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Neue Vielfalt im Insel-Fährverkehr12.07.2023
Text und Foto: Peter Andryszak
Mir zeigt sich dann in aller Entspannung ein ganz besonderes Umfeld voller ungewöhnlicher Farben wie Formen. Und unübersehbar viel Lebendigkeit. Die langsame und ruhige Fahrt der Fähre lässt es mich (meist) ausgiebig an Deck erleben. Nun kommt eine gänzlich neue Fahrterfahrung:
Morgens um sechs, hinter dem Fährhaus der Reederei Nordseebad Spiekeroog GmbH (NSB) im Hafen von Neuharlingersiel. Da liegt sie – eingerahmt durch ihre großen Schwestern „Spiekeroog I“ und „Spiekeroog II“ – die neue Schnellfähre „WattnExpress“. Seit 30. Januar diesen Jahres verbindet sie nahezu tideunabhängig das Festland mit der Insel Spiekeroog; ergänzend zu den deutlich größeren Fähren und den viel kleineren Wassertaxi’s. Gleich um zehn nach sieben fahre ich zum ersten Mal mit ihr und lasse dabei diese neue Art der Fährpassage auf mich wirken. Unterdessen liegt die „WattnExpress“ am ehemaligen Liegeplatz der „Spiekeroog III“. Mit mehreren Leinen gut vertäut dümpelt sie an ihrem eigens in Polen gebauten 20-Meter-Pontonanleger. Über den können Fahrgäste zu jedem Wasserstand barrierearm ein- und aussteigen. Ohne ihn hätten sie in Neuharlingersiel nicht wirklich sicher an Bord gelangen können. Wobei sich allerdings – der Tide sei Dank - der Neigungswinkel der Rampen je Wasserstand unterschiedlich präsentiert. Die „WattnExpress“ selbst verfügt zu beiden Seiten am Heck über eine einfach zu bedienende Gangway und kann so beidseitig an den Pontonanlagen anlegen. Deutlich vor den frühmorgendlichen Passagieren befinden sich bereits die beiden Besatzungsmitglieder, Kapitän Jan ter Haar und 2. Nautiker sowie Decksmann Hans-Christian Caro, an Bord und bereiten ihren „Wasserbuss“ für seinen Tageseinsatz vor. Gute zehn Minuten noch bis zur Abfahrt. Die Fahrgäste gehen ruhigen Schrittes die schräge Rampe zum Schiff herunter und steigen mit ebensolcher Ruhe ein. Drinnen erwartet sie ein aufgeräumter und übersichtlicher Fahrgastraum. Die über fünfzig gemütlich wirkenden Sitzplätze sind, ganz wie in einem Flugzeug, beidseitig als Dreier-Reihen überwiegend in Fahrtrichtung angeordnet. Und trotz nur kurzer Fahrzeit: es befindet sich sogar eine Toilette an Bord. Für das Gepäck gibt es im Heck mehrere Regale, in die die Fahrgäste das selbst an Bord gebrachte verstauen können. Bitte hinsetzen, die Fahrt beginnt. Und bitte auch während der Fahrt sitzen bleiben.
