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Engagierte Klimaschutz-Musik09.12.2022



Text: Horst E. Wegener Foto: privat

Rund einhundert Kilometer vom Nordpol entfernt durfte Kaiser Feldforschung für seine im Entstehen begriffene Zweite Sinfonie betreiben, die der Komponist den Auswirkungen des Klimawandels auf die bedrohte Polregion widmen wollte. Akribisch fotografierte er, machte sich vor Ort Notizen und sammelte Geräusche. Nach Deutschland heimkehrend konnte der Wahlberliner dann fürs Feilen am neuen Werk auf ein beeindruckendes Tonarchiv zurückgreifen, darunter Aufnahmen, die beim Gehen über ein Schneefeld entstehen bis hin zu Unterwasserhörproben von den Geräuschen, die ein schmelzender Eisberg produziert. Und kaum hatte Kaiser den letzten Akkord zu seiner „White. Vanishing“-Sinfonie ersonnen, bot wo die Komposition dem kürzlich vollzogenen Beitritt des Oldenburgischen Staatstheaters zum Verein Orchester des Wandels gewissermaßen das musikalische Sahnehäubchen aufsetzen durfte. sich ein Uraufführungstermin in Oldenburg an,
Ziel des deutschlandweit aktiven Vereins Orchester des Wandels ist es, sich neue Akzente zu mehr Nachhaltigkeit im Klassikbetrieb zu überlegen und das teils arg träge Musikbeamtentum zum Umdenken zu bewegen. Immerhin gibt es nach wie vor zu viele Star-Dirigenten, Solisten und Orchester, die als ausgesprochene Vielflieger unentwegt durch die Weltgeschichte touren, um mal mehr, mal weniger wichtige Festivaltermine wahrzunehmen – ohne auch nur einen Gedanken darauf zu verschwenden, wie sie den Ausstoß ihres CO2-Fußabdrucks minimieren könnten. Ins Leben gerufen wurde der Verein Orchester des Wandels anno 2010 von Markus Bruggaier, Hornist der Staatskapelle Berlin, als Ergänzung zur seinerzeit bereits bestehenden Stiftung NaturTon. Zu den Gründungsmitgliedern des Vereins zählten neben den Berlinern auch die Bremer Philharmoniker sowie weitere Berufsorchester wie das Staatsorchester Braunschweig, das Beethoven Orchester Bonn und das Frankfurter Opern- und Museumsorchester. Ende 2021 waren 31 Mitgliedsorchester und zahlreiche Einzelmitglieder mit von der Partie, als neuesten Zugang konnte man jetzt kürzlich die Oldenburger ins Boot holen.
Verständigt haben sich die Mitglieder auf einen Mindestjahresbeitrag von 1000 Euro und die Verpflichtung auf zehn Jahre Mitgliedschaft – Einnahmen, die dazu verwendet werden, etwa ein Aufforstungsprojekt in Madagaskar anzuschieben. Der dort ins Auge gefasste Masoala-Nationalpark an der Nordostküste der Insel zählt zu den fünf Gebieten mit dem weltweit größten Artenreichtum. Illegaler Holzabbau, Brandrodung und daraus resultierende unkontrollierbare Feuer führten dazu, dass die Bestände an Edelhölzern binnen weniger Jahre zu 90 Prozent vernichtet waren. Wer weiß, dass aus Palisander und Ebenholz Griffbretter und Wirbel für Streichinstrumente hergestellt werden, begreift den Gewinn von Aufforstungsmaßnahmen in Madagaskar für hiesige Instrumentenbauer und Musiker, die umso mehr Sinn machen, wenn man die Bevölkerung vor Ort ins Umsorgen der zwischenzeitlich neu gepflanzten 140.000 Bäume einbindet. Immerhin sichert ihnen das Ziehen, Anpflanzen und Bewässern neuer Setzlinge einen Job.
Neben solchen Aktionen suchen Orchester des Wandels-Mitglieder längst auch hierzulande nach Optimierungsmöglichkeiten. Während die Bundeskulturstiftung kürzlich ein Pilotprojekt initiieren mochte, bei dem man mit digitalen Noten statt Printexemplaren arbeitet, auf regionales Catering und eine effiziente Dienstplanung achtet, die unnötigen Fahrten einen Riegel vorschiebt, helfen selbst solche Kleinigkeiten im Orchesteralltag Emissionen zu verringern. Wer bei einem Konzertveranstalter wie Leander Hotaki nachfragt, wird zu hören bekommen, dass dessen Albert-Konzerte in Freiburg und Hörtnagel-Veranstaltungen in Nürnberg bereits in der Saison 2019/20 zu gut einem Drittel klimaneutral durchgeführt wurden und man mittelfristig 100 Prozent Klimaneutralität anstrebt. Internationale Spitzenorchester wird Hotaki weiterhin im Programm haben, trotz An- und Abreise per Flugzeug; aber im mittleren Preissegment werde auch der CO2-Fußabdruck des zu buchenden Orchesters zusehends mehr eine Rolle spielen. Um diesen zu ermitteln, arbeitet Hotaki mit der Hamburger Klimaschutzagentur Arktik zusammen.
Da sich der Orchester des Wandels-Verein als basisdemokratische Graswurzelbewegung versteht, kann man gespannt sein, welchen Input die Musiker des Oldenburgischen Staatsorchesters künftig ins Konzept einbringen wollen. Ergänzt wurde Daniel Michael Kaisers Uraufführungskonzert im November 2022 musikalisch durch Werke von Ernst Rudorff, einem Pionier der Naturschutzbewegung, Tôru Takemitsus „Rain Tree“-Projekt sowie Ralph Vaughan Williams´ „Sinfonia Antartica“ zum einen, einer Lesung aus Kaisers Buch zur Reise und dessen Fotos von der Polregion, die ergänzend zu Fotografien der ungarischen Star-Fotografin Ester Horvath zum selben Thema übers Konzert hinaus im Großen Haus des Oldenburger Staatstheaters bei freiem Eintritt bis auf weiteres zu begutachten sind.

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