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Serie: Künstler von Hier
11 Fragen an … Jochen Schimmang07.02.2019
interview und foto | Karin Peters
Die Literaturkritik nennt ihn einen „seismografischen Chronisten der Lebensbefindlichkeiten in der Bundesrepublik“. Seit vier Jahrzehnten schon begleitet der Schriftsteller Jochen Schimmang mit seinen teils autobiografischen Ich-Erzählungen die gesellschaftlichen Entwicklungen in unserem Land. Sein Debüt-Roman „Der schöne Vogel Phönix“ zählt inzwischen zu den Kult-Klassikern der 68er Generation. Aber auch nachfolgende Bücher wurden immer wieder mit Stipendien und Literaturpreisen gewürdigt. Jochen Schimmang ist 1948 in Northeim geboren und verbrachte seine Jugend in Leer. Er studierte Politische Wissenschaften und Philosophie in Berlin, lehrte an Universitäten und in der Erwachsenenbildung. Nach zahlreichen Umzügen mit Aufenthalten in Hamburg, Wiesbaden, Bochum, Köln und Paris landete er 2005 schließlich in Oldenburg. Hier arbeitet er nach wie vor als freier Schriftsteller, Hörfunk-Autor, Übersetzer und Literaturkritiker für überregionale Zeitungen.
DIABOLO: Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Schimmang: Ich habe bereits im Alter von 7 Jahren in einem Schulaufsatz geschrieben, dass ich Schriftsteller werden wollte. Warum dieser Wunsch so früh entstanden ist, vermag ich nicht zu sagen.Ich konnte schon ganz gut lesen, als ich auf die Schule kam, aber wie das funktioniert hat, weiß ich auch nicht, nur dass die Märchen von Andersen dabei eine große Rolle gespielt haben. Wir hatten Bücher zu Hause, aber es war kein im eigentlichen Sinne literarischer oder bildungsbürgerlicher Haushalt. Ich weiß eben nur, dass ich schon ganz früh Schriftsteller werden wollte und dass dieser Wunsch in Erfüllung gegangen ist. Kann man mehr verlangen?
DIABOLO: Was möchten Sie mit Ihren Büchern bewirken?
Schimmang: Dass Leser sie ab und zu beiseite legen und im Kopf ihre eigenen Wege gehen, angeregt durch meine Arbeit, und dass sie dann angelegentlich weiterlesen. Dagegen will ich niemanden von etwas „überzeugen“, auch keine Botschaften verkünden. Indirekt tut man das natürlich doch, aber mir ist alles Missionarische und Aufdringliche ein Gräuel. Literatur, das ist eine alte Forderung, soll nichts behaupten, sondern es wirklich zeigen.
DIABOLO: Mit welchen Themen setzen Sie sich auseinander?
Schimmang: Vornehmlich mit den Entwicklungen seit der Nachkriegszeit in unserem Land, weniger auf einer explizit politischen Ebene – obwohl es auch die gibt – als vielmehr auf der Ebene des Alltagslebens und seiner Veränderungen. Wie sehen Städte heute aus im Gegensatz zu vor 40 Jahren, gibt es überhaupt noch so etwas wie ein Landleben, wie folgen Moden aufeinander, wie verändert sich die Sprache etc. etc. Das alles natürlich in einem größeren Kontext, auch geografisch. Ganz wichtig ist für mich die Thematik der Zwischenräume und der Niemandsländer, zentral der Prozess der Erinnerung. Wie funktioniert die, was kann sie leisten, wo betrügt sie uns? Zugleich reagiert Literatur, auch meine, immer auch auf Literatur. Man kann ja nicht so tun, als sei man der erste auf der Welt, der ein Buch schreibt. Wichtig ist aber vor allem dies: Man sucht sich seine Themen nicht aus, sondern der Prozess läuft umgekehrt. Das wusste schon Flaubert.
DIABOLO: Wo und wie arbeiten Sie?
Schimmang: An meinem Schreibtisch zu Hause, direkt am PC, nur Vorarbeiten und Notizen mache ich handschriftlich. Ich schaue auf einen schönen, nicht allzu engen Hinterhof und auf ein schmales Stück Parallelstraße, habe einen Ausschnitt der Welt und bin zugleich geschützt vor ihr. Da Schreiben, was die meisten nicht wissen, auch körperlich eine äußerst anstrengende Arbeit ist, gibt es im günstigsten Fall mehrere Arbeitsperioden am Tag, von denen aber kaum eine zwei Stunden übersteigt.
DIABOLO: Ihre kreative Eigen-Art?
Schimmang: Eigentlich müssten die Frage andere beantworten. Einigen wir uns auf die Charakteristik, die mein Kollege Klaus Modick für mich zu meinem 70. Geburtstag gefunden hat: „ … jene luftige Melange aus Melancholie und Lässigkeit, die bis heute seinen Stil prägen.“ Meine Protagonisten sind im Übrigen nicht sehr handlungsstark, sondern eher genaue Beobachter. Ich habe fürs Schreiben natürlich durch Lesen gelernt, fast ebenso viel aber auch im Kino.
DIABOLO: Ein Höhepunkt in Ihrer bisherigen Arbeit?
Schimmang: …war 2009 der Roman „Das Beste, was wir hatten“, meines Wissens bis heute das einzige literarische Zeugnis der „Wende“ aus westdeutscher Sicht.
DIABOLO: Ein aktuelles Projekt?
Schimmang: …ist die Arbeit an einem Erzählungsband mit dem Titel „Adorno wohnt hier nicht mehr“, der im Herbst erscheinen wird. Mehr ist dazu vorerst nicht zu sagen.
DIABOLO: Wo kann man Ihre Werke erleben?
Schimmang: Man kann sie natürlich in Buchläden kaufen oder in Bibliotheken ausleihen und zu Hause lesen. Wenn etwas Neues erscheint, gibt es in der Regel eine ganze Reihe von Lesungen. Meine Hörspiele gibt es nach Erstsendung oder Wiederholung eine ganze Weile in Mediatheken als Podcast.
DIABOLO: Was bedeutet Erfolg für Sie?
Schimmang: Der größte Erfolg ist es natürlich, Rückmeldungen von ganz normalen Lesern zu bekommen. Aber natürlich zählt auch der Erfolg bei der Literaturkritik und der Gewinn des einen oder anderen Literaturpreises, der es einem ermöglicht, eine Weile materiell abgesichert an etwas Neuem zu arbeiten. Das ist ja nicht der Normalzustand.
DIABOLO: Wie lebt es sich als Künstler in Oldenburg?
Schimmang: Als Schriftsteller lebt es sich jedenfalls sehr gut. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Arbeit des Oldenburger Literaturbüros, also von Monika Eden und Frank Möcklinghoff, die Stadt schon seit langem zu einem festen Ort auf der literarischen Landkarte gemacht hat, im Gegensatz etwa zum nahen Bremen. Von den zeitgenössischen deutschen Autorinnen und Autoren wissen bestimmt achtzig Prozent, wo Oldenburg liegt und kommen auch gern wieder, wenn sie einmal hier gelesen haben. Das liegt natürlich auch an der soziologischen Struktur der Stadt, in der es ja spürbar so etwas wie klassisches Bildungsbürgertum gibt.
DIABOLO: Ein Wunsch, ein Plan, eine Vision?
Schimmang: Bei der Arbeit immer näher an das herankommen, was man eigentlich erreichen will. Das ist ein unendlicher Annäherungsprozess, eine Arbeit von Zentimetern, durchaus mit Rückschlägen. Manchmal spürt man, dass man ganz nah dran ist.
Kontakt: j.schimmang@gmx.de
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