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Filme im Kino
MoX Kino-Tipps KW2230.05.2023
Texte: Horst E Wegener
Nostalgia
Italien/ Frankreich ´22: R: Mario Martone. Ab 8.6. Wertung: ***** Bild: Picomedia / Mad Entertainment
Über vierzig Jahre hinweg hat sich der Neapolitaner Felice (Favino) fern der einstigen italienischen Heimat ein erfolgreiches Berufs- und Privatleben aufgebaut. Als gestandener Unternehmer in Kairo ist er dann irgendwann sogar zum Islam konvertiert und hat eine Ägypterin geheiratet. Sofern sich Felice mal gezwungen sieht, italienisch sprechen zu müssen, fehlen ihm zusehends mehr die Wörter - letztlich ist ihm die Sprache seiner Kindheit fremd geworden. Einzige Verbindung zur alten Heimat: seine Mutter, die noch immer in Neapel lebt. Um ihr einen Besuch abzustatten - und die alte kränkelnde Dame vielleicht ein letztes Mal zu sehen – gibt Felice sich einen Ruck. Doch kaum ist er in der Stadt seiner Kindheit eingetroffen, stürzen Erinnerungen auf ihn ein. Beim Schlendern durch all die schönen, teils heruntergekommenen, mitunter aber auch bedrohlichen Gassen des Sanità-Viertels kommen nostalgische Gefühle in ihm hoch. Sein Jugendfreund Oreste (Ragno), mit dem Felice früher in kleinkriminelle Aktivitäten verwickelt war, ist in der Camorra-Hochburg Neapel geblieben und zum gefürchteten Mafiaboss aufgestiegen. Obwohl der Heimkehrer mehrfach gewarnt wird, sucht er den Kontakt zum Mafioso. Dabei ist es außerordentlich spannend mitanzusehen, wie die Regie auf die Begegnung von Felice und Oreste hinarbeitet. Da Letzterer mit dem einstigen Freund noch eine Rechnung offen hat, muss befürchtet werden, dass das böse enden könnte. Bis Felice und Oreste aufeinandertreffen zieht Filmer Mario Martone die Spannungsschrauben betont langsam an und inszeniert die Camorra als eine kaum greifbare, gleichwohl ständig fühlbare Bedrohung. Die auf dem gleichnamigen Roman des mittlerweile verstorbenen Schriftstellers Ermanno Rea basierende Verfilmung, Italiens Oscar-Beitrag in diesem Jahr, versteht die Regie sowohl zur stimmungsvoll komponierten Milieustudie als auch zum im Rückblick erzählten Coming-of-Age-Drama zu verdichten. Was „Nostalgia“ zu einem Arthouse-Juwel adelt.
D: Pierfrancesco Favino, Sofia Essaidi, Nello Mascia, Aurora Quattrocchi, Francesco Di Leva, Tommaso Ragno, Emanuele Palumbo
A Thousand and One
USA ´23: R: A. V. Rockwell. Ab 1.6. Wertung: **** Bild: [font=Arial, sans-serif]eOne Features LLC[/font]
New York City, Mitte der 1990er Jahre: Dass Inez (Taylor) ihre Haftstrafe auf Rykers Island verbüßt hat, macht es für die gelernte Friseuse draußen nicht leichter. Ohne Job, festen Wohnsitz und sinnvolle Wiedereingliederungs-Hilfsangebote durch die städtische Community gestaltet sich das Überleben in Freiheit höchst schwierig – zumal für eine Afroamerikanerin. Umso wichtiger ist´s der 22-Jährigen, ihren sechsjährigen Sohn Terry (Adetola) umgehend zu sich holen zu können, ihm eine Zukunftsperspektive zu ermöglichen. Da die Entlassene von einem Obdachlosenheim zum nächsten zieht, haben die Behörden das Kind in Pflegefamilien untergebracht. Ein Umstand, der dem Sechsjährigen nicht gut tut, wie Inez aus eigener langjährig leidvoller Erfahrung weiß. Kurzentschlossen entführt die rigorose Überlebenskünstlerin ihren Sohn. Besorgt falsche Papiere, zieht nach Harlem. Und baut dort für sich, ihr Kind und ihren Lebensgefährten Lucky (Catlett) über die Jahre eine zwar prekäre, aber halbwegs stabile Existenz auf. Terry (mittlerweile von Courtney, dann von Cross dargestellt) reift in dieser Zeit zu einem ruhigen, klugen Schüler heran – bis die Sache mit dem neuen Namen und der gefälschten Geburtsurkunde anno 2005, als der Teenager 17 Jahre alt ist, auffliegt. Regiedebütantin A. V. Rockwell gelingt es, die beinharte Gentrifizierungs-Mentalität in der Ostküsten-Metropole zwischen 1994 und 2005 deutlich zu machen. Die Nachwuchsfilmerin zeigt, wie die Nulltoleranzstrategie der New Yorker Polizei gegenüber Farbigen fatale Auswirkungen mit sich bringt und Existenzen vernichtet. Dabei kann sich ihre Mutter-Kind-Geschichte voll und ganz auf die überragend schauspielernde Hauptdarstellerin Teyana Taylor verlassen, deren Inez die gesamte Bandbreite von impulsiv bis fürsorglich glaubhaft verkörpert. Beim diesjährigen US-Independentfilmfestival Sundance gab es für „A Thousand and One“ den großen Preis – verdient!
