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Man muss um das Publikum kämpfen28.06.2023



Interview und Foto: Thea Drexhage
MoX: In den letzten Jahren haben Sie auf dem Utkiek sowohl die Picknick Konzerte als auch das Grüne Wiese Open Air veranstaltet. Ist auch für 2023 etwas geplant?
Maik Böse: Dieses Jahr pausieren wir tatsächlich. Dafür ist ja das TabulaRaaza Festival omnipräsent, wo wir mit 13 Künstlern vertreten sind. Wir sind ja nicht nur Veranstaltungsagentur, sondern auch Künstleragentur. Somit sind wir dort vor Ort und möchten nichts machen, was sich damit überschneiden würde. Daher wird es dieses Jahr auf dem Utkiek nichts geben. Außerdem ist der Utkiek ja aktuell auch eine große Baustelle nach dem Abriss des Bunkers. Wir sind aber sehr aktiv am überlegen, was wir da nächstes Jahr machen. Wir kriegen immer wieder Nachfragen, ob man die Picknickkonzerte nicht auch nach der Pandemie machen kann, weil die so idyllisch waren. Wir denken immer wieder drüber nach, ob und wie man das neu auflegen könnte.
MoX: Ihr seid auch im Umland sehr aktiv. Jever, Wardenburg, Rodenkirchen. Wie läuft das denn aktuell?
Maik Böse: Die Menschen denken, dass wieder alles geht und wir Veranstalter die glücklichsten Menschen auf der Welt sein müssen, weil alle zu uns rennen, aber es hat sich extrem viel getan. Nach der Pandemie sind erstmal 50% der Leute weggebrochen, mit denen man zusammengearbeitet hat, ob das nun freie Mitarbeiter wie in der Gastronomie waren, oder andere aus der Branche. Partner, die man jahrelang an der Seite hatte, sind einfach nicht mehr da. Neue Leute sind viel teurer geworden, nicht nur durch Pandemie, sondern auch Krieg und Inflation. Außerdem sind Veranstaltungen gerade omnipräsent. In jeder Ecke passiert etwas. Dabei hat es sich so entwickelt, dass sich die Leute sehr spät für einen Vorverkauf entscheiden. Das nimmt uns Veranstaltern die Planungssicherheit. Es muss bei der Planung bedacht werden, wie viel Personal man braucht, wie viele Toiletten, wie viele Securities. Früher war es eine verlässliche Variante, dass man wusste, wie viele Menschen kommen und wie man planen muss. Heute werden Karten so spät gekauft, dass man dann, wenn man Last Minute etwas vorbereiten muss, noch mehr Probleme bekommt, da es noch teurer wird. Das ist gerade nicht einfach und das ist wohl bei allen Veranstaltern das gleiche, wenn man nicht von den ganz großen Formaten wie Herbert Grönemeyer, Ed Sheeran und Co. ausgeht, wo sich die Leute aus Angst vor Ausverkauf sofort die Karten sichern. Alles darunter ist schwieriger. Man sieht, dass auch die großen Festivals bis zuletzt nicht ausverkauft waren, was vor der Pandemie ja undenkbar war.
Man muss als Veranstalter aktuell, vor allem wenn man kleinere Sachen macht, genau den Zahn der Zeit treffen, um sorgenlos in eine Veranstaltung reingehen zu können. Letztes Jahr bei der Grünen Wiese waren wir sehr optimistisch, dass wir nach der Pandemie mit dem Line Up sofort ausverkauft sind an beiden Tagen, aber wir haben bis zuletzt um die Menschen kämpfen müssen. Mit den Besucherzahlen waren wir unter unseren Erwartungen, sodass das finanziell gar nicht aufgegangen ist. Das haben auch andere Festivals erlebt, die dann letztes Jahr ganz abgesagt wurden. Das sind Probleme, für die wir erstmal eine Lösung finden müssen, aber da sind wir ja immer ganz gut dabei.
MoX: Während der Pandemie hatte die Region bessere Chancen auf aktuelle, angesagte Künstler*innen. Wie gestaltet sich das Booking aktuell?
