LzOLzO
OLDENBURG
Donnerstag

14

November

Foto:
Über den Dächern von Oldenburg

Hier geht es zu den aktuellen Ausgaben

Suche:

direkte Antwort ohne Umwege!

Kleinanzeigen

Aktuelles

Wochenzeitung DIABOLO:
Lichtblicke? Familienbetrieb Claßen und seine Gänse15.11.2018







Text und Foto  |  Joachim Mittelstaedt

Die Hofgeschichte beginnt im Jahre 1976, als Michael Claßen zusammen mit seiner Frau einen alten Resthof kaufte. Schnell kamen ein paar Schweine und Gänse dazu. Aus der Gänsegruppe wurden bald einige 100 Elterntiere. Sohn Johann-Michel  hat den Hof 2015 übernommen. Er lernte in kleinen Familienbetrieben die Landwirtschaft und schloss später ein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens für Lebensmittelproduktion und einen Master in Unternehmensführung in der Agrarwirtschaft an.
Aber der Reihe nach: 1991 wurde eine Schlachterei auf dem Hof gebaut. Da waren es rund 1500 Tiere, die in jedem Jahr deutschlandweit vermarktet wurden. Die Nachfrage nach den leckeren Gänsen stieg beständig, so dass auch die Herde wuchs. Heute sind es gut 10000 Weidegänse, die die Claßens in jedem Jahr aufziehen und schlachten. Die Kunden sind Feinkosthändler und Edelkaufhäuser. Spitzenrestaurants gehören ebenso dazu wie der Viktualienmarkt in München, die MS-Europa oder das Berliner KaDeWe. Jeden Tag beweisen die Züchter, dass artgerechte Tierhaltung auch bei großen Zahlen möglich ist. Statt, wie sonst zumeist üblich, nur 16 Wochen  leben die Claßen-Gänse bis zu 26 Wochen.
Die Zuchtsaison beginnt in jedem Frühjahr. Zwischen Februar und Juli legen etwa 500 Gänse ihre Eier, etwa 40 bis 50 pro Muttertier. Nach dem Schlüpfen kommen die Gänseküken in einen beheizten Aufzuchtstall. Schon bald ziehen die Tiere dann aber in einen halboffenen Stall mit ständigem Auslauf ins Freie um. Dort können die Gänse selbst entscheiden, ob sie sich, besonders im heißen Sommer, lieber tagsüber dank begrünter Dächer im kühleren Stall oder im Grünauslauf aufhalten wollen. Die Gründächer halten den Regen zurück und speichern ihn. Ein einfaches System zur Kühlung. Und eine tolle Blütenpracht für Bienen und andere Insekten und damit ganz nebenbei ein neuer Lebensraum. Logisch dass auf dem Gelände zahlreiche Bienenstöcke stehen. Auch Steinkäuze und Schleiereulen leben auf dem Hofgelände.
Rund sechs Tonnen Futter der hofeigenen Futtermischung fressen die Tiere am Tag. Die Mischung besteht zum größten Teil aus regional angebauten Komponenten, das meiste produzieren die Züchter auf ihren Feldern selbst. Es wird kein Soja für eine schnelle Mast eingesetzt, Gentechnik ist tabu. Stattdessen enthält das Futter Maissilage mit einem Mix aus Weizen, Hafer, Maiskörnern und Sonnenblumenschrot und einem Mineralfutter. Kalk aus Austernschalen sorgt für den Aufbau starker Knochen bei den Tieren. Das Futter steht den Gänsen den ganzen Tag über unbegrenzt zur Verfügung. Und die Tiere können sich in den großzügigen Außenflächen den einen oder anderen Leckerbissen holen. Gut 15 Hektar stehen dafür zur Verfügung. Auch zu den Außenflächen machen sich Vater und Sohn Claßen viele Gedanken. Seit 2016 gibt es beispielsweise für ihre Äcker ein Symbiose-Verfahren von Mais mit Mykorrhiza, eine Pflanze und ein Pilz. Das habe den Vorteil, dass man nicht mehr mit phosphathaltigem Dünger unterstützen muss, der Pilz löst Phosphor aus dem Erdreich, der Mais gibt Nährstoffe an den Pilz ab. Oder die Streuobstwiese, die schon vor Jahren in den Auslaufflächen der Gänse angelegt wurde. Wenn die Tiere in der Nähe im Herbst mal einen Apfel herunterfallen hören, laufen sie schnell zu diesem Platz, um ihn zu fressen. Das sind so Geschichten, die Vater und Sohn mit fast spitzbübischer Freude erzählen.
