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Porträt: Wiebke Hendeß, Peer Counselorin und Sexualberaterin14.01.2020



Das betrifft nicht nur die eigenen, privaten Projekte, sondern auch die Mitwirkung in anderen Institutionen, Vereinen und Veranstaltungen: „Ich baue viele Sachen auf. Lange Zeit waren viele Themen nicht besetzt, da es zu wenig Expert*innen in eigener Sache gab, insbesondere Menschen mit Behinderung, die wiederum Andere mit Beeinträchtigungen beraten. Das wollte ich ändern.“ Letzteres beschreibt den Ansatz des so genannten ‚Peer Counseling‘, den auch Wiebke Hendeß in ihrer Arbeit verfolgt. Dabei geht es in erster Linie darum, dass Berater*innen mit Behinderung wiederum behinderte Ratsuchende unterstützen, gemeinsam mit ihnen an Problemlösungen aber auch an ihrem Selbstwertgefühl  arbeiten. „Der Ansatz von Peer Counseling sowie mein persönlicher Ansatz sind, zu schauen, wen habe ich da eigentlich vor mir und was kann die Person? Was ist an Positivem vorhanden und was könnte verändert werden? Und zwar unabhängig von der Behinderung. Manchmal bringt die Behinderung auch Dinge mit sich, die man im Leben einbauen kann. Menschen haben viel mehr in der Hand, als sie oft vermuten.“
Wiebke Hendeß hat progressive Muskeldystrophie, die für einen fortschreitenden Muskelschwund sorgt. Um im Alltag mobil zu bleiben, nutzt sie einen Rollstuhl. Eine rein ausführende Assistenz unterstützt sie bei ihren Aufgaben in der Arbeit und im Privatleben. Zusammen mit ihrem Ehemann lebt sie in einem inklusiven alternativen Wohnprojekt, das sie selbst mit aufgebaut hat. „Des Weiteren gehe ich den mir möglichen Sportarten nach, betreibe Therapien und kümmere mich um meinen Körper. Ich reise und treffe mich gerne mit Leuten. Das bedarf natürlich auch viel Planung und Organisation. Grundsätzlich ist mein Alltag sehr bunt.“ Mit Blick auf ihre Vita wird uns eine Bandbreite an unterschiedlichen Tätigkeiten und Aufgaben gewahr. Neben ihrer Arbeit für das Oldenburger Studentenwerk, ist sie als Sexualberaterin tätig, gibt Workshops und Fortbildungen, hält Vorträge und initiiert kulturelle Veranstaltungen. Verbirgt sich dahinter ein  schier unerschöpfliches Arbeitspensum? „Ich bin schon ruhiger geworden, denn ich möchte mir mehr Freizeit ermöglichen. Immerhin benötige ich schon viel Zeit für meine Behinderung. Von daher muss ich mich entscheiden, wo ich meine Schwerpunkte setze. Inzwischen verfahre ich aber so, dass ich da, wo es nunmehr genug andere Leute gibt, die sich um die Sachen kümmern, rausgehe.“ Einer dieser von Wiebke Hendeß gesetzten Schwerpunkte ist das Thema Sexualität und Behinderung, dass in unserer Gesellschaft noch immer tabuisiert und ausgeblendet wird. „Die Verbindung von Sexualität und Behinderung findet als Thema noch zu wenig Beachtung. Wenn ich diesbezüglich Anfragen bekomme, nehme ich sie an. Wichtig ist mir, dass Behinderung nicht als Makel angesehen wird, sondern das sich betroffene Menschen auch als erotisch wahrnehmen und sagen können, ‚Ich bin schön so wie ich bin‘.“
Menschen mit Behinderung gehören zum gesellschaftlichen Bild dazu. Dafür möchte sich die Peer Counselorin weiterhin einsetzen. „Ich beziehe mich viel auf die Selbstbestimmt-Leben-Bewegung, einer politischen Behinderten-Bewegung, die ihre Wurzeln in den 1970er Jahren hat.“ Den Akteur*innen jener Bewegung ging und geht es vor allem um eine andere Sichtweise gegenüber beeinträchtigten Menschen und um eine gesellschaftliche Teilhabe sowie rechtliche Gleichstellung  „In der Gesellschaft wird Behinderung oft als Leid angesehen. Was das für die Betroffenen bedeutet, baue ich in meine Vorträge mit ein.“ Überdies möchte Wiebke Hendeß eines klarstellen: „Meine Behinderung ist nur ein kleiner Teil von mir. Es gibt ganz viele Eigenschaften, die ich noch Drumherum habe. Ich finde es wichtig, dass ich all das, was ich selbst beeinflussen kann, nutze. Das würde ich mir auch von anderen Menschen mit Beeinträchtigungen wünschen. Nutzt euer Potential!“  

 Text und Foto: Dana Hubrich

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