Maik Böse: Der Gebietsschutz ist wieder größer geworden. Die großen Veranstalter sichern sich ihre Gebiete, gerade in Bremen und Hamburg, und wenn man dann von drumherum kommt und in Oldenburg oder noch kleineren Städten buchen will, ist das geradezu unmöglich. Vor allem in der A-Liga. Dort gibt es viele etablierte Partnerschaften, was einerseits ja gut ist, aber für uns wird es dann schwierig, an große Künstler zu kommen. Da ist es schön, dass so ein TabulaRaaza im Moment aus dem Boden gestampft[font=Bembo] [/font]wird, wo ja viele größere Namen gebucht wurden. So ein Festival ist für viele Künstler auch einfach nochmal attraktiver, als in einer Halle zu spielen, wo dann auch der Gebietsschutz für eine Soloshow noch fester ist.
MoX: Was kann man als Veranstalter tun, um die steigenden Produktionskosten nicht auf die Ticketpreise umzulagern?
Maik Böse:  Das ist das nächste Problem. Wenn man es auf die Tickets umlegt, kommen noch weniger Leute. Schaut man zum Beispiel auf diese ganzen Olé Parties, ob man sie nun mag oder nicht, wo es noch familienfreundliche Preise gibt, sieht man was funktioniert. Da geht man dann auf Masse und das rechnet sich. Das ist ein ganz anderes Musikkonzept. Wir als Veranstalter versuchen viel über Sponsoring zu regeln, aber das ist auch kein Selbstläufer mehr. Es gibt noch ein paar große Unternehmen, für die das nach wie vor kein Thema ist, aber es gibt auch viele Branchen wie die Immobilien- oder die Automobilbranche, was früher ein sicherer Markt war, wo aktuell durch höheren Zinssatz und Inflation sehr geschaut wird, was machbar ist. Wir müssen verschiedene Einnahmequellen generieren. Das sind eben die Tickets, aber auch die Gastronomie, die wir meist auf unserer Seite haben. Da müssen wir hoffen, dass die Leute gut verzehren oder auch Geld durch Standmieten für Food Trucks generieren. Wir versuchen über mehrere Kanäle hinzubekommen, dass die Ticketpreise nicht steigen. Wenn man es richtig macht, kalkuliert man so ein Event ein halbes Jahr im Voraus und die Preise ändern sich aktuell teilweise monatlich. Jetzt ist es so, dass wir bei der Kalkulation 30% raufrechnen müssen und gegebenenfalls den Ticketpreis anpassen. Dann muss geschaut werden, ob das Ganze für den Besucher noch attraktiv ist und es für einen selbst noch Sinn macht zu veranstalten. Dazu kommen dann die endlos vielen Veranstaltungen, die gleichzeitig laufen, wo man sich als Konsument dann entscheiden muss.
MoX: Warum habt ihr euch entschieden, mit euren Events auch ins Umland zu gehen?
Maik Böse:  Man darf die Tourismusregion nicht unterschätzen. Wir sind ja auch in Butjadingen oder Greetsiel. Überall wo Tourismus stattfindet, ist ein Markt da. Dazu kommt, dass das alles wirklich schöne Locations sind und, dass gerade dort die Leute nicht reizüberflutet sind, weil es dort eben nicht so viele Open Airs in dieser Größenordnung gibt. Dann lieber in die Nische reingehen, als in Ballungsgebieten diverse Konkurrenzveranstaltungen zu haben.
MoX: Was kann man denn demnächst von euch erwarten?
Maik Böse:  Wir sind ja breit aufgestellt. Die Streetfoodtour läuft. Beim Stadtfest werden wir mehrere Bühnen mit unseren Künstlern bespielen. Die nächste Club Bizarre Party wird in Nethen stattfinden und im Herbst führen wir viele Konzerte mit unseren Künstlern in ganz Deutschland durch.  Ansonsten planen wir schon voll  für das nächste Jahr. In diesem Jahr, ich nenne es das Jahr der Konsolidierung, haben wir uns als Veranstalter entschieden nicht 30, sondern nur 15 Veranstaltungen zu machen, um die wir uns dann liebevoll kümmern. Copy und Paste funktioniert nicht mehr. Dazu kommt mit Social Media ein immer umfangreicheres Marketing, um das man sich kümmern muss. Mit fünf Leuten sind wir hier ein überschaubares Team, dass das alles dann ja auch leisten muss, ohne, dass man die Mitarbeiter überlastet. Das ist uns sehr wichtig.


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