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Filme im Kino

MoX Kino-Tipps KW3528.08.2024













Texte: Horst E. Wegener
Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen, ihr Schönen!
Deutschland ´24: R: Torsten Körner. Ab 29.8. Wertung: ***** Bild: Majestiv/ Anne Misselwitz
Bis heute unvergessen ist einem als an Geschichte interessierten Kinogänger etwa jene filmische Archiv-Fleißarbeit namens „Die Unbeugsamen“ von 2021: Darin ließ der anno 1965 in Oldenburg geborene Fernsehkritiker, Journalist, Autor und Dokumentarfilmer Torsten Körner westdeutsche Politikerinnen sich übers einst schier unglaubliche Macho-Gebaren mancher Polit-Gockel in der Bonner Republik äußern, baute er in seinen Portraitreigen immer wieder auch Verweise ins Gegenwärtige ein, die kenntnisreich der Frage nachgingen, ob wir in puncto Gleichstellung wirklich vorangekommen sind. Nun also Doku-Nachschlag mit Erkundigungen ostdeutscher Frauenpower-Mentalität?  Jein, keine schnöde Doublette; schon allein, weil es in der DDR kein wirklich vergleichbares weibliches Polit-Personal und zudem erst am Ende freie Wahlen gab. Nur scheinbar war dem Arbeiter- und Bauernstaat die Gleichberechtigung von Frauen und Männern eine Herzensangelegenheit, garantiert in der Verfassung seit 1949! In „Die Unbeugsamen 2“ holt Dokufilmer Körner Ostdeutschlands Vorzeige-Frauen vor die Kamera, darunter etwa die Schauspielerin Katrin Sass, die Schriftstellerin Katja Lange-Müller, die Landwirtin und „Heldin der Arbeit“ Solveig Leo oder Brunhilde Hanke, langjährige Oberbürgermeisterin von Potsdam, die in einst staatstragenden Büros, verwaisten Fabrikhallen oder Ateliers Platz nehmend in Erinnerungen kramen. Hörenswert, was uns da in dreizehn Kapiteln von fünfzehn Ostlerinnen ungeschönt näher gebracht wird: Fortwährend musste frau sich den Traum von der Ebenbürtigkeit neu erkämpfen, weshalb die Unbeugsamen gleichermaßen nachdenklich übers Einst reflektieren wie sie voller Zorn nach vorn blicken. Allgemeine Erkenntnis: Es gibt noch mehr als genug zu tun und zu erzählen, um den errungenen Fortschritt in der Gleichberechtigung von Frauen und Männern nicht vor die Wand zu fahren und dauerhaft ins Gestrige einmünden zu lassen.   (Am 28.8. stellt Regisseur Torsten Körner seine Doku im Oldenburger Casablanca-Kino vor)
Doku.


