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Stillstand? Nein, danke.30.05.2023



Interview und Foto: Thea Drexhage

MoX: Wie hast du die letzten drei Jahre erlebt?
Jan Thie: Es war ein Auf und Ab. Ich bin seit 1999 in der Gastronomie, seit zehn Jahren im Amadeus als Betriebsleitung, DJ und Veranstalter und seit Anfang des Jahres Geschäftsführer. Das Gute war, dass das Amadeus im Vorfeld gut gewirtschaftet hat und die Zahlen stimmten. Wir hatten also finanziell erstmal keine Probleme in die Pandemie zu gehen, aber psychisch war da natürlich dieses: „Krass, jetzt ist zu“. Stillstand und die Frage, was wir damit machen sollen. Mit den Hilfen, die es gab, haben wir das Amadeus, das jetzt im 35 Jahr ist, fit gemacht und für die Coronaauflagen gerüstet. Wir haben direkt gesagt, dass wir den Laden nicht einfach so lassen wollen, sondern, dass wir uns darin bewegen wollen, reparieren und verschönern – Dinge, die sonst im Tagesgeschäft gar nicht möglich sind. Mit den Livestreams konnten wir weiterhin Kontakt zu den Leuten halten, die mit dem Ama verbandelt waren. Als es Möglichkeiten gab wieder zu öffnen, wenn auch mit Einschränkungen, waren die Leute sofort wieder da.
MoX: Und dann kam Einfach Kultur…
Jan Thie: Ich kann nicht wirklich stillsitzen. Mit Jannik Kirchner habe ich jemanden kennengelernt, mit dem ich sehr gut Gedankenpingpong spielen kann. Wir kannten uns vom Sehen, aber dann haben wir uns mal klassisch auf einen Schnaps und Bier getroffen und es sprudelten die Ideen. Er wollte was in Oldenburg bewegen. In der Coronaphase konnten wir uns präzise Strukturen ausmalen und überlegen: Wo soll es hingehen? Was für Leute kennen wir? Und daraus ist „Einfach Kultur“ entstanden, ein Zusammenschluss vieler kreativer Menschen aus verschiedenen Branchen. Sitzkonzerte haben super funktioniert. Wir waren sehr präsent in der Zeit, weil nicht viele unter diesen Umständen die Power hatten, sowas zu machen. Im zweiten Jahr haben wir noch mehr Kulturschaffende miteingebunden. Die Klappstuhltage sind entstanden, die auch gut funktioniert haben. Dieses Jahr wollen wir infrastrukturell etwas besser arbeiten und sind weg vom Hinterhof und positionieren uns draußen im Gleispark und indoor im Amadeus und der Umbaubar. Einfach Kultur war ein riesiger Bürokratieakt, durch den wir uns gut im Kollektiv durchgewuselt haben. Kultur kostet Geld und wir wollten, dass alle diese genießen können. Gäste, und auch die Künstler*innen, die sonst kaum Auftritts- und Einnahmemöglichkeiten hatten. Wir wollten einen Mehrwert für Oldenburg schaffen. Mit Fatoni, Maeckes oder Blond waren Acts hier, die sonst nicht nach Oldenburg gekommen wären, sondern nach Bremen, Hamburg, Osnabrück… Und es gab ein paar Geheimtipps. Selbst, wenn dann nur 40 Leute da waren, haben diese Feedback gegeben wie 400. Das war wirtschaftlich nicht immer gut, aber es geht ja nicht nur um das Finanzielle, sondern darum, dass das, was wir in dieser Reihe versprochen hatten, stattfinden sollte. Es gab also keine Absagen, sondern wir haben durchgezogen und daher gibt es auch dieses Jahr wieder ein Einfach Kultur Festival, wenn man es Festival nennen mag. Klar sind wir kein Deichbrand oder Hurricane, sondern klein und fein. Wenn es hier größere Räume für Kultur geben würde - das ist hier ein Ball an die Stadt - dann bitte aufmachen.
MoX: Ihr habt es ja mit dem Aquanautik versucht. Woran ist es gescheitert?
