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Filme im Kino
MoX Kino-Tipps KW0607.02.2024
Texte: Horst E. Wegener
Geliebte Köchin
Frankreich ´23: R: Trân Anh Hùng. Ab 8.2. Wertung: ***** Bild: Curiosa Films
Wer sich dem Kreis der Glücklichen zugehörig fühlen kann, die in schönster Regelmäßigkeit vom Feinschmecker und Edelgastronom Dodin Bouffant (Magimel) zum Schmausen in dessen idyllisch gelegenes Gutshaus an der Loire eingeladen werden, scheint dem Paradies auf Erden schon himmlisch nah zu kommen. Um dies möglichst fortwährende Paradies noch intensiver spüren und auskosten zu können, müsste man sich schon in die Vorbereitungen sowie die Zubereitung der aufzutischenden Köstlichkeiten einbinden lassen. In fast dialogfreien Szenen bringt uns „Geliebte Köchin“ gleich zum Auftakt des filmischen Genuss-Reigens jene Küchenfeinarbeit näher: Mit großer Effizienz erschafft da Köchin Eugénie (Binoche) lukullische Hochgenüsse. Die Atmosphäre ist entspannt; kurze Anweisungen an die junge Küchenhilfe Violette (Bellugi), deren begabte Nichte Pauline (Chagneau-Ravoire) oder den mitarbeitenden Herrn des Hauses unterstreichen, dass hier ein perfekt aufeinander eingespieltes Team beim Schnibbeln, Abschmecken, Verfeinern aufeinandertrifft – und zuguterletzt den Feinschmecker-Freundeskreis sowie sich selbst beglückt.
Wir schreiben das Ende des 19. Jahrhunderts: Seit gut zwanzig Jahre steht die hochbegabte Köchin Eugénie im Dienst des wohlhabenden Gastronomen Bouffant. Aus diesem reinen Dienstverhältnis ist längst mehr geworden – was den Fortgang des Lebensmenüs von Hausherr und Köchin zuweilen erschwert, zumal Eugénie an Schwächeanfällen leidet, die medizinisch nicht erklärbar sind. Von Ausnutzung durch den Arbeitgeber kann jedoch keine Rede sein; Dodin würde seine Angestellte jederzeit heiraten – gleichwohl weigert sie sich standhaft, beharrt auf ihrer Unabhängigkeit. Wenn die Köchin nach getaner Arbeit ihre Tür hin und wieder für den geliebten Chef offen lässt, dann tut sie es bislang aus freien Stücken – und das reicht ihr.
Wer liebt hier wen oder was am meisten? So berechtigt die Frage sein könnte, die Antwort ist insoweit unwichtig, da es dem vietnamesisch-französischen Filmemacher Trân Anh Hùng bei „Geliebte Köchin“ um Sinnlichkeit und um den gemeinsamen Genuss geht. Mit ruhiger Hand und der engelsgleichen Geduld eines Meisterkochs folgt er den Ereignissen, die sich zuerst mit einer hypnotisierenden Leichtigkeit zwischen Kalbsbrust, Wachtel, Rinderrippchen und Birnen abspielen, bevor die Schwere von Verlust neue Energien und künstlerisch fordernde Spezialitäten heraufbeschwört; zum Niederknien erotisch: La Binoche, der Benoît Magimel ein in jeder Hinsicht seelenverwandter Partner sein darf, der zum Schluss hin richtig aufdrehen mag. Und unter uns: Nicht auf nüchternen Magen ins Kino gehen!
D: Juliette Binoche, Benoît Magimel, Pierre Gagnaire, Galatéa Bellugi, Emmanuel Salinger, Patrick D´Assumcao, Bonnie Chagneau-Ravoire.
