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Filme im Kino
MoX Kinotipps KW4722.11.2023
Texte: Horst E. Wegener
The Old Oak
GB/ Frankreich/Belgien ´23: R: Ken Loach. Ab 23.11. Wertung: ***** Bild: Sixteen Oak Ltd.
England, anno 2016: Wer auf eine Zukunft für sich und seine Angehörigen hofft, sollte dem ehemaligen Bergwerksdorf im Norden des Inselreichs eigentlich längst den Rücken gekehrt haben. Da man Arbeit vor Ort kaum mehr findet, weigern sich nurmehr die zumeist Älteren, ihrem Heimatkaff den Rücken zu kehren, während die bei ihnen verbliebenen Halbwüchsigen in dem entvölkerten Landstrich rein gar nichts mit sich anzufangen wissen. Wenigstens existiert TJ Ballantynes Pub The Old Oak noch als Mittelpunkt und –treff des Viertels – und bleibt geöffnet, obwohl sich selbst mit einer Kneipe kaum noch finanziell über die Runden kommen lässt. Als dann die vielen leer stehenden Reihenhäuser ringsum, die von einer Immobiliengesellschaft auf Zypern für einen Spottpreis ersteigert wurden, von einer Busladung mit Flüchtlingen aus Syrien bezogen werden, werten die wenigsten Einheimischen dies positiv, beäugen sie die Fremden unverhohlen misstrauisch. Einzig Kneipier TJ (Turner), der ebenfalls eine syrische Familie in seinem Haus aufnimmt, schätzt den Zuzug durch die Neuen positiv ein, schon allein weil er ohnehin grundsätzlich an das Gute im Menschen glaubt. Während sich der Pub-Inhaber mit seinen Mietern anfreundet, ist vor allem die Dorfjugend weiterhin auf Krawall aus: Die beiden halbwüchsigen Jungs aus der bei TJ untergekommenen Familie werden von gleichaltrigen Dörflern bedroht und der erwachsenen Tochter der syrischen Familie zerstört der Dorfrowdy ihre Kamera. Die künstlerisch hochtalentierte Yara (Mari) ist untröstlich, da ihr der Apparat in dieser ungastlichen, freudlosen neuen Heimat Fluchtmomente eröffnen konnte. Derweil hängt TJ einer ihm von Yara vermittelten Idee weiterhin an, wie sich die Gemeinschaft in Dorf wiederherstellen ließe – gemeinsam funktioniert man den Hinterraum der Kneipe zur Kantine um, in der Flüchtlinge und Einheimische gemeinsam zu Mittag essen. Der Anspuch: Beim Essen lassen sich Vorurteile abbauen, könnte man miteinander ins Gespräch kommen…
Altfilmer Ken Loach entpuppt sich wie schon so oft als Kämpfer für Gerechtigkeit im dauerkrisengeschüttelten Großbritannien. Mit „The Old Oak“ macht er sich stark für Solidarität. Wie kann es nur angehen, dass die Schwachen in einer rücksichtslosen Gesellschaft gegen die noch Schwächeren vorgehen? Ist´s nicht zum Haare-ausraufen, dass die Alten und Arbeitslosen im Dorf, die ja selbst nichts haben, die Schuld dafür, ausgerechnet jenen mit kaum etwas im fremden Land gestrandeten Flüchtlingen zuzuschieben gewillt sind? Ein aus Hass und Vorurteilen gespeister Reigen wird in „The Oak“ in Gang gesetzt, wobei die Regie an der Hoffnung festhält, dass es anders werden könnte, wenn alle nur aufeinander zugehen würden und man sich daran erinnerte, was Menschlichkeit bewirkt.
D: Dave Turner, Ebla Mari, Trevor Fox, Claire Rodgerson, Chris McGlade.
