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Gemalte Delikatessen: „Götter & Helden“ im Augusteum Oldenburg13.11.2019



TEXT  | BRITTA LÜBBERS

Sie hatten viel Menschliches an sich, die Götter der Antike, die Barock-Stars waren. Sie liebten und litten, sie raubten, mordeten und begehrten ihres nächsten Weib. In der Ausstellung „Götter und Helden feat. Michael Ramsauer“ präsentiert das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte den prachtvollen Kosmos einer durchaus auch umstrittenen Epoche. Und belässt es nicht dabei. Denn die gleichfalls opulenten Werke des Oldenburger Malers Ramsauer bilden kongenial die Brücke zur Gegenwart. Alte Meister treffen auf einen neuen Kollegen. Das Ergebnis überzeugt.

Am Barock scheiden sich die Geister, weiß Kuratorin Dr. Anna Heinze. Manche lieben ihn, andere sagen: Das ist mir zu schwülstig, zu überladen, zu dick aufgetragen. Das respektiere sie, überzeugen wolle sie niemanden. Aber ein kleines bisschen vielleicht dann doch. Denn beim Presse-Rundgang wird deutlich, wieviel Herzblut die Kunsthistorikerin in dieses Projekt gesteckt hat. Und nicht nur sie ist begeistert vom Ergebnis. „Ich beglückwünsche Sie zu dieser phantastischen Ausstellung“, erklärt Dr. Kathrin Höltge vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur und outet sich gleichfalls als Freundin barocker Malerei. „Es gibt verwirrende Ansichten zu bestaunen, viel Fleisch und Haut.“ Höltge verweist darauf, dass die ausladenden Bilder ursprünglich nicht für Museen gedacht waren. Sie hingen in Villen und Palästen, in Schlössern und Wohnzimmern – die kulturelle Visitenkarte einer reichen Klientel. Die Werke hatten repräsentativen Charakter, sollten aber auch unterhalten und erziehen. Es standen hehre Werte hinter dem Gezeigten, menschliche Hybris wurde bestraft, Tugendhaftigkeit belohnt. „Jetzt könnte man denken: Das ist weit weg, der Barock hat mit uns nichts zu tun“, wendet Höltje ein. „Aber das stimmt nicht.“ Denn die auf den Gemälden verhandelten Themen – Krieg und Frieden, Schuld und Sühne, Begehren und Vergebung – seien zeitlos und universell. Das zeige auch Michael Ramsauer, der in seinen Bildern dieselben Inhalte darstellt – nur eben zeitgenössisch.
Auch Museumsleiter Prof. Dr. Rainer Stamm ist überaus angetan von der Umsetzung des Konzepts. „Und wieder habe ich das Gefühl, dass dieser Raum so schön aussieht wie nie zuvor“, freut sich Stamm und deutet ins Dämmerlicht. Es ist dunkel in den Sälen, die meist großformatigen Bildwerke jedoch sind effektvoll ausgeleuchtet, fast scheint es, als strahlten sie von innen. Ausgestellt sind rund 30 Gemälde aus dem Bestand des Landesmuseums sowie Leihgaben anderer Museen. Gezeigt werden u.a. Werke von Peter Paul Rubens, Jan Steen und Alessandro Varotari. Eigens für die Schau hat Michael Ramsauer eine Reihe neuer, farbintensiver Arbeiten gefertigt, die erstmals zu sehen sind – „es sind gemalte Delikatessen, anders und doch gleich“, lobt Stamm.
Höhepunkt der üppigen Pracht ist das Gemälde „Der gefesselte Prometheus“ aus der Rubens-Werkstatt, das eine ganze Wand einnimmt. Das Werk gehörte bis 1919 zur Großherzoglichen Gemäldegalerie und ist seit 100 Jahren erstmals wieder in Oldenburg zu sehen. „Das bewegt mich außerordentlich“, bekennt Stamm. Nach dem Verkauf eines Teils der Sammlung durch den zur Abdankung gezwungenen Großherzog ist das Bild heute in Privatbesitz. Er wünsche sich, die Ausleihdauer „im Idealfall bis ins Extreme zu verlängern“, so der Museumsdirektor.
Es ist eine eigentlich barbarische Szene, die hier in Übergröße präsentiert wird. Der nackte Prometheus hat seinen durchtrainierten Körper zur Seite gedreht. Er ist in Ungnade gefallen, und seine Strafe ist unendlich. Jeden Tag aufs Neue reißt ihm ein Adler die täglich nachwachsende Leber aus dem Bauch. Und so windet sich der Titan, der den Menschen das Feuer brachte, und erträgt zugleich in Würde, was ihn quält. Diesen Widerspruch in Szene zu setzen, das ist – hier stimmt der Ausdruck – genial. „In Zeiten von Instagram wollen wir eine Schule des Sehens anbieten“, unterstreicht Anna Heinze.
Und es gibt viel, viel zu sehen. Die Fruchtbarkeitsgöttin Demeter (Namensgeberin gleichnamiger Bio-Produkte) kommt nieder auf der Weltkugel (größer geht es nicht), Glaukos raubt Skylla (ein früher Verweis auf die #Me Too-Debatte) und Salmacis lauert dem badenden Hermaphroditos auf (eine Gender-Darstellung des 17. Jahrhunderts). Für alle, die mythologisch nicht bewandert sind: Es gibt zu jedem Bild eine kurze Einführung.
Die braucht es aber gar nicht, wenn der Blick auf Ramsauers fast überirdisch strahlendes Gemälde „Amazonenschlacht“ fällt. In Rot und Gold getaucht treten zwei Heere gegeneinander an. Wer siegen wird? Wahrscheinlich die mutigen, männermordenden Damen, die sich der Legende nach eine Brust amputierten, um die Bogenwaffe besser halten zu können. Das verbrannte Troja hat Ramsauer gemalt – ein düsteres Bild in blauen Aschetönen. Es könnte auch das zerstörte Dresden sein, das verkohlte Coventry, das zerbombte Aleppo – Vergangenheit, die nicht vergeht.
Begleitet wird die hervorragend komponierte Schau von einem vielfältigen Begleitprogramm aus Lesungen, Konzerten, Filmen und Diskussionsrunden, darunter Barockkantaten und der Filmklassiker „Der Himmel über Berlin“. Denn die barocke Erzählung des Engels unter den Menschen ist gleichfalls eine Metapher, die in jeder Zeit funktioniert.  

Götter & Helden
Mythologische Malerei
im Barock und heute
feat. Michael Ramsauer
9. November bis 2. Februar
im Augusteum

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