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Filme im Kino
Kino-Tipps KW1830.04.2024
Texte: Horst E. Wegener
Zwischen uns das Leben
Frankreich ´23: R: Stéphane Brizé. Ab 1.5. Wertung: ***** Bild: Alamodefilm
Mathieu (Canet) ist ein ewig Zweifelnder, dem selbst der eigene Erfolg als vielbeschäftigter Filmschauspieler stets suspekt schien. Und je näher jetzt der Termin seines allseits mit Spannung erwarteten Debüts im Theater rückte, desto nervöser machte den von Panikattacken schwer gebeutelten Mimen jede weitere Bühnenprobe. Sich die Möglichkeit des Versagens in schwärzesten Farben ausmalend, beschloss der fast 50-Jährige aus Paris zu fliehen, um sich in einem außerhalb der Saison kaum gebuchten Wellnesshotel an der Atlantikküste einzuquartieren. Darauf hoffend, den Kopf möglichst schnell wieder frei zu kriegen, hadert das Nervenbündel vor Ort weiterhin mit seiner chronischen Angst, sich auf neue Herausforderungen einzulassen. Lenkt sich mit Strandspaziergängen, Drehbuchlektüre und Telefonaten ab. Wie es der Zufall will, bekommt Mathieu dann eine SMS von einer seit Jahren aus den Augen verlorenen Ex, die mittlerweile ganz in der Nähe wohnt. Alice (Rohrwacher) regt ein Wiedersehen an. Und obwohl sie beide anderweitig gebunden sind, legt ihr Treffen in einem Café nach anfänglichen Irritationen alte Gefühle frei. Bringt sowohl ihn als auch sie dazu, ihr bisheriges Leben Revue passieren zu lassen und sich mit Enttäuschungen und ungelebten Wünschen zu befassen. Glücklicherweise hat Regisseur Brizé keine Herzschmerz-Schmonzette im Sinn, sondern unterhält mit einer Charakterstudie, die von ihren glaubwürdig schauspielernden Hauptdarstellern, den treffenden Dialogen, alltagstauglicher Situationskomik und der stimmig eingefangenen Kulisse einer wildromantischen Atlantikküste lebt; Bildungsbürgerkino par excellence!
D: Guillaume Canet, Alba Rohrwacher, Sharif Andoura, Emmy Boissard-Paunelle, Lucette Beudin, Hugo Dillon.
The Fall Guy
USA ´24: R: David Leitch. Ab 2.5. Wertung: **** Bild: [font=montserrat, Arial, sans-serif]Universal Studios[/font]
Als Stuntman Colt Seavers (Gosling) während eines Drehs schwer verunfallt, ist er drauf und dran, sich endgültig aus der Filmbranche zurückzuziehen. Doch nach gut 18 Monaten Zwangspause überredet ihn Produzentin Gail Meyer (Waddingham), zum stuntlastigen Actionspektakel „Metalstorm“ dazu zu stoßen, indem sie dem Genesenen erzählt, Regiedebütantin Jody Moreno (Blunt) beharre ausdrücklich auf ihm als ihrem Lieblings-Stuntman. Ein Stück weit mag das in Colts Augen auch darauf zurückzuführen sein, dass sie beide vor seinem Unfall liiert waren – allerdings geht es Produzentin Meyer in Wahrheit eher um die Lösung eines ganz anderen Problems, das Colt erst am Drehort klar wird: Hauptdarsteller Tom Ryder (Taylor-Johnson), den er seit langem schon doubelt, ist urplötzlich vom Set verschwunden. Als naheliegenden Ryder-Ersatz über all die obligatorischen Stunts hinaus erhofft sich Meyer von Colt und dessen detektivischen Fähigkeiten, möglichst schnell Licht ins Dunkel um das mysteriöse Verschwinden des eigentlichen „Metalstorm“-Hauptdarstellers zu bringen. Dem Ryder-Double hingegen tut es sichtlich gut, wieder in der Nähe seiner Ex zu sein, die immerhin die Liebe seines Lebens war und ist.Derweil nutzt „The Fall Guy“-Regisseur David Leitch Colts Suche nach Ryder einerseits für eine liebevoll in Szene gesetzte Hommage auf einen ein Stück weit in Vergessenheit geratenen Berufsstand, unterlegt der Ex-Stuntman das auf Touren kommende Verschwörungsszenario gekonnt mit halsbrecherischen Actioneinlagen vor den spektakulärsten Kulissen der australischen Metropole Sydney. Andererseits profitiert Leitchs Kinonachklapp auf jene kultige 1980er-Jahre-Fernsehserie um den damals von Lee Majors verkörperten Stuntman Colt Seavers mittlerweile bestens sowohl als Stunt- und Ryan-Gosling-Megastar-Show, als auch in Verbindung mit Co-Stargröße Emily Blunt hinsichtlich der wortwitzig-tempoforcierten Romantik-Aspekte, weil die Chemie zwischen dem Hollywood-Traumpaar hundertprozentig stimmt. Entertainment pur!