Wish
USA ´23: R: Chris Buck/ Fawn Veerasunthorn. Ab 23.11. Wertung: ***** Bild: Disney
Die junge Asha lebt in Rosas, jenem Land vor der iberischen Halbinsel, das auch als Königreich der Wünsche weithin bekannt ist. König Magnifico, Herrscher über ganz Rosas, genießt die einzig ihm gegebene Macht, entscheiden zu können, welche Wünsche er zulässt und somit wahr werden lässt. Einer von Ashas Wünschen geht ihm jedenfalls viel zu weit – nur gut, dass dieser ebenfalls von einem mit grenzenlos kosmischer Energie beladenen kleinen Stern erhört wird. Mit dessen Unterstützung beschließt Asha gegen den definitiv willkürlich und finster agierenden Magnifico vorzugehen… Dass eine mutige Rebellin Erstaunliches erreichen kann, erst recht sobald sie sich mit der positiven Magie der Sterne zusammenschließen mag, ist eins jener typischen Disney´schen Animationsfilmthemen – das ideale Kinoprogramm in der Vorweihnachtszeit für jung und alt. Tricktechnisch gewohnt liebevoll und aufwändig inszeniert, unbedingt empfehlenswert.
Animationsfilm
Elaha
Deutschland ´23: R: Milena Aboyan. Ab 23.11. Wertung: *** Bild: Camino Filmverleih
Die Deutsch-Kurdin Elaha (Layla) steht kurz vor ihrer Heirat. Sie ist mit Nasim (Wahedi) verlobt, einem Verwandten ihrer Arbeitgeberin in der Reinigung. Als die 22-Jährige bei einer Party heimlich mit ihren Freudinnen zum Rauchen entschwindet, kommt in der Mädelsrunde prompt zur Sprache, was von fast allen jungen Frauen in der kurdischen Community erwartet wird: Frau sollte unberührt in die Ehe gehen! Auch Elahas künftige Schwiegermutter pocht auf diesem Nachweis – den ihr die Schwiegertochter nicht liefern könnte, da sie schon Sex hatte, allerdings mit jemand anderem als dem Zukünftigen. Was tun? Das Jungfernhäutchen chirurgisch rekonstruieren zu lassen, kostet 3000 Euro, die die junge Frau erst recht nicht hat. Kleine Kapseln, die beim Sex platzen und somit die Entjungferung vortäuschen könnten, wären alternativ billiger zu haben. Doch der Test damit misslingt. Ohnehin fragt sich Elaha zusehends mehr, warum und für wen sie eigentlich als Jungfrau in die Ehe gehen muss!
Regisseurin Milena Aboyan, als jesidische Kurdin geboren, ist mit den Eltern nach Deutschland gekommen. Elahas Geschichte ist ihr bestens vertraut – und sie plädiert in ihrem Regiedebüt mit aller Entschiedenheit dafür, eigene Wege zu beschreiten. Aus Aboyans Sicht steht der Konflikt um die Jungfräulichkeit stellvertretend für die Herrschaft des Patriarchats über den weiblichen Körper. Sich Widerstand leisten zu können, und dabei Unterstützung zu erfahren, scheint wichtiger denn je!
D: Bayan Layla, Armin Wahedi, Derya Dilber, Derya Durmaz, Cansu Leyan.
Napoleon
USA/GB ´23: R: Ridley Scott. Ab 23.11. Vorankündigung Bild: 2023, Apple
Die wenigsten historisch verbürgten Figuren sind nicht nur von den schönen Künsten, sondern vor allem von der Kinoindustrie immer wieder derart offensiv portraitiert worden, wie sich das im Fall von Napoleon Bonaparte feststellen lässt. Jetzt also zeichnet Monumentalfilmer Ridley Scott den Aufstieg des korsischen Feldherrn hin zur Kaiserkrönung nach, verschränkt er dessen viele Kriege, die in Waterloo ihr jähes Ende fanden, mit der romantischen, jedoch dysfunktionalen Beziehung des militärtaktischen Genies zu Joséphine de Beauharnais (Kirby). Die brüchige, kaum mehr als nur fünf Jahre andauernde Ehe Napoleons mit der eigenwilligen First Lady positioniert sich auch als Ventil für den Ehrgeiz und die Besessenheit des kleinwüchsigen Machtmenschen, den Hollywoods einstige par-excellence-Joker-Verkörperung Joaquin Phoenix in der Nachfolge von unter anderem Stummfilmstar Albert Dieudonne (in Abel Gances Stummfilmmeisterwerk), Rod Steiger (im Epos des russischen Regietitans Sergei Bondartchuk), Marlon Brando undundund zum besten geben darf. Daran, dass Phoenix seine Sache hervorragend machen dürfte, hegen wir wenig Zweifel. Da Pressevorführungen erst nach Redaktionsschluss stattfanden, lässt sich einstweilen nichts Entgültiges sagen.
