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Der Untergang der Titanic“ von Hans Magnus Enzensberger
Vorgestellt von Jochen Schimmang, Autor und Literaturkritiker09.11.2022



Interview und Foto: Thea Drexhage


[font=Bembo]Davon handelt dieses Werk, das rein formal eigentlich eine Abfolge von Gedichten und Gesängen ist. Die Form variiert dabei sehr stark, wodurch es nicht langweilig wird. Enzensberger schreibt dabei nicht nur eine Masche durch, sondern man merkt sehr gut, dass man es mit einem sehr guten Schriftsteller zu tun hat. Eine eigentliche Handlung kann man in diesem Sinne nicht beschreiben, aber die Eröffnung legt das Grundthema gut fest und zeigt die Bedrohung, die sich langsam nähert: „Einer horcht. Er wartet. Er hält den Atem an, ganz in der Nähe, hier. Er sagt: Der da spricht, das bin ich. Nie wieder, sagt er, wird es so ruhig sein, so trocken und warm wie jetzt.“ Es ist eine Abfolge von Szenen, von Bildern, die sich langsam entfaltet, von der Ankunft auf dem Schiff und dem Querschnitt durch die Schichten. Parallel dazu erzählt der Autor, wie er Ende der 60er Jahre auf Kuba war und grauenhaft enttäuscht wurde in seinen Illusionen und wie er all diese verloren hat. Das Buch ist 1978 erschienen und war damals ein Einschnitt in der westdeutschen Literatur, weil es in den Jahren davor doch sehr viel agit-pop Literatur gab, was nicht alles schlecht war, aber oft war die Botschaft wichtiger als Form und Sprache. Hier bei Enzensberger hingegen entwickelt sich alles aus der Sprache.[/font][font=Bembo] [/font]
MoX: Was hat Ihnen besonders gut gefallen?
Jochen Schimmang: Das man es immer wieder lesen kann. Die Bedeutung, die Bücher für einen haben, hängt ja stark davon ab, welche man eventuell wieder liest oder welche man wenigstens ab und zu in die Hand nimmt. Dann gibt es ja Bücher, die man gern gelesen hat, aber nie wieder in die Hand nimmt. Das sind die, die man ab und zu aussortieren muss. Ich muss das zumindest. „Der Untergang der Titanic“ gehört zu den Büchern, die ich in großen Abständen immer wieder lese.
MoX: Wie haben Sie das Buch gelesen?
Jochen Schimmang: Ich habe mir das gleich bei Erscheinen angeschafft, am 22. Oktober 1978. Ich bin als Leser mit dem Autor groß geworden und habe schon in meiner Jugend seine Werke gelesen. Er ist 19 Jahre älter als ich.
MoX: Wem würden Sie das Buch empfehlen?
Jochen Schimmang: Allen Leuten, die in irgendwelchen Bewegungen unterwegs sind, nicht, um sie davon abzubringen, sondern um sie eventuell auf Enttäuschungen vorzubereiten. Allen Liebhabern von guter Sprache und von Ironie, davon gibt es viel. Der Untertitel des Werks ist nämlich nicht „Großes Gedicht“, oder so, sondern „Eine Komödie“ und das ist es auch. Es gibt ja diesen schönen Satz einer englischen Schriftstellerin, der heißt: „Komödien sind Tragödien, die anderen Leuten passieren.“ – in diesem Sinne ist das hier auch eine Komödie. Ich würde es allen empfehlen, die nicht unbedingt ein Buch zum Verschlingen suchen, sondern sich auch etwas Zeit dafür nehmen können.
MoX: Was wissen Sie über den Autor?
Jochen Schimmang: Der Autor ist einer der bekanntesten noch lebenden deutschen Autoren. In der Welt gilt er als großer Intellektueller, der sich nicht eines Tages einen Standpunkt gesucht und darauf stehen geblieben ist, sondern der ein wacher Beobachter ist. Er ist kein Romancier, aber ein guter Essayist und Lyriker. Er ist 1929 geboren und war bei Kriegsende 16 Jahre alt. Nach dem Krieg hat er seine Familie ernährt, indem er auf dem Schwarzmarkt tätig war - dort hat er offentsichtlich sehr gut gelernt. So verlangte er vom Spiegel 10.000 DM für 1-2 Seiten und die haben sich darauf eingelassen.

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