D: Ryan Gosling, Emily Blunt, Winston Duke, Aaron Taylor-Johnson, Hannah Waddingham, Stephanie Hsu.
Teaches of Peaches
Deutschland ´24: R: Philipp Fussenegger/ Judy Landkammer. Ab 9.5. Wertung: **** Bild: avanti media fiction
Das Berliner Undergroundmilieu nach dem Fall der Mauer bot Merrill Beth Nisker alias Peaches eine ideale Bühne für ihre shocking Klangkunst-Performances. Wohl nirgendwo sonst hätte die 1966 im kanadischen Toronto geborene Musikerin ihre Karriere besser auf Touren bringen können als in der anything-goes-liberalen deutschen Hauptstadt. Und noch bevor man auch hierzulande über Geschlechterrollen und Queerness zu diskutieren begann, lotete Peaches diesen Way of life ohne Scheu und Scham aus. Auch mit Mitte Fünfzig sieht die Wahlberlinerin heutzutage keinerlei Grund, ihre schamlosen Bühnenperformances zu entschärfen. Eine Konzerttournee von anno ´22 nutzte das Filmemacher-Duo Fussenegger/Landkammer dazu, die Musik-Rebellin auf ihrer „Fuck the Pain away“-Tour durch die Welt zu begleiten, Interviews mit Freunden und Bewunderern zu führen und die entstehende Dokumentation mit privatem Archivmaterial der Künstlerin zu ergänzen. Das trotz allem erstaunlich konventionell in Szene gesetzte Peaches-Portrait liefert einem spannende Einblicke in Ideen, Werk und Wirkung dieser eigenwilligen Exzentrikerin, regt zum Nachdenken an.
Doku.
It´s raining Men
Frankreich ´23: R: Caroline Vignal. Ab 9.5. Wertung: *** Bild: Julien Panie
Von außen betrachtet läuft es für Zahnärztin Iris Beaulieu (Calamy) privat wie beruflich gleichermaßen super: Ihr Ehemann Stéphane (Elbez) ist ein Netter, die beiden gemeinsamen Töchter geben ebenfalls keinen Grund zur Besorgnis – und in der Praxis der attraktiven Mittvierzigerin kann von zu wenig Patienten, die verarztet werden wollen, erst recht nicht die Rede sein. Andererseits findet die langjährig Verheiratete, dass es ihr selbst definitiv an Zärtlichkeiten, Leidenschaft, Sex fehlt. Den Göttergatten dazu anzuhalten, kommt Iris aber nach 16 Jahren Ehe nicht in den Sinn. Lieber liebäugelt sie mit der Option Fremdgehen. Und kaum hat sich Madame insgeheim bei einer Dating-App angemeldet, ploppen Anfragen en masse auf. Ihr einsetzender Seitensprung-Reigen lässt die temperamentvolle Powerfrau bald mit jedem ebenfalls an gängigen Sexpraktiken interessierten Kurzzeit-Lover mehr aufblühen, gleichzeitig leidet die Arbeitsmoral und die Beziehung zur ahnungslos bleibenden Familie unter Iris´ stetem Selbsterfüllungs-Drang. Immerhin: Konventionell wie „It´s raining Men“ von Filmerin Caroline Vignal inszeniert ist, meldet sich irgendwann auch das sexuelle Interesse des Gatten wieder – steht einem Happy end nicht mehr im Weg. Amüsant-frivole Zeitgeistsex-Komödie, sehenswert besetzt, très francais.