Jan Thie: Am Ende ist es an den Produktionskosten, die zu dem Zeitpunkt explodiert sind, gescheitert. Wir haben gut gebucht und dann kamen Umwelteinflüsse, gegen die wir nichts machen konnten. Es gab kein Material. Unternehmen, die uns ein halbes Jahr vorher Summe X genannt haben, haben als es dann soweit war, 100% aufgeschlagen. Wir waren zwar mit dem Line Up stark, aber die Ticketverkäufe waren nicht da. Das gab es auch anderswo. In dieser Zeit war alles sehr schwammig und viele Mensch[font=Bembo] [/font]waren genervt, weil man nicht wusste, was man nun darf und was nicht. Da haben wir die Reißleine gezogen. Im Jahr davor war es Low-Budget und das hat gut funktioniert. In dieser Zeit war es wirtschaftlich nicht machbar, so ein Riesending aufzuziehen. Das Konzept steht, ob wir es noch einmal machen werden, weiß ich nicht. Das muss infrastrukturtechnisch anders aufgezogen werden und jetzt liegt der Fokus auf Einfach Kultur, dem Gleispark und anderen Eventreihen.
MoX: Wie sieht es denn im Gleispark aus?
Jan Thie:  Wir waren gut am Rumwirbeln. Jannik Kirchner, Jan Frerichs und Bernd Feeken haben in den letzten Monaten bei Wind und Wetter unglaublich viel gewerkelt. Die sind handwerklich wahnsinnig geschickt. Ich bin da dann eher der, der im Hintergrund arbeitet. Wir hatten ein paar Auflagen darüber, was wir verändern und ein paar Anträge, die wir abwarten mussten. Am ersten Mai wollten wir eigentlich öffnen. Im Dialog mit den Ämtern werden wir hoffentlich Pfingsten öffnen können und die Sommersaison ordentlich bespielen. Eine neue Gastro gibt es auch.
MoX: Die Oldenburger*innen warten…
Jan Thie: Wir sind im letzten Jahr mit dem Gleispark und dann auch mit Frau Gunstmann so präsent gewesen, dass wir ein Monster geschaffen haben. Eckkneipe ist wieder en vogue. Nach einem Jahr in der Wallstraße haben wir uns sehr gut etabliert und begrüßen stetig ein buntes, diverses Publikum. Im Gleispark genau das Gleiche. Dort haben wir uns jetzt für 8 Jahre einquartiert und werden viel Bambule machen!
MoX: Während der Pandemie nahm die Solidarität zwischen Veranstaltenden endlich zu. Ist davon noch was zu merken?
Jan Thie:  Klar gibt es noch Verbindungen, aber jeder entwickelt nun seine eigenen Ideen weiter. Wenn es Fragen oder neue Ideen gibt, kommt man noch zusammen. Es kehrt niemand mehr nur vor seiner eigenen Haustür, sondern man geht schon mehr aufeinander zu und führt Freundschaften fort. Und wir, Umbaubar, Gleispark und Amadeus sind immer für Leute offen, die Bock haben, was zu machen.
MoX: Und wie sieht es aktuell mit Förderungen von Stadt, Land und Bund aus?
Jan Thie: Es gibt vom Land und Bund noch immer Förderungen, gab es vorher ja auch schon, aber das wurde während Corona natürlich präsenter. Wie viele das aktuell noch abrufen, weiß ich nicht. Wir versuchen es immer mal wieder. Von der Stadt gibt es auch Förderungen. Mit Einfach Kultur sind wir nicht dabei. Wir haben etwas beantragt, aber wurden abgelehnt, was wir schade finden. Es geht ja nicht darum, einfach Geld zu kassieren und zu verbraten, sondern mit Geldern, die wir von der Stadt kriegen könnten, zielgerecht etwas sichtbar in der Stadt zu machen.  Eine konstante, engere und noch transparentere Zusammenarbeit wäre wirklich schön, auch für andere und neue Akteure.  Ich finde die Stadt hat einen Auftrag und sollte Leute, auch wenn ein Konzept noch nicht ganz rund ist, an die Hand zu nehmen und helfen. Das würde ich geil finden, denn somit würde hier kulturell viel mehr passieren und sich dauerhaft etablieren.


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