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Ein Blick nach Wilhelmshaven22.03.2023



Interview: Thea Drexhage Foto: privat
MoX: Was ist das Schöne an Wilhelmshaven und was motiviert Sie, die Kulturszene dort zu stärken?
Michael Diers: Das Schöne ist, dass ich in diesem Job, den ich jetzt zehn Jahre habe, vieles umsetzen kann, das mir schon länger im Kopf rumgeistert. In diesen Jahren haben wir komplett neue und aus meiner Sicht auch innovative Veranstaltungen auf die Beine gestellt, die teilweise zum ersten Mal in Wilhelmshaven stattgefunden haben, z.B. letztes Jahr das Living Statues Festival. Wir waren in den Jahren immer sehr schnell mit Veranstaltungen dabei. Streetart ist mittlerweile ein Markenzeichen geworden für Wilhelmshaven, aber auch unser Wochenende an der Jade oder der Sailing Cup. Das sind Dinge, die nur in Wilhelmshaven stattfinden können. Ein Sailing Cup geht nur in Hafenstädten und da haben wir den Vorteil,  dass wir doch diese  schöne Gegend haben.  Aber es ist weiterhin viel zu tun, damit wir nicht den Anschluss verlieren.  
MoX:  Gab es ein persönliches Highlight für Sie in den letzten 10 Jahren?
Michael Diers: Das ist schwierig. Wenn ich jetzt zurückblicke, ist das schon etwas länger her, weil ich das Streetart Festival auf die Beine gestellt habe als ich noch bei Radio Jade war. Als wir das größte 3D-Bild der Welt waren und plötzlich in den ZDFheute Nachrichten und im Stern waren, waren das schon Momente, in denen man besonders stolz war, dass das solche Kreise gezogen hat. Jetzt aktuell ist es aber auch das Living Statues Festival, mit dem wir das erste Mal lebende Statuen aus der ganzen Welt nach Wilhelmshaven geholt haben. Zu sehen, wie sich die Wilhelmshavener und die Besucher gefreut haben, ist dann immer ganz schön. Ich denke der Blick in die Gesichter der Menschen bei den Veranstaltungen, wenn man sieht, dass sich die  Mühe gelohnt hat, ist immer etwas Besonderes.
MoX: Auch während Corona war es nie ganz ruhig in Wilhelmshaven. Wo lagen die Herausforderungen, um trotzdem ein Kulturprogramm durchzuführen?
Michel Diers: Ich glaube, dass das Team der WTF in vielen Bereichen versucht hat, mit Corona klarzukommen. Die Herausforderung war, mit der großen Angst umzugehen, ob überhaupt jemand zu den Veranstaltungen kommt. Diese Angst hat glaube ich ganz viele Menschen gelähmt und ich denke, dass wir die Nachwirkungen davon immer noch spüren, weil die Menschen sich noch immer nicht frei trauen, auf große Veranstaltungen zu gehen. Dazu kommt jetzt auch noch das Thema, ob man genug Geld in der Tasche hat für eine Veranstaltung. Als damals Corona plötzlich über uns herein brach, waren wir völlig irritiert und wussten nicht, was da eigentlich auf uns zukommt und was das bedeutet. Alles wurde geschlossen und wir haben ja fast ein Jahr gebraucht, um uns überhaupt  darauf einzustellen und die Freiheiten zu bekommen, um etwas zu machen. Unser Team hat versucht, das Beste draus zu machen. Es gab keine Entlassungen und ich glaube, dass wir das Programm, was wir dann während Corona umsetzen durften, auch weitestgehend gut gemacht haben, obwohl wir gemerkt haben, dass die Besucher große Schwierigkeiten hatten, diese Veranstaltungen wahrzunehmen.
MoX: Was konnten Sie aus der Zeit lernen?
Michael Diers: Lernen konnten wir, dass Dinge passieren können, die wir überhaupt nicht greifen können. Plötzlich mussten wir uns Gedanken darüber machen, wie man das Publikum trotzdem erreicht. Es stellte sich die Frage, wie es eigentlich danach weitergehen soll. Ich denke, wir haben auf der einen Seite gelernt, dass das Pumpwerk stark etabliert ist in der Region, aber wir haben auf der anderen Seite auch gelernt, wie anfällig das Pumpwerk sein kann und wie schwach man dasteht, weil man überhaupt keine Handhabe hat, etwas umzusetzen oder zu machen. Diese Angst, die einen plötzlich ergreift, obwohl wir ja einen kommunalen Träger hatten, privatwirtschaftlich hätten wir wahrscheinlich über Entlassungen unbedingt nachdenken müssen, war da. Wir haben also auch gelernt, dass wir sehr Glück haben mit dem kommunalen Träger.