D: Laure Calamy, Vincent Elbez, Suzanne de Baecque, Sylvain Katan, Laurent Poitrenaux.
Die Blume der Hausfrau
Deutschland 1998: R: Dominik Wessely. Ab 9.5. Wertung: **** Bild: Salzgeber
Dominik Wesselys Dokumentarfilm mauserte sich schon kurz nach seiner Erstaufführung Ende der 1990er Jahre zum echten Programmkinogeheimtipp. Und schon damals kam einem unweigerlich Loriots köstlicher Sketch mit dem Wein-, Versicherungs- und Staubsauger-Vertreter bei jener von Evelyn Hamann atemberaubend gespielten Hausfrau in den Sinn, sobald man sich ein Ticket für „Die Blume der Hausfrau“ gönnen mochte. Denn sowohl bei Loriot als auch bei Wessely werden dem Kinogänger tiefe Einblicke in den Arbeitsalltag von Verkaufskanonen im Außendienst gewährt, die sich stoisch von Hausfrau zu Hausfrau durchkämpfen, um ihre Topprodukte im Praxistest zu demonstrieren und möglichst viele Verträge abschließen zu können. In Wesselys Fall stehen einige Vorwerk-Außendienstler im Zentrum des Interesses, die durch die schwäbische Provinz reisen – und erstaunlicherweise hat die Doku auch gut 25 Jahre nach ihrer Erstaufführung kein bisschen Staub angesetzt, geraten die realen Verkaufsgespräche mitunter irre komisch. Während sich die seinerzeit im O-Ton eingefangenen Dialoge nur unwesentlich klangtechnisch modifizieren ließen, kommen die in 4K-Digitalqualität restaurierten Bilder allemal gestochen scharf rüber. Ohnehin gilt: Wer „Die Blume der Hausfrau“ noch nie gesehen hat, sollte die sich derzeit bietende Möglichkeit nutzen. Und wem die Wessely-Doku von ´98 her noch in Erinnerung ist, der wird sich die Chance auf ein Wiedersehen garantiert nicht nehmen lassen. Oder?
Doku.
Robot Dreams
Spanien/Frankreich ´23: R: Pablo Berger. Ab 9.5. Wertung: **** Bild: Arcanda Motion Pictures
Um seiner Einsamkeit im anonymen Großstadtdschungel zu entkommen, bestellt sich ein fernsehsüchtiger New Yorker Hund nach einer Werbesendung einen Roboter zum selbst zusammenbauen. Der Plan geht auf, so dass Hund und Blechmann im Nu die allerbesten Freunde werden. Doch als sie eines Tages zu einem gemeinsamen Ausflug ins Strandbad durchstarten, bekommt der Aufenthalt im Wasser unserem Blechmann kein bisschen, weshalb er sich mit einem Mal überhaupt nicht mehr bewegen kann. Eilends macht sich sein Kumpel auf den Weg, um mit Werkzeug und Schmieröl zur Reparatur zurückzukommen. Allerding stellt er bei seiner Rückkehr fest, dass die Badesaison mittlerweile beendet ist und ihm somit der Zugang zum Strand verwehrt bleibt. Kann es denn angehen, dass sich einem bis zur Wiedereröffnung in der nächsten Saison keine Möglichkeit des Zutritts bieten mag? Wie schon in seiner Stummfilmhommage „Blancanieves“ aus dem Jahr 2012 kommt Animationsfilmer Pablo Berger auch in "Robot Dreams“ ohne ein gesprochenes Wort aus. Es sind vielmehr Gesten, Geräusche und Musik, die den Zeichentrickfilm erzählen und ihn aufgrund des angesprochenen Freundschaftsthemas jeder Altersgruppe zugänglich machen. Dementsprechend agieren Tiere menschengleich - und Bergers Team bevorzugt die klassische Animation, weshalb dreidimensionale Computertricktechnik außen vor bleibt. Ein Familienkinospaß der im besten Sinne altmodischen Art; unbedingt empfehlenswert!
Animation.