Grundlage der Äsungsflächen sind Mais und Sonnenblumen mit Untersaaten von Erbsen, Gras und Klee. Da finden die Gänse immer was. Oft legen die kräftigen Tiere auch ganze Maisstängel um, um an die begehrten Körner zu kommen. Stolz erzählt Michael Claßen, dass sich inzwischen eine Gruppe Stieglitze angesiedelt habe. Im dschungelgrünen Dickicht sind nicht nur die sondern auch die Gänse gut gegen Greifvögel geschützt.
Ab Oktober wird etwa zweimal pro Woche auf dem Hof geschlachtet, im Dezember dann täglich. Als Helfer kommen Aushilfskräfte aus der Nachbarschaft, manche seien schon seit 30 Jahren dabei. Die Tiere werden in kleinen Gruppen aus den Ställen zum Schlachthaus in unmittelbarer Nähe getrieben, müssen also nicht verladen werden. Natürlich sollen die Gänse möglichst stressarm sterben. Sie werden mit Strom betäubt, bevor ein Kehlschnitt angesetzt wird. Pro Stunde werden so etwa 70 Tiere getötet und verkaufsfertig gemacht. Auch das gehört dazu. Die Auslieferung übernehmen Kühlspeditionen. So können die leckeren Braten schon 48 Stunden nach der Schlachtung in den Geschäften liegen. „Frostware“, so Michael Claßen, „macht bei uns nur etwa ein Prozent der Verkäufe aus.“
Und dann ist da ja noch die Sache mit den Federn: Die Gänse werden nach der Tötung nicht mit Wasser abgebrüht sondern schonend in Wasserdampf erwärmt und dann von Hand gerupft. Das hat den Vorteil, dass die Federn und Daunen nicht, wie oft bei der maschinellen Rupfung, beschädigt und gebrochen werden. Etwa zwei Tonnen Rohfedern kommen im Jahr zusammen, pro Gans ungefähr 200 Gramm, davon 22 Prozent Daunen. Seit fast 30 Jahren arbeiten die Claßens mit dem Bettenhaus von Uwe Heinzen zusammen. Der verkauft dann in seinen Läden und auch im Onlineshop Betten, in denen man wunderbar träumen kann.
2012 gründet Johann-Michel Claßen zusammen mit einem alten Freund aus Jugendtagen, dem Fleischermeister und Betriebswirt Raimund Winter, auf dem Hof die Wurstwarenmanufaktur „Goosies“. Winter hatte bis dahin reichliche  Erfahrungen bei kleinen, handwerklich arbeitenden Fleischereien in der Umgebung gesammelt. Die Idee: Gänsebratwurst, hergestellt auf dem eigenen Hof. Aus handwerklicher Produktion und ohne Zusatzstoffe. Das Angebot an leckeren Produkten, inzwischen haben sie auch andere Geflügelsorten in ihr Programm aufgenommen, wird seitdem ständig weiterentwickelt. Durch die Herstellung von Wurst- und Fleischwaren kann auch bei zerlegten Gänsen nicht nur das beliebte Brustfleisch sondern das ganze Tier verarbeitet werden, Fleisch, das sonst oft ungenutzt bleibt, eine Ressourcenverschwendung.


Weitere Informationen über die Gänsezucht Claßen: Install 2, 49456 Bakum, www.classen-gaense.de, Goosies über: www.goosies.de

Kommentare

Keine Kommentare vorhanden.

Um hier Kommentare abgeben zu können müssen Sie sich erst Anmelden!

Benutzername:     Passwort:    

Wenn Sie Ihr Passwort vergessen haben oder Sie sich registrieren wollen Klicken Sie bitte hier.


Sonderseiten
EXB Handwerk
MoX-DIABOLO Ratgeber