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Ein Freund des Lebens15.07.2022



Text und Foto: Karin Eickenberg
Fast ist es so, als würde er gleich um die Ecke kommen. Mit prüfendem Blick, die Baskenmütze schräg auf den Kopf gesetzt und in der Hand einen langen Stab, den er im hohen Alter gern als Stütze nutzte. Wir sind in Ernst Pagels‘ Garten. Wer hätte gedacht, dass hier, am westlichen Rand der Seehafenstadt Leer, einer der bedeutendsten Staudenzüchter Deutschlands gewirkt hat? Seine „Evergreens“ blühen in fast jeder Rabatte – von Leer bis New York!


Ich bin mit Anke Boekhoff verabredet. Die 77jährige Leeranerin hat Ernst Pagels noch persönlich gekannt. Heute ist sie Vorsitzende des 2018 gegründeten „Fördervereins Ernst Pagels“ und hütet sein grünes Reich mit geradezu kämpferischer Leidenschaft. Fast wäre es als Bauland verkauft worden, empört sie sich. Gerade noch in letzter Sekunde konnten eine Stiftung, ein Freundeskreis und der Verein die Reißleine ziehen, um dieses einzigartige Kulturdenkmal für die Nachwelt zu erhalten. Pagels Erbe ist heute ein gärtnerisches Gesamtkunstwerk, ein Garten für Jeden, ein Bilderbuch, das man begehen und mitgestalten kann.


Grüne Rückzugsräume


Unser Rundgang beginnt im Schaugarten, dem einstigen Mutterpflanzen-Quartier. Der Rausch an Farben, Düften, Summen und Brummen ist einfach überwältigend! Man möchte die Schuhe ausziehen und wie ein Kind auf dem schmalen Kiesweg durch die Blumenreihen hüpfen. Hier offeriert sich tatsächlich die ganze Vielfalt der Pagels‘schen Schaffenskraft. Über 130 Staudensorten hat er selektiert, viele davon wurden weltbekannt. Die Salvia nemorosa „Ostfriesland“ zum Beispiel. Aber auch Züchtungen von Rittersporn, Astilbe, Elfenblume und diversen Schaublattarten.


Alles schwelgt in üppiger Fülle. Wie zufällig wirkt das Zusammenspiel der Pflanzen, hoch und niedrig, edel und wild. „Was nicht stört, darf bleiben“, sei Pagels Motto gewesen. Wie sein Vorbild, der berühmte Potsdamer Staudenzüchter und Gartenphilosoph Karl Foerster (1874 – 1970), arbeitete er eng mit Mutter Natur zusammen. Keine aufgeräumten Grünanlagen wollte er schaffen, sondern Rückzugsräume, in denen der Mensch sich an Blütenduft, Vogelstimmen und sich im Winde wiegenden Gräsern erfreuen konnte.


Ja, die Gräser! Damit gelang ihm einer seiner größten Erfolge. „Er war der erste, der den Chinaschilf bei uns zum Blühen brachte“, weiß Anke Boekhoff. Wir stehen auf der Miscanthus-Wiese. Wie Fontänen schießen die oft meterhohen Blütenwedel in die Höhe. Noch im letzten Abschnitt seines Lebens entwickelte der Pionier mehr als 50 Ziergrassorten und begründete vor allem auch in den Vereinigten Staaten eine ganz neue Gestaltungstradition – das „Ornamental Grass Gardening".


Strenge Auslese


Plaudernd gehen wir weiter. Immer wieder bleibt die Pflanzenkennerin stehen, um mal hier, mal dort eine Staude zu richten oder eine Handvoll Unkraut zu zupfen. Wo denn ihr Lieblingsplatz in diesem Garten sei, frage ich sie. Sie lacht. „Ich komme gar nicht zum Sitzen, wenn ich hier bin.“ Es gebe immer was zu tun und viel zu wenige Hände. Vor uns liegen jetzt die so genannten Sichtungsbeete. Hier beobachtete Pagels die Pflanzen, mit denen er weiterarbeiten wollte. Sein Prinzip war die Auslese. Das heißt, es werden über Jahre immer wieder Pflanzen mit den vorteilhaftesten Eigenschaften ausgelesen und untereinander vermehrt.


Ernst Pagels muss ein geniales Auge für das Potenzial seiner Zöglinge gehabt haben. Robust sollten sie sein, bei Hitze und Kälte, Regen und Wind. Was nicht seinen Kriterien entsprach, landete umgehend auf dem Kompost. So mancher Lehrling hätte sich die aussortierten Mängelexemplare heimlich mit nach Hause genommen, verrät Anke Boekhoff. Letztendlich aber führte seine strenge Auslese zum Erfolg. Er selbst schrieb: „Oft war es so, als ob die Pflanzen die Wünsche empfingen und erfüllten, wenn man sich lange und stark mit ihnen beschäftigte.“


Bewahrung der Erde


Wir kommen in den hinteren Teil des Gartens – eine Wildblumenwiese! Zwischen Gräsern und Kräutern aller Art recken sich Lupinen, Hahnenfuss, Knöterich, weiße Sternblümchen und unzählige andere wilde Schönheiten ins Sonnenlicht. Hier kommen Pagels „beste Helfer“, unzählige Insekten, zum Zuge. Überall ist die große Naturverbundenheit des Meisters präsent. Er habe ein tiefes Bedürfnis gehabt, die Schönheit der Erde für zukünftige Generationen zu bewahren, betont meine Gesprächspartnerin. Übrigens sei seine Gärtnerei auch eine der ersten gewesen, die biologisch-dynamisch wirtschafteten. Und dass er zu den Mitbegründern der GRÜNEN in Leer gehörte passt ebenso ins Bild.


Seine Gärtnerei, so hatte er es sich selbst gewünscht, sollte nach seinem Tod ein Ort werden, der insbesondere auch jungen Menschen „Herz und Augen“ für die Natur öffnete. Noch zu Lebzeiten übertrug Ernst Pagels seine Gärtnerei der anthroposophischen Stiftung Mercurial. So entstand auf dem Gelände ein Waldorfkindergarten und ein öffentlicher Park, zu dem auch die so genannten „Mitmachbeete“ gehören. Dort, wo sich einst das Topfquartier für den Pflanzenverkauf befand, kann jetzt jeder selbst sein Gartenglück versuchen. „Es ist einfach ein schöner, friedlicher Ort“, spricht Anke Boekhoff vielen Besuchern aus dem Herzen. Und irgendwie habe sie das Gefühl, dass Pagels Geist noch heute über dieses Fleckchen Erde wacht …


Ernst Pagels‘ Garten befindet sich in Leer, Deichstraße 4, und ist für Besucher ganzjährig geöffnet.Auch im Bad Zwischenahner „Park der Gärten“ kann man durch Pagels‘ Welt spazieren. Der größte Schaugarten Deutschlands hat dem berühmten Staudenzüchter einen eigenen Themengarten gewidmet.

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