All of us Strangers
GB/USA ´23: R: Andrew Haigh. Ab 8.2. Wertung. **** Bild: 20th Century Studio
In einem fast leerstehenden Hochhauskomplex in London lebt Tagträumer Adam (Scott) sein zurückgezogenes Leben, brütet er über einem Script. Doch jene Geschichte, die dem von Schreibblockaden permanent heimgesuchten Drehbuchautoren vorschwebt, will einfach nicht in die Gänge kommen – möglicherweise weil es sich um ein heikles Kapitel aus Adams schwieriger Jugend handelt: Zu der fraglichen Zeit, anno 1987, war er elf und ging auf eine Schule in der Vorstadt. Noch lebten seine Mom und sein Dad, stünde ihnen ihr tödlicher Unfall erst ins Haus. Da deren absolut unerwarteter Schicksalsschlag niemand vorhersehen konnte, bedauert es Adam seither unendlich, wie viel ihm in den verstrichenen 34 Jahren widerfahren ist und worüber er gern mit den Eltern geredet hätte. Was wäre ihnen etwa durch den Kopf gegangen, wenn sie vom späteren Coming Out des Filius´ erfahren hätten? jedenfalls war es Ende der 1980er-Jahre um das Verständnis der europäischen Hetero-Gesellschaft Schwulen gegenüber nicht allzu gut bestellt – Stichwort AIDS!
Während sich Adam bald 35 Jahre später in seinem Appartement durch Klassiker aus den 1980ern hört und er alte Fotoalben hervorkramt, ohne dass es seine Schreibblockaden abbaut, bringt ihn die Bekanntschaft mit dem scheinbar einzigen Nachbarn im Haus peu à peu auf andere Gedanken. Harry (Mescal), jünger als Adam, steht eines Tages bei ihm vor der Wohnungstür, eine Flasche Whisky in der Hand; man kommt sich näher… Gleichwohl tagträumt sich Adam weiterhin in seine Jugendzeit zurück, stromert er durch den einstigen Heimatort. Und begegnet dort den eigenen Eltern (Bell und Foy) – die faszinierenderweise so alt sind, wie sie es in den Wochen vor ihrem tödlichen Autounfall waren. Die Gespräche des Sohnemanns, mittlerweile ein Mittvierziger, mit den jüngeren Eltern, deutet Filmemacher Andrew Haigh als Hirngespinste seines Hauptdarstellers. Man darf sich fragen, ob die Geister der Vergangenheit nur in Adams Kopf vorkommen, damit er sich so seiner Trauer stellen und seine Wunden heilen kann. Vor uns Kinogängern nimmt derweil eine beflügelnde Kinofantasie Gestalt an, die ganz nebenbei auch auf die gesellschaftlichen Veränderungen in der Akzeptanz von Homosexualität eingeht – faszinierend!
D: Andrew Scott, Paul Mescal, Claire Foy, Jamie Bell.
Reality
USA ´23: R: Tina Satter. Ab 8.2. Wertung: **** Bild: Grandfilm
Ein Albtraum für wohl jeden Bürger: Als die US-Analystin Reality Leigh Winner (Sweeney) Anfang Juni 2017 vom Einkaufen heimkehrt, tauchen neben ihrem Auto zwei Männer auf. Stellen sich als CIAler vor und behaupten, aufgrund der geltenden Gesetzeslage das Domizil der jungen Frau durchsuchen zu dürfen. Was folgt, ist die Chronologie eines realen Albtraums – in dessen Verlauf sich die junge Frau mit den Agenten auf einen verbalen Schlagabtausch einlässt, bei dem bald jedes ihrer Worte und jede Geste minutiös überlegt sein will. Denn die als Übersetzerin in einer CIA-Unterfirma arbeitende Winner hatte sich in der Tat an ihrem Arbeitsplatz in Augusta, Georgia ein Dokument ausgedruckt, das geheime NSA-Informationen über russische Eingriffe in die US-Präsidentschaftswahl von 2016 auflistete – und den Inhalt der Enthüllungsplattform „The Intercept“ zugänglich gemacht.
Das Drama über Verhaftung, Verhör und Verurteilung dieser Whistleblowerin, die auch in der Realität auf den Vornamen Reality getauft worden war, fußt in der Spielfilm-Adaption auf den Originaltondokumenten des realen Vorgangs – wobei es Regiedebütantin Tina Sattler immer wieder gelingt, die kafkaeske Doppelbödigkeit der titelgebenden Wirklichkeit zu hinterfragen. Ihr Film ergänzt somit perfekt die Diskussionen, die nicht nur in den USA dieser Tage, sondern auch zunehmend hierzulande die Zivilgesellschaft spalten. Wobei die alles entscheidende Frage bleibt: Welche Geheiminformationen sollten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen – und um jeden Preis?!?
D: Sydney Sweeney, Josh Hamilton, Marchánt Davis, Benny Elledge, John Way.