MoX: Mit der endgültigen Schließung der Stadthalle kam ein weiterer kritischer Punkt dazu. Kann der Wegfall des Hauses veranstaltungstechnisch kompensiert werden, durch Open Airs z.B.?
Michael Diers: Aus meiner Sicht ist da ein Loch entstanden, vielleicht kein sehr großes im Moment, weil wir ja merken, dass das gesamte Veranstaltungsbusiness unglaublich in Bredouille geraten ist. Trotzdem muss man sagen, dass wir in der Stadt viel früher über eine neue Stadthalle hätten nachdenken müssen. Das geht nicht erst, wenn die alte schließt, sowas muss frühzeitiger passieren. Man könnte jetzt sagen OK, mit den Coronanachwirkungen ist es gut, dass wir nicht noch eine teure Stadthalle betreiben müssen, aber trotz alledem braucht eine Stadt wie Wilhelmshaven eine Stadthalle und wir müssen dringend daran arbeiten, dass wir dort wieder hinkommen. Natürlich kompensieren wir das etwas über das Pumpwerk Programm. Bei den Open Airs sehen ich wenig Chancen, denn diese sind genauso anfällig. Die Künstler nehmen meiner Meinung nach teilweise übertriebene Gagen und das ist kaum mehr reinzuholen. Der Bürger hat nicht mehr so viel Geld und mit den hohen Gageforderungen kommt man niemandem mehr entgegen.
MoX: Wie läuft der Veranstaltungsbetrieb aktuell?
Michael Diers: Eigentlich bin ich überrascht, dass wir im nun fast endenden ersten Quartal doch einige ausverkaufte Veranstaltungen hatten. Die Pink Floyd Coverband war gut, Achim Reichel ist extrem gut angekommen und auch ein paar Comedians sind sehr gut gelaufen. Was man sagen kann und was ich auch als ganz große Gefahr für die Zukunft sehe ist, dass es für Nachwuchskünstler schwer wird. Das Publikum geht auf bekannte Größen sofort zu, aber da, wo sie noch nicht wissen, was sie erwartet, sind sie vorsichtig. Und da befürchte ich, dass diese nachwachsende Szene nicht vernünftig wahrgenommen und das vielleicht die Veranstaltungshäuser, wie auch wir, irgendwann sagen, dass es keinen Sinn macht, etwas Neues auszuprobieren und stattdessen auf die Etablierten setzen. In diesem Spannungsfeld den Mittelweg zu finden, ist nun die Aufgabe. Alle Kommunen müssen aufpassen, dass sie die Einrichtungen im Veranstaltungssektor weiter unterstützen. Für Kaufveranstaltungen wird es schwierig werden und wenn wir dann irgendwann auch diese freien Veranstaltungen nicht mehr anbieten können, dann wird die Kultur den Bach runtergehen und das kann sich keine Stadt und keine Kommune erlauben.
MoX: Street Art Festival, Wochenende an der Jade und Sailing Cup haben sich überregional zu Publikumsmagneten entwickelt. Worauf darf man sich in 2023 noch freuen?
Michael Diers:Wir werden wieder die Living Statues machen. Mit diesem Format, was ich ganz toll finde, werden wir auch auf Tour gehen. Büsum möchte das z.B. übernehmen. Wir werden beim Streetart wieder darauf achten, dass wir hochwertige, weltweit bekannte internationale Künstler einladen, die sich alle auf Wilhelmshaven freuen. Auch beim Wochenende an der Jade bemühen wir uns wieder um ein rundes Programm.
Jetzt am 22.3. startet in der Stadt die Willumina, das ist ein Lichtfestival. Ähnlich wie kürzlich die Illumination am Oldenburger Schloss. Dazu kommen aber noch 11 weitere Lichtelemente, die wir in der Stadt aufbauen werden. Das wird vom 22.3. bis 26.3. immer ab 20 Uhr laufen. Da sind wir sehr gespannt, ob es auch Besucher von außerhalb anlocken wird.

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