D: Teyana Taylor, Aaron Kingsley Adetola, Aven Courtney, Josiah Cross, William Catlett, Terri Abney, Melissa Reynolds.
Transformers: Aufstieg der Bestien
USA ´23: R: Steven Cople Jr. Ab 8.6. Vorankündigung Bild: Paramount Pictures
Übern Sommer fluten Hollywoods Traumfabriken nun schon seit Jahrzehnten die Multi- und Megaplex-Leinwände in aller Welt bevorzugt mit ihre Blockbuster-Ware. Eine dieser endlos fortgesetzten SciFi-Actionserien dreht sich um die Transformers, teils gute, teils böse Erdbesucher: Was 1986 mit „Der Kampf um Cybertron“ auftaktete, ist mittlerweile beim siebten Teil der Reihe angelangt – und katapultiert das jugendliche Kinopublikum diesmal zurück in die 1990er Jahre. Da finden sich die ehrgeizige Archäologin Elena (Fishback) zusammen mit dem ebenfalls aus New York stammenden Sidekick Noah (Ramos) unverhofft zwischen den Fronten von miteinander verfeindeten Transformer-Rassen wieder. An der Seite der Autobots, zu deren Anführer sich Optimus Prime peu à peu mausern darf, lernen Elena und Noah in den Maximals neue Verbündete kennen, die sich als Transformer-Spezies jeweils problemlos in die organischen Lebensformen anderer Universen verwandeln können. Auf der Erde haben sich die Maximals für die Transformation in Säugetiere oder Vögel entschieden. Gemeinsam geht es für die Fraktion der Guten gegen die Terrorcons, die sich als untote Transformer entpuppen. Laut PR-Mitteilung der Produktionsgesellschaft sollen Ton und Handlung des bevorstehenden Megabudget-Actioners stark von Ästhetik und Geschichte des zweiten Kapitels der kultigen Schwarzenegger-Menschmaschinen-Mär „Terminator 2: Tag der Abrechnung“ beeinflusst sein. Mal seh´n; Pressevorführung vorab: Fehlanzeige.
D: Anthony Ramos, Dominique Fishback, Tobe Nwigwe.
How to blow up a pipeline
USA ´22: R: David Goldhaber. Ab 8.6. Wertung: **** Bild: fugu films
Xochitl (Barer) findet, dass der Menschheit nicht mehr allzu viel Zeit bleibt, um sich die Welt lebenswert zu erhalten. Als Kopf einer Truppe von acht Aktivisten plant sie im Kreise ihrer Mitstreiter jenen Großkonzernen entgegenzutreten, die man für die sich häufenden Klimakatastrophen verantwortlich macht. Dabei rückt der beabsichtigte Bau einer Öl-Pipeline durch Texas in den Fokus der Umweltschützer, der sabotiert werden soll. Da Reden oder bei den Behörden Widerspruch gegen die Trassenführung einzulegen einem nicht weiterhilft, kommt es dem Grüppchen gelegen, dass einer aus ihrem Kreis bereits Erfahrungen mit selbst gebastelten Sprengkörpern sammeln konnte. Basierend auf dem gleichnamigen Buch von Andreas Malm bringt uns Regisseur David Goldhaber die Personen seiner Geschichte reihum näher, indem er ihre Motivation jeweils per Rückblende erläutert: Da erfährt man etwa über die im kalifornischen Städtchen Long Beach unweit einer Industrieanlage aufwachsende Xochitl, dass sie der Tod ihrer Mutter radikalisiert hat; oder dass Theos (Lane) Krebs auf die umweltverpestende Luft derselben Anlage zurückzuführen ist. Dwayne (Weary) seinerseits stieß in Texas zur Truppe, weil ihn das Okay der Behörden, die es dem Ölkonzern gestattete, die Pipelinerohre über seinen Grund und Boden verlegen zu lassen, wie eine widerspruchslos hinzunehmende Enteignung vorkam. „How to blow up a pipeline“ ist zugleich Politthriller und Psychogramm der acht Aktivisten zwischen persönlicher Betroffenheit, Radikalisierung und Zweifeln. Der in Los Angeles lebende Regisseur Goldhaber hat sich während seiner Studienzeit unter anderem in Fachbereich Umweltstudien mit dem Klimawandel auseinandergesetzt. Und er ist clever genug, uns Kinogänger nicht per Holzhammermethode als Sympathisanten für einen problematischen Weg gewinnen zu wollen. So betrachtet: Diskussionswürdig – auch angesichts der zunehmenden Radikalisierung mancher Vertreter der sogenannten Letzten Generation hierzulande.
