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Goldstaub auf Alltagsgrau20.12.2022



Text und Foto: Britta Lübbers


[font=Bembo]Auf einem überhitzten Markt, der Lichtgeflutetes meist nur für Besserverdiener im Angebot hat. Und oft stimmt nicht einmal das versprochene Licht. „Wenn ich was zu sagen hätte, müssten angehende Makler stundenlang ihr eigenes schlimmes Schön-Rede-Gequatsche anhören, bis auch sie anfangen durchzudrehen.“ Das ist ein Satz aus ihrem Buch „Vorsicht Rutschgefahr!“ Er enthält schon alle Zutaten, die die Lektüre zum Vergnügen machen. Etwas Rotzigkeit, viel Fabulierlust, eine Prise Selbstironie. Die Wohnung, die Anja Lankenau dann doch gefunden hat, ist übrigens sehr schön. Individuell eingerichtet, auch mit Selbstgemachtem. Zum Beispiel einem Kunststoff-Torso aus Amsterdam, den sie angemalt und mit Deko-Zeug behängt hat. Hier lebt jemand, der kreativ ist. Das Schreiben gehört dazu. Im Mai ist Anjas Buch erschienen. Es enthält Beobachtungen aus dem Alltag, fein gezeichnet, flott zu lesen. Im Hauptberuf ist Anja Pädagogin, aber ihre Biografie ist bunt. Auf die Frage, was sie wann gemacht hat, kommt sie ein bisschen ins Trudeln, fischt flugs ihren Lebenslauf aus der Schublade und erzählt. Sie hat mit Untersuchungshäftlingen „Mensch ärgere dich nicht“ gespielt, ist als Matrosin auf einem Binnenschiff durch Europa gefahren, hat in Nizza studiert, in einer Sauna und als Taxifahrerin gejobbt. „Blut und Scherben“, fasst sie Letzteres [/font][font=Bembo]zusammen. „Wenn du sechs Jahre in der Nacht [/font][font=Bembo]schicht Taxi fährst, hast du alles gesehen.“ Sie hat Geflüchteten den Einstieg erleichtert, Arbeitslose[/font][font=Bembo] [/font]in Arbeit und Schulschwänzer in die Schule gebracht. Manchmal ist sie ins Schlingern geraten (aber welches Leben bietet keine Rutschgefahr?), hat jedoch mit Humor immer Haltung bewahrt. Heute macht sie Sozialarbeit in einer Reha-Klinik in Bad Zwischenahn und hält Vorträge übers Sozialrecht. Das könnte langweilig sein, doch Anja gibt ihren Referaten flotte Titel. Etwa „Erich, Erika, Django und die Spitzhacke“. Erich und Erika haben einen Reha-Anspruch, Django steht für Vergünstigungen im ÖPNV („Django hat kein Ticket, Django hat eine Monatskarte“), die Spitzhakke symbolisiert ein barrierefreies Bad. Die Leute hören ihr zu. Auch in ihrem Buch lässt sie Goldstaub auf Alltagsgrau rieseln, sammelt und bewahrt Fundstücke. Einmal sollten sich ihre Klienten einen Buchtitel für das eigene Leben ausdenken. Einer wählte: „Meine Mutter wollte mich umbringen, hat mir aber doch nur in den Hals geschossen.“ „Für solche Sternstunden lebe ich“, sagt Anja. Und warum schreibt sie? „Es schreibt mich“, lautet die Antwort. Nachdem sie zahllose Notizzettel beschriftet hatte, kam ihr die Idee, ein Buch daraus zu machen, der Isensee Verlag hat es herausgebracht. Lesungen hat Anja selbst organisiert, an Orten farbig wie das Leben. Dazu zählen ein Haus der Johanniter, die Sportgaststätte des BTB, das Leseforum im Mephisto, das Stadtteilcafé Fidi und eine Kirche in Blumenthal. Auf die Frage, ob sie als ehemalige Taxifahrerin den großartigen Roman „Taxi“ der großartigen Karen Duve gelesen hat, sagt sie: „Ja. Ich habe ihr dann geschrieben und ihr als kleines Dankeschön mein Buch geschickt.“ Und nicht nur Duve erhielt ein Exemplar. Auch schicht Taxi fährst, hast du alles gesehen.“ Sie hat Geflüchteten den Einstieg erleichtert, Arbeitslose andere Autorinnen und Autoren, die Anjas Leben bereichert haben, wurden beschenkt. Zum Beispiel Max Goldt und Hape Kerkeling. „Ich erwarte nichts, ich mache das wirklich einfach so“, erklärt sie. „Ein bisschen wie eine Katze, die ihren Menschen eine Maus vor die Tür legt.“ Geantwortet hat übrigens Elke Heidenreich, handschriftlich mit goldener Tinte. „Ich erkenne in Ihrem Buch vieles aus dem Leben wieder“, steht auf der Karte. „Ein tolles Kompliment“, freut sich Anja. Ein wahres dazu.

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