Night Swim
USA/Australien/GB ´24: R: Bryce McGuire. Ab 8.2. Wertung: ***
Seine Karriere als Profisportler hat Ray Waller (Russell) jahrelang von Stadt zu Stadt ziehen lassen – die Familie stets im Schlepptau. Doch nun ist krankheitsbedingt mindestens längeres Pausieren angeraten, heißt es sesshaft werden. Als die beauftragte Maklerin ein Haus in einer ruhigen Nachbarschaft vorschlägt sind die Wallers vor allem vom Swimmingpool im Garten begeistert – von dem sich der therapiebedürftige Ray optimale Reha-Heilungschancen erhofft. Seiner Frau Eve (Condon) und den Kindern (Hoeferle, Warren) scheint der Pool zudem bestens geeignet, um die Nachbarn zur Gartenparty einzuladen oder bei Nacht im Wasser romantische Gefühle auszukosten.
Es dauert nicht allzu lange, bis es im Beckenüber- und -ablauf bisweilen bedrohlich gurgelt, einen irgendetwas in die Tiefe zu saugen versucht. Vor allem Ray scheint vom „Bösen“ im Pool zusehends mehr besessen – ähnlich wie das einsam gelegene Spukhotel im Genreklassiker „Shining“ einst von Jack Nicholsons schriftstellerndem Familienoberhaupt Jack Torrance Besitz ergriff. Nichtsdestotrotz haben weder „Night Swim“-Filmemacher Bryce McGuire noch sein Hauptdarsteller Wyatt Russell auch nur ansatzweise die Klasse, um zu der Liga des verstorbenen „Shining“-Regietitan Stanley Kubrick oder zu Starmime Nicholson aufzuschließen. Immerhin: Wer nurmehr Mainstream-Horror erwartet, dürfte beim Pool-Schocker auf seine Kosten kommen.
D: Wyatt Russell, Kerry Condon, Amélie Hoeferle, Gavin Warren, Nancy Lenehan, Ben Sinclair, Jody Long, Elijah J. Roberts.
Bob Marley: One Love
USA ´24: R: Reinaldo Marcus Green. Ab 15.2. Vorankündigung Bild: Paramount Pictures Germany
Er revolutionierte den Reggae wie kein anderer Musiker – was ihn bereits zu Lebzeiten zur Legende machte. Als Bob Marley 1981 im Alter von nur 36 Jahren starb, stand die Musikwelt unter Schock. Das Biopic „One Love“ dramatisiert das Leben des jamaikanischen Weltbürgers von seinen musikalischen Anfängen als Teenager über die Gründung seiner Band The Wailers und das missglückte Attentat auf ihn und seine Familie anno 1976 bis zu den Exiljahren in Großbritannien.
D: Kingsley Ben-Adir, Lashana Lynch, James Norton, Jesse Cilio, Sevana, Tosin Cole.
Schock
Deutschland ´23: R: Denis Moschitto, Daniel Rakete Siegel. Ab 15.2. Wertung: *** Bild: Bon Voyage Films
Nachdem Bruno (Moschitto) die Zulassung als Arzt aberkannt wurde, verlegt er seine Aktivitäten notgedrungen in die Illegalität. Für einen Könner wie ihn herrscht auch in der Unterwelt kein Mangel an Aufträgen – und dass sein Schwager Giuli (Fahri) ins kriminelle Milieu verstrickt ist, erleichtert jegliche Kontaktanbahnung ungemein. Doch dann lässt sich Bruno drauf ein, einen an Leukämie erkrankten Mafioso zu behandeln. Ein Umstand, der den Arzt in eine gefährliche Situation hineinmanövriert, aus der man nur schwer wieder herauskommt – weil Bruno sich zwischen zwei rivalisierenden Verbrecherbanden wiederfindet.
Die nächtliche Großstadt mit ihren halbseidenen Bordelletablissements, Imbissläden, Absteigen und schmierigen Typen gibt die düstere Atmosphäre dieses beeindruckend besetzten Thrillers vor, an dem Denis Moschitto und sein Ko-Regisseur Daniel Rakete Siegel laut Vernehmen ganze acht Jahre gefeilt haben. Das Ergebnis: Rabenschwarzes Genrekino made in Germany.
D: Denis Moschitto, Fahri Yardem, Aenne Schwarz, Anke Engelke, Patrick Phul, Daniel Wiemer, Antonio Putignano.