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Filme im Kino

MoX Kino-Tipps KW3925.09.2024













Texte: Horst E. Wegener
Megalopolis
USA ´24: R: Francis Ford Coppola. Ab 26.9. Wertung: ***** Bild: Le Pacte
Dass Star-Architekt Caesar Catilina (Driver) unbeirrbar an seine Vision einer finanziell realisierbaren Mega-City glaubt, in der die Menschen friedlich und in Einklang mit der Umwelt zusammenleben sollen, klingt nicht nur in den Ohren von Franklyn Cicero (Esposito) nach weltfremden Träumereien. Nach einer nicht näher beleuchteten Katastrophe, die die Stadt und ihre größtenteils verarmte Bevölkerung ins Chaos stürzte, favorisiert Cicero als langjähriger Bürgermeister von New Rome die bewährte Zusammenarbeit mit Catilinas Onkel, dem machtgeilen, sündreichen Baumagnaten Hamilton Crassus III (Voight), der im Gegensatz zum idealistisch veranlagten Neffen stets nur die eigene Profitmaximierung im Sinn hat. Derweil begeistert sich Ciceros Tochter Julia (Emmanuel) zum großen Ärger ihres Vaters für die kühnen Pläne Catilinas – und verliebt sich sogar in den Utopisten.  Hilft ihm dabei, allen Widrigkeiten zum Trotz sein Vorhaben für die darniederliegende Stadt anzugehen.
Seit den frühen 1980er-Jahren trägt Kino-workoholic Francis Ford Coppola  nun schon die Idee zu „Megalopolis“ mit sich herum. Um dieses Herzensprojekt nach seinen Vorstellungen realisieren zu können, hat der Meisterregisseur zuletzt sogar Teile seines kalifonischen Weinguts verpfändet. Die Idee des New Hollywood-Veteranen: Das Ende eines Imperiums am Beispiel einer düster-dekadenten SciFi-Version von New York aufzuzeigen und eine Analogie zum Untergang des Römischen Reichs zu ziehen. Wie gewohnt nutzt der unter anderem mit „Apocalypse Now“ weltberühmt gewordene Regie-Titan alte Tricks und neueste Technik, ohne sich an Hollywood-Standards und Erzählregeln zu halten, inszeniert er bilderwuchtig assoziativ, gezielt disziplinlos, schert sich keinen Deut um gängigen Publikumsgeschmack und punktet definitiv kinovisionär.
D: Adam Driver, Giancarlo Esposito, Nathalia Emmanuel, Jon Voight, Laurence Fishburne, Aubrey Plaza, Shia LaBeouf, Talia Shire, Jason Schwartzman, Dustin Hoffman.


Die Schule der magischen Tiere 3
Deutschland ´24: R: Sven Unterwaldt. Ab 26.9. Wertung: **** Bild: Leonine
Vergleiche zu Joanne K. Rowlings „Harry Potter“-Zyklus liegen auch bei den filmischen Adaptionen der populären Kinder- und Jugendbuchreihe von Margit Auer um „Die Schule der magischen Tiere“  durchaus auf der Hand: Schon allein, weil hier wie dort auf einen unterhaltsamen Mix geachtet wird, bei dem man mit Fantasy, Abenteuer, erwachsen werden-Herzschmerz-Romantik und sprachbegabten Tieren arbeitet, die mit charakterlich ähnlich tickenden Schülern zu Tandems vereint werden. Diesmal bringt Mortimer Morrison (Peschel) als Inhaber jener ganz und gar einzigartigen Pariser Tierhandlung zum Auftakt des neuen Abenteuers sowohl den eingebildeten Kater Karajan mit der biestigen Influencerin Helene (Pieske) als auch das vegan orientierte Krokodil Rick mit der Sportskanone Silas (Vorbach) in der Wintersteinschule zusammen – was Regisseur Sven Unterwaldt die Gelegenheit bietet, der Style-Queen Helene mehr Spielzeit zuzuschanzen als  in den vorherigen Filmen der Serie. Während ihr Mitschüler Silas bis über beide Ohren in die Zicke verknallt ist, was die Angebetete gleichwohl kalt lässt, hat Helenes schulische Kontrahentin Ida (Kronenberg) ein Lied getextet, mit dem die Klasse anlässlich des anstehenden jährlichen Waldtages gegen die geplante Abholzung zu vieler Bäume für einen Luxushotelbau  protestieren will. Das erste und zweite Abenteuer der Serie stand  Ende 2021 und ´22 als der jeweils besucherstärkste deutsche Kinofilm da; die Chancen für Teil drei stehen bestens. Neben den bekannten Gesichtern mischen auch neue Darsteller mit, darunter Christina Große, die als Klassenlehrerin Miss Mary Cornfield Nadja Uhl ersetzt, YouTuber Freshtorge, der als Helenes Agent mit von der Partie ist, und Energiebündel Meltem Kaptan als beherzte Museumsdirektorin. Dieses spielfreudige Ensemble sowie die mitreißenden Deutsch-Popsongs, eingebettet in zündende Musicalchoreografien verbinden sich mit der gelungenen Animation der magischen Tiere zu erstklassigem Unterhaltungskino mit Wow-Effekten.
D: Emilia Maier, Emilia Pieske, Leonard Conrads, Louis Sichrovsky, Luis Vorbach, Milan Peschel, Patricia Meeden, Christina Große, Meltem Kaptan, Justus von Dohnányi, Freshtorge.


