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Es ist düster im Independent Kino19.09.2022
Text und Foto: Thea Drexhage
In diesem Jahr gewann das irische Gesellschaftsdrama „The Black Guelph“ von Regisseur John Connors, welcher in Oldenburg Weltpremiere gefeiert hat. Damit fiel die Wahl der Gäste auf den wohl massentauglichsten Film der Reihe, welcher, trotz seiner schweren Thematik, durch eine gefällige Erzählweise bestochen hat. „The Black Guelph“ handelt von Drogendealer und Familienvater Canto, gespielt von Graham Early, welcher auch den Seymour Cassel Award für die beste männliche Hauptrolle gewann, gefangen in einer Abwärtsspirale. So möchte er sich aus alten Strukturen lösen, um seine zerbrechende Beziehung zu seiner Partnerin und seinem Kind zu retten und gerät dabei immer mehr in Konflikt mit korrupten Polizisten und der Beziehung zu seinem eigenen Vater. Dieser, wahnsinnig überzeugend gespielt von Paul Roe, hat mit seinen eigenen Problemen und dem Kampf gegen mächtige Institutionen zu tun, ist er in seiner Kindheit Opfer von Missbrauch durch die katholische Kirche gewesen. Die Anprangerung dieser Zustände sorgte unter anderem dafür, dass das Team keine Unterstützung vom Land selbst erfahren habe. Umso mehr freute sich Connors über den Award, der nun auch in der Heimat zeigt, welche Chance Irland an dieser Stelle verpasst hat. Trotz bedrückender Inhalte kratzt „The Black Guelph“ nur an der Oberfläche dieser strukturellen Probleme und sorgt für ein kurzweiliges Kinoerlebnis, welches vor allem durch die gute Auswahl an Schauspieler*innen und spannend entwickelte Charaktere überzeugen kann, dessen Inhalt jedoch auch von einer drastischeren Darstellung hätte profitieren können. Wie zum Beispiel bei „Parsley“, dessen Hauptdarstellerin Cyndie Lundy unter Tränen den Seymour Cassel Award für die beste weibliche Hauptrolle gewann. „Parsley“ handelt vom Genozid der haitianischen Bevölkerung 1937 in der Dominikanischen Republik und fesselt die Zuschauer*innen von der ersten Sekunde durch eine schonungslose Darstellung eines unfassbaren Verbrechens durch ein rassistisches Regime, von welchem hier im Westen nur die wenigsten Menschen überhaupt wissen. Im Film kämpft die schwangere Marie um das Überleben ihrer Familie und ihres ungeborenen Babies, als ihr Dorf plötzlich in der Nacht von berittenen Soldaten überfallen wird, welche, ohne zu zögern alle Menschen haitianischer Herkunft gefangen nehmen oder auf der Stelle ermorden. Um herauszufinden, welcher Herkunft die gefangen genommenen Personen entstammen, sollen sie das Wort „Parsley“ (dt. Petersilie) sagen, welches sich im Akzent unterscheidet. Es sind Bilder, die gerade hier in Deutschland an das eigene dunkle Kapitel der Geschichte erinnern lassen. Es ist ein packender Film, welcher die Gäste von der ersten Sekunde durch Spannung und unvorhersehbare Wendungen an die Kinositze fesselt. In der anschließenden Fragerunde berichtet Schauspielerin Cyndie Lundi, welche ebenfalls eine in der Dominikanischen Republik lebende Haitianerin ist, emotional davon, dass sogar viele Menschen vor Ort nichts von diesem Kapitel der Geschichte wissen, oder nicht bereit sind, sich aktiv mit der Aufarbeitung dieser Gräueltaten zu befassen. Dieser Film solle auch dazu dienen, den Dialog zu eröffnen.
Gegen diese beiden schweren Filme aus dem Ausland stellt sich unter anderem die Berliner Produktion „Junk Space Berlin“, in welcher ein Theaterkollektiv den Sprung auf die Kinoleinwand wagt, und sich auf verschrobene Weise mit der Berliner Clubszene während der Pandemie beschäftigt. Eine Low-Budget Produktion, die sich während des Lockdowns an einem Mindfuck-Film versuchte, dessen Idee eine ganz spannende ist, aber dessen Umsetzung oft an holprig-holzigen Dialogen und dem manchmal zu offensichtlichen DIY-Charakter scheiterte und es nicht gänzlich schaffte, das Publikum in seinen Bann zu ziehen.
Der Tenor der 2022 ausgewählten Filme ist insgesamt recht ernst und düster. Geprägt von den Ereignissen der vergangenen beiden Jahre scheinen Filmemacher*innen nichts mehr zu lachen zu haben. Dystopien, Horror und Dramen schaffen es dabei 2022 nicht immer, die Kinosäle komplett oder gar halb zu füllen. Vielleicht liegt dies an der allgemeinen Zurückhaltung in der Veranstaltungsbranche, oder die Menschen haben in dieser Zeit einfach genug von bedrückenden Geschichten. Dennoch lohnt es sich, viele der Filme, die in Oldenburg Premiere feierten, im Auge zu behalten, denn düster hin oder her, auch in diesem Jahr haben die Festivalmacher wieder ein Händchen für die Auswahl ungewöhnlicher Streifen bewiesen.
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