Gloria!
Italien/ Schweiz ´24: R: Margherita Vicario. Ab 29.8. Wertung: ***** Bild: Neue Visionen Filmverleih
Das Kollegium Sant Ignazio nahe Venedig stellt zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein heruntergekommenes Kloster-Waisenhaus dar, das von Padre Perlina (Rossi) autoritär geführt wird. Als Putze und Mädchen für die miesesten Alltagsarbeiten missbraucht, erträgt Teresa (Bellugi) die ihr zugewiesene Aschenputtel-Existenz weitestgehend klag- und komplett wortlos – weshalb die Außenseiterin von allen nur „Die Stumme“ genannt wird. Derweil hört die vorgeblich Schwachköpfige überall um sich herum Geräusche, die sich für sie zu den Klängen einer überwältigenden Sinfonie verdichten: das Klatschen von nasser Wäsche, das Klacken der Schöpfkellen, knarzende Wagenräder, das rhythmische Kratzen der Schwämme, mit denen die Kupferkessel geputzt werden… und auch mal ein Nießer. Als die musikalisch Hochbegabte eines Tages beim Putzen eine riesige Kiste entdeckt, die der bigotte Möchtegern-Maestro Perlina im Keller versteckt hält, findet sie darin ein Pianoforte und beginnt, darauf zu spielen. Heimlich, nachts - virtuos. Da sich diese Aktivitäten aber gegenüber den übrigen Mädchen nicht lange verbergen lassen, ist Gesellschaft beim nächtlichen Klimpern und Improvisieren sehr bald an der Tagesordnung. Aus der anfänglichen Konkurrenz der jungen Musikerinnen - darunter vor allem die gegen Teresa antretende hochnäsig-ehrgeizige Internatsschülerin Lucia (Gamba), die ebenfalls komponiert -, entwickelt sich eine inspirierende Beziehung, in der die Mädchen musikalisch über sich selbst hinauswachsen.
Einerseits träumen sie ja von einem selbstbestimmten Leben oder dem Märchenprinzen – während ihr künftiges Leben andererseits eher darauf hinauslaufen dürfte, dass frau zwangsverheiratet oder hinter Klostermauern versauernd enden mag. Nur die Musik gibt ihnen Mut und Trost, lässt sie gemeinsam experimentieren: Es entsteht ein revolutionärer, femininer Sound, der Jazz und Pop und Rap und Gospel vorwegnimmt!
In ihrem Regiedebüt „Gloria!“ spielt die italienische Popsängerin Margherita Vicario mit Anachronismen, ihre Reise durch die Musikgeschichte wird zur Würdigung kreativer weiblicher Talente. Dass deren Kompositionen weder Maestro Perlina noch dem seinen Besuch in Sant Ignazio ankündigenden Papst gefallen können, liegt auf der Hand. Sei´s drum – solange die Revolution uns Kinogänger zu bezaubern versteht. Grandios!  
D: Galatea Bellugi, Carlotta Gamba, Veronica Lucchesi, Maria Vittoria Dallasta, Sara Mafodda, Paolo Rossi.


Alles Fifty Fifty
Deutschland ´23: R: Alireza Golafshan. Ab 29.8. Wertung: **** Bild: Leonine
Theoretisch kann Milan (Thatenhorst) kaum klagen: Auch nach der Scheidung haben sich seine Eltern darauf verständigt, die Erziehung ihres gemeinsamen Sprösslings fifty-fifty abzudecken. Geldnöte sind für die beiden in München bestens vernetzten Anwälte kein Thema, ein eigenes Zimmer wartet auf den Elfjährigen sowohl bei der überfürsorglichen Mama Marion (Tonke) als auch beim total antiautoritär aufgestellten Papa Andi (Bleibtreu). Solange sich der in Luxus gebettete Junge dennoch von beiden Elternteilen übersehen glaubt, reagiert er im Schulalltag und in seinem jeweiligen Zuhause immer aggressiver. Als Mama und Papa dann sogar von der Schulpsychologin einbestellt werden, beschließen sie im Rahmen eines gemeinsamen Italienurlaubs gezielt Ursachenforschung zu betreiben. Im Luxus-Resort an der apulischen Küste köcheln die Streitigkeiten zwischen Marion, die mit ihrem jüngeren neuen Freund Robin (Kross) angereist ist und ihrem eifersüchtigen Ex gnadenlos schnell hoch, während sich der Filius bald nur noch lautstark bemerkbar machen kann. Milan entzieht sich und schließt auf eigene Faust Bekanntschaft mit der frech-aufmüpfigen Tochter des alleinerziehenden Campers Jens (Stein) vom nahen Campingplatz.
Regisseur Alireza Golafshan taucht in Urlaubsszenerien wie aus einem Hochglanzreisekatalog ab, besetzt zudem sehenswert – und unterhält mit einer launig-federleichten Erziehungskomödie, die ihre Figuren allenfalls über-, aber nie vorführt.
D: Laura Tonke, Moritz Bleibtreu, Valentin Thatenhorst, David Kross, Axel Stein, Aennie Lade.


