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Was ist Kultur noch wert?24.01.2024





Der Hamburger Kultclub Molotow ist erneut bedroht. 1990 gegründet, zählt das Molotow zu einer der wichtigsten Anlaufpunkte für alternative Kultur in der Stadt, wenn nicht sogar in der Republik, in dem unzählige Künstler*innen von heutiger internationaler Größe ihre ersten Bühnenerfahrungen sammelten. Im Jahr 2008 drohte durch schwindende Einnahmen die erste Schließung, die durch gewaltige Medienresonanz und finanzielle Unterstützung abgewendet werden konnte. Mit dem Abriss der Esso-Häuser, in denen sich der Club bis 2013 befand, folgte der zweite Schock und erst 2014 konnte ein neuer Platz am Nobistor, am westlichen Ende der Reeperbahn, gefunden werden. Doch auch dort wird seit einigen Jahren gebangt, denn natürlich ist die Lage für Investoren eine spannende. Seit wenigen Wochen nun die Gewissheit: das Molotow muss einem Hotelneubau weichen und Clubbetreiber Andi Schmidt steht vor einer ungewissen Zukunft. Es droht eine Massenkündigung, ein Umzug oder schlimmstenfalls die komplette Aufgabe des Ladens. Sowohl Kulturbehörde als auch der Kultursenator haben sich für die Erhaltung des Molotow ausgesprochen und bei einer Demo am Jahresende unter dem Motto „Molotow must stay“ haben sich tausende Menschen vor dem Laden zusammengefunden. Denn wer bucht am Ende ein Hotel, wenn es rundherum nichts zu erleben gibt?
Mit dem Abriss der Sternenbrücke an der Stresemannstraße musste im Dezember ein weiterer Hamburger Club seine Türen schließen. Die Astrastube, über die die S-Bahn im Minutentakt bretterte, ist vielleicht grundlegend nicht die beste Location für Konzerte gewesen, war das Rattern der Schienen im Laden doch unüberhörbar, trotzdem war sie ein fester, langjähriger Bestandteil der Szene mit einer fast 25-jährigen Geschichte. Ob und wie es weitergeht, weiß Betreiber Daniel Höötmann noch nicht, denn ein bezahlbares, neues Objekt zu finden, ist gerade in Hamburg schwierig. Aber nicht nur Hamburg hat zu kämpfen, auch in Niedersachsen sieht es düster aus. In der Hauptstadt Hannover wurde gerade dem Musikzentrum mit seinen 50 Angestellten für 2025 der Mietvertrag gekündigt, denn auch dort ist ein Immobilienfonds am Abriss und einem lukrativen Neubau interessiert. Molotow, Astrastube, Musikzentrum – es sind nur wenige Beispiele für ein voranschreitendes Kultursterben. Dabei ist nicht nur der umkämpfte Immobilienmarkt ein Problem, sondern auch die Nachfolgen der Pandemie und die aktuellen, zeitgeschichtlichen Umstände. Gerade Niedersachsen knausert bei der Förderung für Kultur. Laut Kulturfinanzbericht aus dem Jahr 2022 wurden im Jahr 2020 in den Flächenländern vom Staat etwa 127€ pro Einwohner*in für Kultur ausgegeben. Hier liegt der Wert nur bei ca. 85€. Der Verband Klubnetz bangt in diesem Jahr aber nicht nur um die Clubs, sondern auch um die Festivals, denn das Land hat im Haushalt für 2024 keine Gelder mehr für die Kulturförderung vorgesehen. Während 2023 noch 50 Millionen Euro als Ausfallversicherung für Festivals zur Verfügung standen, gibt es nun kaum noch Sicherheiten für Veranstaltende. Dass diese es auch im letzten Jahr schon schwer genug hatten, konnte man allein in Oldenburg an der Absage des Tabularaaza-Festivals und der Umstrukturierung des Aquanautik-Festivals sehen. Die reinen Aufhebungen der Pandemiemaßnahmen sind längst nicht mehr genug, um Planungssicherheiten wie vor 2020 zu gewährleisten, denn auch die ansteigenden Produktions- und Personalkosten sowie Personalmangel sind etwas, mit dem die Veranstaltenden zu kämpfen haben. Zwar gibt es ein Festivalförderprogramm vom Bund, doch die bisherigen Anträge haben bereits einen viel höheren Umfang, als die bereitgestellten 5 Millionen Euro. Für eine lebenswerte, bunte, vielseitige Gesellschaft ist eine lebendige Kunst- und Kulturszene unabdingbar, doch was ist Kunst und Kultur dem Bund und den Ländern wert?

Text und Fotos: Thea Drexhage

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