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Selten so gelacht!13.01.2022





Seitdem man in Wilhelmshaven alljährlich das Festival der Kleinkunst ausrichtet, können sich Kabarettisten, Stand-up-Comedians, Artisten und Kleinkunstliebhaber verlässlich austauschen und auf dem Laufenden halten über neueste Trends nebst schier unfassbare Möglichkeiten in diesem Bereich. Und das außergewöhnlichste Programm des so abwechslungsreichen wie international zusammengesuchten Veranstaltungsreigens ist kundigen Juroren der Stadt dann jeweils den mit 2500 Euro dotierten Knurrhahn-Preis wert. Zwar hat Corona die Entscheidung über den Sieger des 27. Durchgangs nicht verhindern können, gleichwohl mussten sämtliche Festival-Veranstaltungen vom November und Dezember 2021 aufs Frühjahr ´22 umgelegt werden.
Fest steht, dass die Menschheit oftmals der Meinung gewesen sein muss, Lachen würde einem über furchtbarste Zeiten hinweghelfen. Warum sonst wohl hätten jüdische Künstler als Inhaftierte in KZs wie Sachsenhausen, Westerbork oder Theresienstadt ihr Programm fortgeführt wie in der goldenen Unterhaltungs-Ära der Weimarer Republik – und manchmal heimlich, mitunter auch auf Befehl der Lagerkommandanten für bestes Entertainment gesorgt? Der Frankfurter Musikkabarettist Jo van Nelsen ruft uns mit seiner Abendveranstaltung „Kabarett(isten) im KZ“ die vielen von den Nazis ins Konzentrationslager verfrachteten Unterhaltungskünstler ins Gedächtnis. Da wird die Erinnerung geweckt an frühere Bühnenstars wie Isa Vermehren, Willy Rosen, Paul O´Montis, Kurt Gerron, bringt man uns deren Text- oder Liederabende näher; ergänzt werden die eingespielten Grammophonhörproben um seltenes Bild- und Filmmaterial.
Im Ergebnis des kabaretthistorischen Rückblicks dürften wir uns mal wieder der Tatsache bewusst sein, dass der Humor in deutschsprachigen Landen mit jeglichem Verzicht auf jüdische Raffinesse auf Jahrzehnte aus dem Tritt gebracht wurde. Die Frage liegt nahe, ob sich die furchtbaren Auswirkungen von faschistischen Gedankenmodellen im Vorfeld hätten erahnen und abwenden lassen? Nun ja – Im Nachhinein könnte man zumindest auf Thomas Mann verweisen, der mit seiner Novelle „Mario und der Zauberer“ die Manipulierbarkeit des Menschen zu einer Parabel verdichten mochte. Angesiedelt im faschistischen Italien der 1930er Jahre fächert der Literaturnobelpreisträger die Geschichte des machtgierigen Krüppels Cipolla auf, der das Publikum seiner Schaubude durch Scharfzüngigkeit, Hypnose und eine seltsam faszinierende Aura in seinen Bann schlägt und zu makabren Experimenten verführt, bis das gefährliche Spiel ein bitteres Ende findet. Die Wilhelmshavener Festivalfassung der Bühne Cipolla verbindet Dichterworte mit Figurenspiel und Violoncello-Livemusik. So wichtig das sich Beschäftigen mit dieser von Misstrauen und Intoleranz geprägten Atmosphäre des Faschismus in Europa ist, so gern erinnern sich Künstler und Publikum derzeit an jene „Goldenen Zwanziger“, zieht man Vergleiche zwischen damals und heute. Den Schmäh und das Tempo und die frivole Lust am rauschhaften Dauervergnügen bringt niemand besser auf den Punkt als der Entertainer, Sänger, Pianist und Kabarettist Robert Kreis, dessen Show wir unbedingt empfehlen. Ein Höhepunkt des 27. Wilhelmshavener Kleinkunstfestivaljahrgangs.
Während Comedians in den USA gesellschaftliche Missstände attackieren und Stereotype benutzen, um diese umzukehren, ist Humor hierzulande noch viel zu oft angestaubt. Die Bühnen werden von zweidimensionalen Comicfiguren bevölkert: dicke Frauen in grellen Klamotten, prolliger Türke mit Pferdeschwanz; Komiker lieben´s, es sich in der Mitte bequem zu machen und von dort aus Witze über diejenigen zu reissen, die nicht dazugehören. Als Gegengift zu solch flachwitzigem Klamauk empfehlen sich die international zusammengesuchten, bunt zusammengestellten Veranstaltungen des Kleinkunstfestivalreigens in Wilhelmshaven.

Text : Horst E. Wegener

27. Festival der Kleinkunst | vom 14.1.22
Wilhelmshaven | Pumpwerk
u.a. mit Jo van Nelsen am 30.1.,
Bühne Cipolla am 20.2.,
Robert Kreis am 25.5.

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