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Glückes Schmied25.07.2023



Udo Brandes legt jetzt das Buch „Wenn die Jagd nach Erfolg das Leben zur Hölle macht“ vor. Darin analysiert der Oldenburger Diplom-Politologe und Journalist die Mechanismen, die einen Menschen dazu treiben, immer noch eine Schippe drauf zu legen. Zugleich stellt er die Gefahren des steten Strebens heraus. Reitet er damit nicht auch nur eine Welle? „Nein“, sagt Brandes, „das ist nicht so.“ Er veranschauliche, wie sich neoliberale Ideologie und Politik auf das Lebensglück des Einzelnen auswirkten. Er habe ein politisches Buch geschrieben, das sich auch an Menschen wende, die sonst keine politischen Bücher lesen. Tatsächlich betrachtet Brandes die Selbstoptimierungsindustrie nicht als Einzelerscheinung, sondern ordnet sie in einen gesellschaftspolitischen Kontext ein. Das betont er auch im Gespräch. „In den 1990er Jahren zerfiel die Sowjetunion, Europa strukturierte sich neu, der Neoliberalismus setzte sich durch“, so der Autor. Auch hierzulande baute der Staat Institutionen um, fuhr z.B. die Bahn auf Sparkurs und reformierte Krankenhäuser hin zu Gesundheitsfabriken. Unternehmen reduzierten Personal bei gleichzeitig steigenden Arbeitsvorgaben. Der Optimierung der Wirtschaft folgte die Selbstoptimierung des Einzelnen. Fatal sei das, ist Brandes überzeugt. „Man darf in unserer Gesellschaft vieles sein. Nur eines ist ein unverzeihlicher Makel: Misserfolg.“ Brandes hat Studien gelesen, Sekundärliteratur studiert und sich im Freundes- und Bekanntenkreis umgehört. Erfolgsbilanzen seien eine harte Währung, hat er erfahren. Sie würden wie eine katholische Monstranz vor sich hergetragen. Das eigentlich Schlimme sei, dass hinter diesen „Erfolgsfassaden“ der eigentliche Mensch kaum noch zu erkennen sei, man mit ihm oft kein ehrliches Gespräch mehr führen könne. Auch er selbst habe schon Erfolgsratgeber gelesen. Manchmal habe er sich nach der Lektüre deprimiert gefühlt. „Das machte mich neugierig, das wollte ich näher untersuchen.“ Brandes fand eine Erklärung. Die Selbstoptimierungsliteratur vermittle die Idee: „Alles ist möglich – es ist nur eine Frage der Entscheidung, des Willens und der richtigen Strategie.“ Wer dies beherzige und dann doch scheitere, suche die Schuld zwangsläufig bei sich selbst, sagt der Journalist. Dabei gebe es viele Kriterien, die das Individuum nicht oder wenig beeinflussen könne, zum Beispiel ungleich verteilte Lebenschancen und äußere Zwänge. Natürlich kennt auch Brandes soziale Aufsteiger. „Altkanzler Gerhard Schröder“, nennt er ein Beispiel. „Der ist von ganz unten nach ganz oben gekommen. Aber statistisch betrachtet ist Gerhard Schröders sozialer Aufstieg eine seltene Ausnahme.“ Auch das Phänomen Zufall könne zuweilen über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.
Udo Brandes hat ein anschauliches, lesenswertes Buch über ein vieldiskutiertes Thema geschrieben. Sein politischer Ansatz ist eher ungewöhnlich und macht die Lektüre anregend. Doch fehlt in der Analyse nicht etwas? Was ist mit der nachrückenden Generation? Viele junge Menschen verweigern sich bewusst den tradierten Erfolgsversprechen. Sie setzen auf Life-Work-Bklance, wollen weniger arbeiten und weniger konsumieren und sind bereit, dafür weniger zu verdienen. Brandes sieht dieses Phänomen differenziert und kommt zu einem interessanten Ergebnis. Ob „Nine-to-Five“-Verweigerung, Veganismus oder radikaler Klimaschutz: Auch hier gehe es nicht selten um Selbstaufwertung. „Gut sein“ sei ein neues Statussymbol. Für Arbeiterinnen und Arbeiter stelle sich die Frage nach weniger Lohnarbeit meist gar nicht. Sie müssten Begrenzungen managen, die sie sich nicht ausgesucht hätten. Und wie hält es Brandes selbst mit dem Erfolg? „So wie es falsch ist, sein Leben völlig auf Erfolg und Leistung zu fixieren, so falsch ist es umgekehrt zu glauben, man brauche überhaupt keinen Erfolg“, lautet die Antwort. Der richtige Kurs liege in der Mitte. „Wo genau, das muss jeder für sich selbst entscheiden.“

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