Joker: Folie à Deux
USA ´24: R: Todd Phillips. Ab 3.10. Vorankündigung Bild: Warner Bros.
Nach den Verbrechen, die Arthur Fleck (Phoenix) als Joker begangen hat, wird der Brutalo in die Psychiatrische Anstalt von Gotham City eingewiesen. Dort soll er sich mit seiner Doppelidentität auseinandersetzen. In Arkham begegnet ihm Dr. Harleen Quinzel (Gaga), deren dunkles Ich als Harley Quinn zur idealen Ergänzung des Jokers wird. Neben seinen Gefühlen für die zwischen Harleen und Harley hin und her changierende Seelenverwandte entdeckt Arthur obendrein die Musik für sich, die schon immer in ihm schlummerte.
Nachdem Regisseur Todd Phillips und sein phänomenal schauspielernder Hauptdarsteller Joaquin Phoenix anno 2019 mit dem düsteren Schocker „Joker“ bei den Filmfestspielen von Venedig ihren von Kritikern und bald auch Kinogängern in aller Welt umjubelten Siegeszug antreten konnten, kehrte man nun mit einer Fortsetzung zur Biennale zurück. Der Titel der neuen Joker-Mär, Folie à Deux, bezeichnet im Französischen eine induzierte wahnhafte Störung, die zwei Personen gleichzeitig überkommt – was Lady Gaga und Joaquin Phoenix die Chance einräumt, sich leidenschaftlich der gemeinsamen Psychose hinzugeben, um die Endzeitmär mit Tanz und Gesang zu einem düsteren Musical umzubauen.
D: Joaquin Phoenix, Lady Gaga, Brendan Gleeson, Catherine Keener, Zazie Beetz, Leigh Gill, Sharon Washington.


Der wilde Roboter
USA ´24: R: Chris Sanders. Ab 3.10. Wertung: **** Bild: Dream Works Animation
Irgendwann in der Zukunft: Nach einem Schiffbruch strandet Arbeitsroboter Rozin 7134, kurz Roz, auf einer unbewohnten Insel. Zwar gibt es dort keine Menschen, denen er zu Diensten sein könnte, aber nachdem ihn die sich nähernden Tieren beim Begutachten in den Aufwachmodus versetzen, versucht sich der Roboter seiner Programmierung gemäß nützlich zu machen. Eine Aufgabe fällt ihm allerdings erst zu, als er in einem unbewachten Vogelnest ein Ei entdeckt, aus dem etwas schlüpft. Da das Gänseküken als erstes den Roboter sieht, betrachtet es ihn fortan als seine Mutter. Mit Hilfe des gleichermaßen gewitzten wie einsamen Fuchses Fink, mit dem sich Roz angefreundet hat, versucht der Roboter seiner Mutterrolle für Brightbill, wie man das Küken nennt, gerecht zu werden. Wobei es der Ersatzmutter schnell klar wird, dass angesichts der Wildnis rings umher, in der Mutter Natur Lebewesen größtenteils in Raubtiere oder Beute unterscheidet, dem Winzling das Meistern heikler sozialer Situationen vordringlich beigebracht werden muss. So geht es für den Gänserich neben dem Erlernen von Fressen, Schwimmen und Fliegen bald auch verstärkt darum, noch vor Beginn der Migrationssaison in einen Schwarm aufgenommen zu werden, mit dem Brightbill rechtzeitig vorm Kälteeinbruch  gen Süden entschwinden könnte. Während Roz immer tiefer in seiner Roboterseele kramen muss, um seinem Schützling das jeweils richtige Verhalten beizubringen, zieht uns neben der anrührenden Geschichte vor allem die visuell atemberaubend gemeisterte Animationstechnik tief ins Geschehen hinein, tippt der Film nahezu philosophische Themen an. Mit der bedenkenswerten Frage, ob Tiere oder Roboter die besseren Menschen sind, entlässt „Der wilde Roboter“ sein Publikum aus dem Dunkel des Kinos ins Hier und Jetzt  - und Regisseur Sanders offenbart seine Disney/Pixar-Sozialisation. Gelungen.  
Animationsfilm.