D: Joaquin Phoenix, Vanessa Kirby, Tahar Rahim, Ben Miles, Ludivine Sagnier, Matthew Needham, Youssef Kerkour, Phil Cornwell.
Farang – Schatten der Unterwelt
Frankreich/ Thailand ´23: R: Xavier Gens; ab 23.11. Wertung: *** Bild: Studiocanal GmbH
Dass Sam (Lyes) als Ex-Knacki einen Typen aus früheren Gang-Zeiten in reiner Notwehr töten musste, dürfte ihm nicht mal sein Bewährungshelfer abnehmen. Also setzt er sich aus Frankreich nach Thailand ab. Und hofft im Urlauberparadies auf bessere Zeiten – wonach es irgendwann sogar aussieht: Dank seiner Freundin Mia (Nounay), die eine Tochter aus einer früheren Beziehung hat und von Sam schwanger ist, können Zukunftspläne geschmiedet und auf ein eigenes Restaurant gespart werden. Doch dazu bräuchte es vor allem Dokumente, die unser Exilant schwerlich vorlegen kann. Der lokale Gangsterboss Narong (Gourmet) schaltet sich helfend ein, erwartet dafür allerdings eine Gegenleistung. Als der Drogenschmuggel-Kurierdienst, auf den sich Sam notgedrungen einlässt, dann dummerweise auffliegt, nimmt sich Brutalo Narong die kleine Familie des Farangs, wie Ausländer in Thailand heißen, vor. Woraufhin der Kickbox-erfahrene Sam blutrot sieht, zur One-Man-Army mutiert – und gnadenlos gegen Narongs Unterweltler vorgeht.
Lange zelebriert Actionfilmer Xavier Gens Sams eine glückliche Kleinfamilien-Welt und schwelgt in thailändischen Urlaubertraumwelt-Szenerien, bevor er zur Halbzeit seiner underdog-Mär auf spektakuläre Nahkampf-Choreografien umschaltet, die Kamera auf brechende Knochen draufhält – und zumindest das eine Einzelkämpfer-Rachegeschichte favorisierende Publikum vor der Leinwand voll und ganz auf seine Kosten kommt.
D: Nassim Lyes, Olivier Gourmet, Sahajak Boonthanakit, Coryn Nounay, Chananticha Tang-Kwa, Vithaya Pansringarm.
Smoke Sauna Sisterhood
Estland/ Frankreich/ Island ´23: R: Anna Hints; ab 30.11. Wertung: **** Bild: neue Visionen Filmverleih
Dokumentarfilmerin Anna Hints nimmt uns Kinogänger mit in eine jener für Estland typischen Rauchsaunen: Mitten im Wald gelegen treffen sich dort Frauen unterschiedlichster Herkunft, um einander bei wohliger Wärme und viel Wasser ihre tiefsten Geheimnisse anzuvertrauen. Da kommen dann offenherzig selbst sperrige Themen zur Sprache, die etwa sexuelle Gewalt oder das Anderssein erörtern, den Umgang mit den Eltern ausloten, Geburten, Abtreibungen, Fehlgeburten und die Suche nach dem idealen Partner umkreisen. Stets kann sich Frau sicher sein: Worüber in der Sauna geredet wird, dringt garantiert nie nach draußen – eine einmalige Gelegenheit fürs Kinopublikum, sich als Teil dieser verschworenen Gemeinschaft fühlen zu dürfen; Verdienst des Films. Und ganz nebenbei gelingt Filmemacherin Anna Hints somit ein bemerkenswerter Einblick in die Idee und Bedeutung dieser Sonderform des Saunierens, die 2014 zur Aufnahme auf die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit der UNESCO führte.
Doku