Langsam bewegt sich das in rund neun Monaten gebaute und von der im Nordwesten gut bekannten Bundestagsabgeordneten Siemtje Möller getaufte Schiff von seinem Ponton weg. Die beiden Dieselmotoren neuester Generation, mit Abgasnachbehandlung und fähig auch umweltschonenden GTL-E Diesel zu verbrennen, sind deutlich zu hören. Aber im Innern können trotzdem normale Gespräche in guter Hörqualität stattfinden. Allerdings schauen während dieser Fahrt nahezu alle Passagiere auf ihr Smartphone. Zukünftig könnte die „WattnExpress“ sogar elektrische Fahrmotoren verwenden. Jedenfalls sobald die dafür notwendigen Akku`s, zu Gunsten ihres geringen Tiefgangs von 70 Zentimetern, leichter geworden sind. Dann führe sie noch deutlich ruhiger, erklärt der Kapitän. Die beiden wartungsarmen Wasserjets beschleunigen das nach der EU-Fahrgastschiffsrichtlinie gebaute Aluminiumschiff jetzt spürbar. Ein langer Blick aus dem Fenster. Die Wattenlandschaft fließt bei maximal zu fahrenden 16 Knoten unscharf vorbei. Für mich, hier im Küstenbereich, ein vollkommen neues Fahrgefühl. Eher zu vergleichen mit einer geradezu gleitenden Zugfahrt oder der in einer unteren Etage eines Reisebusses. Seevögel, Wind, Sonne, Wasserspritzer und Salzaroma bleiben vor der Scheibe. Ich sitze trocken und klimatisiert – und ganz gleichmäßig ruhig. Dann plötzlich eine verhältnismäßig heftige Schaukelei. Unser 20-Meter-Schiff mit dem geringen Tiefgang reagiert damit auf die Heckwelle eines entgegen kommenden Wassertaxi’s. Jetzt klärt sich spontan, warum man hier an Bord gehalten ist, während der Fahrt sitzen zu bleiben. Das ruhige Gleiten kehrt zurück – allerdings nur für wenige Minuten. Ein weiteres Wassertaxi überholt uns. Dessen Heckwelle schenkt uns erneut ein kurzes Schaukeln. Nur noch wenige Minuten verbleiben und wir fahren sanft in den Hafen von Spiekeroog ein. Machen am barrierearmen und zu jedem Wasserstand Zugang gewährleistenden Rettungssteg der Gemeinde fest – und sind da.
Und wie erleben die anderen Fahrgäste die Überfahrt? „Für mich ist das sehr gut, zeitlich weitgehend unabhängig zwischen Insel und Festland reisen zu können“, ist durchweg zu hören. Sowohl Handwerker, Pendler und Insulaner wie auch Zweitwohnungsbesitzer, Tagesgäste und Wochenendurlauber wissen die neue Möglichkeit praktisch gut zu nutzen, insbesondere frühmorgens, mittags und abends. So hätten zum Beispiel Handwerker auf der Insel einen vollen Arbeitstag und Insulaner mehr Möglichkeiten für Termine an Land. Das sei deutlich besser für sie, als sich immer dem Rhythmus der Gezeiten anpassen zu müssen.
Und wie sieht das die Reederei? Dazu Ansgar Ohmes, Geschäftsführer der Nordseebad Spiekeroog GmbH: „Das Segment „Schnellfähren“ hat in den vergangenen Jahren ein erhebliches Wachstum erfahren. Insbesondere mit den kleineren Wassertaxen unterhalb acht Metern Länge.“ Dabei hätten sowohl die Anzahl der Boote als auch die täglichen Abfahrten stark zugenommen. „Grund für unsere Entscheidung zum Bau einer nahezu tideunabhängigen Schnellfähre ist das geänderte Nachfrageverhalten unserer Kundinnen und Kunden, die deutlich flexibler an- und abreisen möchten“, führt Ohmes weiter aus. Außerdem würden sich die Fahrzeiten deutlich verringern und gleichzeitig ergäben sich Verbesserungen bei den ökologischen Kriterien der Schiffseinsätze und in der Auslastung der Schiffe.
Und wie geht es nun dem hier berichtenden Fahrgast, der diese Fahrt zur Probe gemacht hat? Zunächst einmal brauche ich nun gleich mehrere Schritte, raus aus dem Hafen Richtung Ortschaft, für ein erstes Urlaubsgefühl. Der „Wasserbus“ scheint mir ein pünktliches und präzises Verkehrsmittel zu sein, ähnlich einer S-Bahn, nur mit deutlich besserem Sitzkomfort. Freude, schnell drüben zu sein? Bei vielen Fahrgästen sicherlich. Ein „Erlebnis Wattenmeer“ während der Überfahrt? Wohl eher nicht! Es scheint, als sei nun mit der „WattnExpress“ unumstößlich ein neues Zeitalter für die Erreichbarkeit der Insel Spiekeroog eingeleitet. Zumal gerade diese Insel, entgegen ihrer Inselschwestern, noch nicht einmal einen eigenen Flugplatz für kurze An- und Abreisen hat. Indessen ist die Schnellfähre „WattnExpress“ schon längst wieder auf ihrer 20-minütigen Fahrt zurück nach Neuharlingersiel; besetzt mit einigen Passagieren mehr als auf der Hinfahrt.
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