Memory
Mexiko/USA ´23: R: Michel Franco. Ab 3.10. Wertung: **** Bild: Teorema 2023
Neben der Arbeit in einer New Yorker Einrichtung für psychisch labile Menschen kümmert sich Sylvia (Chastain) liebevoll um ihre Teenagertochter. Versucht diese übervorsichtig von allen Erfahrungen fernzuhalten, die eine 15-Jährige im Sündenpfuhl New York aus der Bahn werfen könnten. Man ahnt schnell, dass dies wohl auf ein nie ganz bewältigtes Trauma der alleinerziehenden Mutter zurückgeht, das auch nachdem es der langjährigen Alkoholikerin irgendwann gelang, trocken zu werden, weiter in ihrer Psyche schlummert. Beziehungen zu einem Mann sind jedenfalls nichts für die schreckhafte Großstädterin. Als sie sich nach einem Highschool-Klassentreffen auf dem Heimweg von einem der Teilnehmer verfolgt fühlt, gelingt es Sylvia zwar, die Wohnung unbehelligt zu erreichen – ihr Verfolger harrt gleichwohl unbeeindruckt von der Überreaktion der Panik-Trude bis zum nächsten Morgen vorm Hauseingang aus. Der über Nacht fast Erfrorene heißt Saul (Sarsgaard) und kann sein Verhalten aufgrund einer beginnenden Demenzerkrankung kaum erklären. Gleichwohl lassen Sylvia und Sam in Bezug auf einander peu à peu Nähe zu, glauben sie durch eine große gemeinsame Verletzlichkeit zusammengeschweißt zu werden. Doch ihre in die Gänge kommende Liebesbeziehung bleibt höchst problematisch, solange sich Sylvia nicht ganz sicher sein kann, ob sie es bei Saul nicht mit einem ihrer Vergewaltiger aus der Schulzeit zu tun hat. Und natürlich kann sich der mutmaßliche Triebtäter krankheitsbedingt nicht erinnern.
Michel Franco, Filmemacher mit mexikanischen Wurzeln, handelt die heiklen Themen Missbrauch, Sucht und Demenz sensibel ab, inszeniert rätselhaft – und nimmt die psychischen Erkrankungen seines überragend schauspielernden Duos Chastain/Sarsgaard stets ernst, ohne sich in Rührseligkeiten zu verlieren. Man folgt der wendungsreich ausgeleuchteten Annäherung der beiden verlorenen Seelen, verliebt sich mit ihnen, leidet, hofft – die Chemie zwischen Regie, Darstellern und Publikum stimmt bis zuletzt.
D: Jessica Chastain, Peter Sarsgaard, Brooke Timber, Merritt Wever, Elsie Fisher, Jessica Harper, Josh Charles.


Architecton
Frankreich/Deutschland/USA ´24: R: Victor Kossakovsky. Ab 3.10. Wertung: ***** Bild: Neue Visionen Filmverleih
Wenn man sich antike Tempel, uralte Kirchen, Moscheen, Schlösser oder Museen in aller Welt betrachtet, deren Proportionen einem auch heute noch ideal vorkommen, erscheint uns die Frage des Dokumentarfilmers Victor Kossakovsky in „Architecton“ allemal berechtigt: „Warum können wir nicht mehr so bauen?“, will der Russe vom Architekt Michele De Lucchi wissen. Doch der Italiener – als Visionär eher auf Beton, Stahl und Glas als aufs Arbeiten mit Stein, Holz und Lehm spezialisiert – bleibt dem Fragenden eine Antwort schuldig und blickt lieber melancholisch drein.Es bleibt ein bekanntes Phänomen: Während selbst viele Prachtaltbauten aus dem vergangenen Jahrhundert noch in unser aller Gegenwart bestaunt oder sogar bewohnt werden können, ist modernen Gebäuden oft nur eine Lebensdauer von 40 bis 50 Jahren beschieden, bevor man sie wieder abreißt. Letzteres wirkt sich umso problematischer aus, solange in der Neuzeit Bauherren und Architekten bevorzugt auf Beton zugreifen. Da aber gerade dieser Baustoff wegen seiner miserablen energetischen, Material-, Klima- und CO2-Bilanz stark ins Gerede gekommen ist, und man allein schon für seine Herstellung irrsinnig viel Wasser benötigt, kann Beton zu Recht als Teil der Verwüstung unserer Lebensumwelt gewertet werden. Es läuft auf die Frage aller Fragen hinaus: Wie wollen wir zukünftig leben und wohnen – angesichts von Ressourcenknappheit und einer Weltbevölkerung von neun Milliarden Menschen? Dokufilmer Kossakovsky, Absolvent des Jahrgangs 1988 an der Moskauer Filmhochschule, gelingt in Zusammenarbeit mit seinem Kameramann Ben Bernhard und Evgueni Galperine, dem Komponisten der Filmmusik für „Architecton“ eine überwältigend bilderwuchtige Symphonie, die man zur Meditation über Architektur verdichtet. Die Machart weckt Erinnerungen an Godfrey Reggios filmisches Überlebens-Requiem „Koyaanisqatsi“, liefert Denkanstöße für eine Neubewertung des modernen Bauens. Ein äußerst empfehlenswerter Film - nicht nur für Architekten und Bauherren.
Doku.

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