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Die relative Armut der Kinder. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hatte dazu ins Cadillac eingeladen21.08.2019



Text und Foto  |  Rüdiger Schön
„Kinderarmut in Niedersachsen – Ein Armutszeugnis?!” unter dieser Überschrift lud die Friedrich-Ebert-Stiftung zu einer Diskussionsversammlung ins Jugendkulturzentrum Cadillac. Doch was ist Armut in der politischen Diskussion: Ein statistischer Wert oder reales Schicksal?

Auch dieser Frage nahm sich die Runde an, zu der Hanna Naber (MdL, SPD), Dr. Eric Seils (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung). Beate Rempe (Leitung einer Kita der AWO Soziale Dienste Bezirk Hannover gGmbH) und Ministerin a.D. Cornelia Rundt (Botschafterin der Landesarmutskonferenz), gehörten. Ja, statistisch leben 21 Prozent aller Kinder mindestens fünf Jahre in Armut. Doch so fragte Eric Seils, was ist das für eine Armut? Ist sie vergleichbar mit der Armut vieler Menschen in den 40er und 50 Jahren? Nein sagt er. Damals waren viele Menschen absolut arm, hungerten und froren im Winter. Heute seien 20,4% der Kinder in Deutschland von sozialer Ausgrenzung und Armut betroffen. Nun ist zu hoffen, dass die meisten von ihnen weder frieren noch hungern. Das Problem, so Hanna Naber, liege eher bei der mangelnden gesellschaftlichen Teilhabe von armen Menschen und deren Kinder. Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiten oder ALG II beziehen, haben oft nicht das Geld, mit ihren Kindern ins Kino oder Theater zu gehen. Reisen oder Urlaub, beides kennen arme Kinder nicht. Besonders schlimm ist es aber, wenn sie an gemeinsamen Aktionen in Schule oder Kindergarten nicht teilnehmen können, und an der Kleidung zu erkennen ist, dass die Eltern wohl arm sind. Dazu gesellen sich bei kinderreichen Familien oft beengte Wohnverhältnisse. Ein Problem, das aktuell an Brisanz zunimmt. So geht es Hanna Naber eher in zweiter Linie um die statistischen Werte, sondern um die faktische Not der Kinder, und um die Maßnahmen, sie materiell besser zu stellen. Eine Situation, so Cornelia Rundt, die in Anbetracht von rund 150 familienpolitischen Leistungen in unserem Land, absurd ist. Geld, so die ehemalige Ministerin, ist genug im System. Doch wie es verteilt und ausgegeben wird, ist hoch problematisch. So profitieren vom Kinderfreibetrag überwiegend wohlhabende bis reiche Menschen. Andere Leistungen sind oft mit hohen bürokratischen Hürden versehen, so dass besonders bildungsferne Menschen große Schwierigkeiten haben, diese Leistungen überhaupt zu erhalten. Katastrophal, so Cornelia Rundt, ist zudem die Situation für Bezieher von ALG II. Auch Aufstockern aus dem Niedriglohnbereich wird fast jedes zusätzliche Einkommen, und dazu gehört auch das Kindergeld, abgezogen. Speziell allein erziehende Menschen werden so nachhaltig in eine sehr prekäre finanzielle Situation gedrängt, die den Kindern eine Teilhabe am normalen gesellschaftlichen und schulischen Leben fast unmöglich macht.
Der Vorschlag, den Hanna Naber und Cornelia Rundt in Anbetracht der Situation machen, lautet Kindergrundsicherung. Jedes Kind erhält eine bedingungslose Grundsicherung von 628- €. Ein Betrag, der nicht auf andere Transferleistungen der Eltern angerechnet werden soll. Im Gegenzug sollen Kinderfreibeträge, Kindergeld, Sozialgeld und weitere pauschal bemessene Transfers in der neuen Leistung aufgehen. Wohlhabende und reiche Menschen erhalten die Kindergrundsicherung ebenfalls, müssen sie aber in ihrer Steuererklärung angeben und darauf Steuern bezahlen, so Hanna Naber. So soll die Chancengleichheit unter Kindern etwas verbessert werden. Andere Fragen blieben an diesem Abend unbeantwortet. Wie kann die Kinder-Betreuungssituation für Geringverdiener verbessert werden. Und: kann das mit der Kindergrundsicherung funktionieren, wenn die Eltern weiter im ALG II System verbleiben? Ein Schritt in die richtige Richtung, so Hanna Naber und Cornelia Rundt, sei die Kindergrundsicherung aber allemal. Bleibt die Frage nach der politischen Konstellation, die solch eine Grundsicherung durchsetzen kann.

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