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Riesen und Zwerge05.03.2020



Text | Martina Burandt

Mit seiner ersten Produktion „On the shoulders of giants“ gab das neue Ensemble „of curious nature“ von TanzRAUM Nord im Theater Bremen – Kleines Haus sein Bühnendebüt. Durch die Exzellenzförderung TANZPAKT Stadt-Land-Bund wird zehn Tänzer*innen aus der internationalen freien Szene mit einem festen Budget eine neue Perspektive und künstlerische Heimat im Nordwesten ermöglicht.
Im Rahmen des von TANZPAKT Stadt-Land-Bund geförderten Projektes TanzRAUM Nord kooperiert das Theater Bremen (neben dem Schauspielhaus Hannover sowie weiterer freier und städtischer Bühnen und Partner) mit dem Ensemble „of curious nature“, einer neuen fest engagierten zehnköpfigen Kompanie unter der künstlerischen Leitung der Choreografen Helge Letonja (Bremen) und Felix Landerer (Hannover). Das Projekt versteht sich als Stärkung der freien Tanzszene im Nordwesten und erhofft sich,  in der gemeinsamen künstlerischen Arbeit neue Impulse und Dynamiken für die Tanzkunst in der Region weiter zu entwickeln. Über die Spielzeiten 2019–2021 sind acht abendfüllende Produktionen geplant, wobei das Ensemble sowohl mit den künstlerischen Leitern, als auch mit Gastchoreograf*innen zusammenarbeiten wird.
Der Anfang dieser spannenden Neugründung wurde nun in Bremen gemacht. Ausgehend von dem kulturgeschichtlichen Gleichnis der Zwerge auf den Schultern von Riesen sucht Choreograf Helge Letonja in „On the shoulders of giants“ die Verbindungen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Dabei stellt er die anspruchsvolle Frage danach, wie wir uns angesichts gesellschaftlicher Umbrüche verhalten und inwieweit wir dabei tradierten oder neuen Werten folgen – insbesondere in Bezug auf Tendenzen von Radikalisierung und Ausgrenzung.
Gekleidet in schwarzen und dunkelgrünen weiten Mänteln, stehen die Tänzer*innen ineinander verschlungen und aneinander gelehnt wie eine Skulptur vor der Kulisse eines weißmilchigen Plastikvorhangs, der hoch und breit die Bühnenrückseite verdeckt. Musik setzt ein und schon bald löst sich ein Tänzer aus der Gruppe. Er streift seinen Mantel ab und tanzt, ganz in Weiß gekleidet, ein bewegendes Solo. Was für ein Wesen stellt er dar - einen Menschen, ein Meerestier, einen großen Vogel?
Nach und nach legen alle Akteure*innen ihre Mäntel ab und beginnen zu tanzen. Assoziative Bilder wechseln sich in rascher Folge ab, wie auch Duos, Trios oder Gruppenchoreografien. Immer wieder verschwinden Ensemblemitglieder hinter dem großen Vorhang oder den weiß durchscheinenden Kabinen, welche die Bühne rechts und links begrenzen.
Hinter dem Vorhang erscheinen die Akteure verschwommen und verwischt wie in einem Gemälde von Gerhard Richter - eine schöne und interessante visuelle Wirkung! Und auch akustisch inspiriert die Choreografie mit der Musik und den Kompositionen von Simon Goff und Lynn Wright.
Weitere interessante Eindrücke mit verschiedenen Licht- und Videoeffekten folgen, dazu der Einsatz von gesichtslosen Blumenmasken. Dabei werden die Bewegungen, tänzerischen wie technischen Aktionen und Gesten immer mehr. Manches in der Ausstattung bleibt überflüssig und Vieles in Ablauf und Handlung bleibt so vage wie am Anfang. So ist in der Dramaturgie kein  Spannungsaufbau zu erkennen, sondern nur immer noch eine weiter eingeworfene Idee, die einen den roten Faden suchen lässt.
Der Versuch, dann im letzten Drittel die Spannung zu steigern, indem man den Riesenvorhang dramatisch auf die Bühne knallen lässt oder kurz vor Schluss noch den Tanzboden farblich wechselt, ist überzogen und macht all die feineren Momente eines vielversprechend tanzenden Ensembles kaputt. Deutlich über-choreografiert finden zu viele Kopfgeburten keine Entsprechung in einem authentischen Ausdruck. Schade, denn in den schönen Momenten, in denen das Potential des Tanzensembles deutlich wird, wünscht man sich, mehr von den einzelnen Künstlerpersönlichkeiten herausscheinen zu sehen.
Helge Letonja nimmt uns in „On the shoulders of giants“ mit in seine ganz eigene  Traum- und Gedankenwelt, gibt uns aber keinen Schlüssel, seine Bilder zu verstehen. So bleibt vieles letztendlich fragwürdig und mit Bedeutung aufgeputscht.

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