D: Ariela Barer, Sasha Lane, Jake Weary, Forrest Goodluck, Kristine Froseth, Lukas Gage, Jayme Lawson, Marcus Scribner, Irene Bedard.
Orphea in Love
Deutschland ´22: R: Axel Ranisch. Ab 8.6. Wertung: **** Bild: missingFILMs
Orpheus als Frau? Für den Berliner Lowbudgetfilmer Axel Ranisch ist das keine Frage. Sein Opernfilmprojekt „Orphea in Love“ überzeugt als zeitgemäße Variante des allseits bekannten Mythos von Orpheus und Eurydike. Da verliebt sich die Callcenter-Angestellte Nele (Mesak) unsterblich in den Kleinkriminellen Kolya (Badalamenti). Während sie leidenschaftlich gern singt, entpuppt er sich als wahrhaftes Tanztalent. Bei einem Autounfall kommt Kolya dann fatalerweise ums Leben – und wie in der klassischen Opernfassung eröffnet sich Nele die Möglichkeit, ihre große Liebe aus der Unterwelt ihrer eigenen Psyche zurükkzuholen.
Neben seinen Spielfilmen inszeniert von-Praunheim-Protegé und Musikliebhaber Ranisch längst auch regelmäßig für die Bühne, etwa in Stuttgart „Hänsel und Gretel“ oder in München seine Orpheus-Variante „Orphea in Love“. In den Hauptrollen glänzt zum einen die estnische Sopranistin Mirjam Mesak als Nele alias Orphea und beeindruckt an ihrer Seite zum anderen Tänzer Guido Badalamenti als Kolya, der ansonsten vom Publikum als Mitglied der Ballettkompagnie des Münchner Gärtnerplatztheaters erlebt werden kann. Wie in der Gluck´schen Bühnenfassung gibt es auch in Ranischs poetisch-musikalischer Hommage an die Oper und die Liebe ein Happy end fürs Liebespaar; Kitsch included.
D: Mirjam Mesak, Guido Badalamenti, Heiko Pinkowski, Ursina Lardi, Ursula Werner, Hardy Schwetter.
The Adults
USA ´23: R: Dustin Guy Defa. Ab 8.6. Wertung: *** Bild: Universal Pictures Germany
Dass Eric (Cera) nach Jahren mal wieder in der alten Heimat vorbeischaut, ist weniger der Vorfreude geschuldet, sich endlich mal wieder mit seinen noch immer vor Ort lebenden Schwestern Rachel (Gross) und Maggie (Lillis) zusammensetzen zu können. Viel eher gilt das Interesse des Heimkehrers den privaten Pokerrunden beim einstigen Kumpel Dennis (Jonez), die dem begnadeten Zocker aus früheren Zeiten in allerbester Erinnerung geblieben sind. Erics ältere Schwester Rachel hat nach dem Tod der Mutter vor vier Jahren das Elternhaus geerbt und lebt seither darin. Sämtliche Anstrengungen von Maggie, der jüngsten im Geschwisterbund, die nach Erics Ankunft fortwährend bemüht ist, mit ihm und Rachel an fröhliche Kindheitsspielchen im Garten anzuknüpfen oder lange verschüttete Gemeinsamkeiten wieder freizulegen, erweisen sich als wenig hilfreich und laufen ins Leere.
Regisseur Dustin Guy Defa lässt das Geschwister-Trio mit Vorliebe aneinander vorbei reden. Obwohl Eric seine Abreise ein ums andere Mal verschiebt, führt das nicht dazu, dass man Missverständnisse klärt, weshalb sich das Trio im Grunde dem Erwachsen-werden wie eh und je verweigert. That´s life.
D: Michael Cera, Hannah Gross, Sophia Lillis, Wavyy Jonez, Anoop Desai, Kyra Tantao.