 2024 das Fokus-Programm gewidmet ist. Auch wetteifern bemerkenswert viele weibliche Jazz-Talente um Publikumszuspruch – letzteres ist ein Trend, der nicht nur bei den niederländischen Formationen auffällt. Da präsentiert sich den Festivalbesuchern etwa die Star-Trompeterin Maite Hontelé, die mit dem international renommierten Jugendorchester NJJO einen tanzbaren Mambo- und Salsa-Konzertabend beisteuern mag, der vor allem jüngere Semester begeistern dürfte. Daneben buhlt das zwölfköpfige Kika Sprangers Large Ensemble um die gleichnamige komponierende Saxofonistin, die mit ihren mitreißenden Melodien als eines der größten Jazz-Talente ihres Landes gehandelt wird, um Publikum, treten zudem BOI AKIH an, die Elektronik, Orgelklänge und pointierte Rhythmik mit balinesischen Mikrotönen verbinden. Gitarrist Reinier Baas und Saxofonist Ben van Gelder, feste Größen in der Amsterdamer Szene, repräsentieren wiederum eine moderne, melodische Impro-Form des Jazz, während das Marmoucha Orchestra eine faszinierende Fusion der nordafrikanischen Gnawa-Sounds mit europäischen Klangwelten und Instrumenten bietet.


Jazz sei eine Musik, die verbinde und keine Grenzen kenne – das wolle man auch während der diesjährigen jazzahead! in Bremen wieder ganz selbstverständlich und musikalisch deutlich machen, unterstreicht der neue künstlerische Leiter des Festivals, Götz Bühler, den Anspruch des vom 11. bis zum 13. April in diversen Locations der Hansestadt über die Bühne gehenden Musik-Reigens. Rechtzeitiges Ticketbuchen macht Sinn; näheres unter anderem via Tel. 0421-363636.


Bild1: [font=Univers]Kika Sprangers Large Ensemble Foto: Pauline Wiersma[/font]


Bild 2: Boi Akih Foto: Merlijn Doomernik

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