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Zeugin sein, wenn Unrecht geschieht27.02.2020



Text  | Britta Lübbers
Bild  |  © Andreas Labes

Sie war dort, wo es wehtut: in den Krisengebieten der Welt, von Afghanistan bis Gaza. Als Kriegsreporterin wollte sie jenen eine Stimme geben, die in der öffentlichen Wahrnehmung keine haben. Zugleich reflektierte sie stets auch ihre eigene Rolle. In ihren Texten und Buchveröffentlichungen bezieht sie klar Stellung für Humanität und gegen Ausgrenzung. Jetzt erhält die Journalistin, Autorin und Kolumnistin Carolin Emcke den Carl-von-Ossietzky-Preis 2020.
„Carolin Emcke mischt sich ein. Sie lässt sich nicht einschüchtern und tritt auf gegen Hetze, Rassismus, Antisemitismus und Hass“, schreibt die Jury in ihrer Begründung. „Sie engagiert sich nachdrücklich für Respekt und Vielfalt. Und sie steht, ganz im Sinne Carl von Ossietzkys, für die Notwendigkeit kritischer Debatten in einer Gesellschaft im Umbruch, die Orientierung sucht und gerade deshalb ihre Orientierung an Humanität, Vielfalt und Empathie nicht verlieren darf.“
Oberbürgermeister Jürgen Krogmann wird den Preis, der seit 1984 alle zwei Jahre von der Stadt Oldenburg vergeben wird, am 27. Mai im Rahmen eines Festakts verleihen.
Carolin Emcke wurde 1967 in Mühlheim/Ruhr geboren, studierte Philosophie, Politik und Geschichte in Harvard und Frankfurt, machte ihren Master bei Jürgen Habermas und begann ihre journalistische Laufbahn als Auslandsredakteurin beim Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Sie berichtete aus Krisen- und Kriegsgebieten, darunter Afghanistan, Kosovo, Irak, Pakistan und Gaza. Sie schrieb für die Wochenzeitung „Die Zeit“ und verfasst als freie Publizistin Essays, Reportagen und Kolumnen, u.a. für die Süddeutsche Zeitung, El Pais und Mediapart.
Ihr erster großer Bucherfolg war 2012 der ebenso persönliche wie analytische Text „Wie wir begehren“. Hier schildert Carolin Emcke das Suchen und die allmähliche Entdeckung des eigenen, anderen Begehrens. Sie erzählt von einem homosexuellen „Coming of Age“, von einer Jugend in den 1980er Jahren, in der über Sexualität kaum gesprochen wurde. Sie beschreibt die Lust der Erfüllung, aber auch die Ausgrenzung derer, deren Begehren nicht konform ist.
In „Gegen den Hass“ (2016) begibt sich Carolin Emcke auf eine Erkundungsreise durch die aufgeheizte Gegenwart, in der es sehr einfach geworden ist, Wut und Aggression loszuwerden: Ein Klick auf den „Gefällt mir nicht“-Knopf genügt. Für die Autorin fängt die Geschichte hier aber erst an. Sie möchte den Hass, der nicht nur online grassiert, verstehen. Sie fragt nach seinen Ursprüngen, Mechanismen und Ausprägungen und hinterfragt die Gewalt gegen Geflüchtete in Deutschland, gegen Schwarze in den USA, gegen Anders- und Nichtgläubige durch den selbsternannten Islamischen Staat. „Menschenrechte sind kein Nullsummenspiel. Niemand verliert seine Rechte, wenn sie allen zugesichert werden. Menschenrechte sind voraussetzungslos. Sie können und müssen nicht verdient werden“, sagt Carolin Emcke.
Für ihre Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Lessing-Preis des Freistaates Sachsen (2015), dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (2016) und dem Brückenpreis der Stadt Regensburg.
„Sie strahlt nicht nur vor natürlicher Coolness und Klugheit. Sie schreibt auch schöne Bücher“, meint Cicero-KolumnistDaniel Schreiber. „Aufklärung ist ihr Interesse. Und Zeuge sein, wenn Unrecht geschieht“, unterstreicht die Carl-von-Ossietzky-Preis-Jury. Ihre Entscheidung fiel einstimmig aus.

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