Something in the Water
USA ´24: R: Hayley Easton Street. Ab 5.9. Wertung: ** Bild: Studiocanal

Lizzies (Lyle) Hochzeitsfeierlichkeiten in der Karibik stehen an – und sollen am exotischen Setting der Traumkulisse eines Luxusresorts mit allem Pomp, Schampus und DJ im Kreis der besten Freundinnen begangen werden. Da sich aber zwei der Fünfer-Clique seit einem komplett aus dem Ruder laufenden Vorfall mit einer Gruppe Jugendlicher in London nicht mehr grün sind, haben die anderen drei sich für den Tag vor Lizzies Trauung auf einen Bootsausflug zu einer unbewohnten kleinen Nachbarinsel geeinigt: Dort wollen Ruth (Shakespeare-Hart), Cam (Setsuko) und die sich ihre Hochzeit in rosaroter Stimmung für alle fünf Mädels wünschende Braut die zerstrittenen Ex-Freundinnen Kayla (Mitson) und Meg (Quasem) absetzen, in der Hoffnung, dass diese ihren Frieden miteinander machen können. Während Ruth, Cam und Lizzie am Strand Megs Versöhnung mit Kayla herbeisehnen, taucht out of the blue ein Hai auf. Vorhersehbar wie  einst bei der altbekannten „Zehn kleine Negerlein…“-Schockermär wird Ruth von der Kreatur schwer verletzt. Beim Rettungsmanöver per Boot setzt die Mädels-Clique auf einem Korallenriff auf und muss feststellen, dass man auf dem Ozean keinen Handy-Empfang hat. Wie´s mit den Ladies weiter geht, liegt auf der Hand - mit ein Grund weshalb dieser Karibik-Schocker mit Klassikern wie dem „Weißen Hai“ von Regiealtmeister Steven Spielberg oder mainstreamig thrillenden Genre-Highlights à la „Open Water“ nicht im Entferntesten gleichziehen kann. Muss man mehr sagen?
D: Hiftu Quasem, Lauren Lyle, Natalie Mitson, Nicole Rieeko Setsuko, Ellouise Shakespeare-Hart.


Was ist schon normal?
Frankreich ´24: R: Victor Artus Solaro. Ab 5.9. Wertung: **** Bild: Square One Entertainment
Die Reisebusgesellschaft kommt dem Gauner-Duo Paulo (Solaro) und dessen Vater La Fraise (Cornillac) wie gerufen, um nach einem nicht ganz optimal geglückten Raubüberfall auf ein Juweliergeschäft abtauchen und der überall präsenten Polizei entkommen zu können. Dass es sich bei den Ausflüglern im Bus um eine Gruppe von jungen Erwachsenen mit Behinderung samt deren Betreuern handelt, entpuppt sich von vorne herein als unproblematisch: Weil die Truppe noch einen weiteren Mitreisenden erwartet, der allseits unbekannte Sylvain. Schlagfertig führt sich La Fraise als dessen Betreuer Orpi und Paulo als besagten Sylvain bei der Runde ein. Mit dieser nunmehr vollzähligen Gruppe kann Reiseleiterin Alice (Belaidi) endlich zum geplanten mehrtägigen Ausflug in die Berge aufbrechen. Bald durchschauen einige aus der Truppe die vorgetäuschte Identität von La Fraise und Paulo, finden jedoch Gefallen am auf Orpi und Sylvain markierenden Gauner-Duo.
Die erste Regiearbeit des französischen Schauspielers und Comedians Victor Artus Solaro: Eine Gruppe von elf liebenswerten Laiendarstellern bildet den Kern der Reisegesellschaft, die sich mit dem in Mehrfach-Funktion als Paulo/Sylvain mitmischenden Solaro als Strippenzieher und weiteren Profi-Mimen so hörens- wie sehenswert auf fortwährenden verbalen Schlagabtausch, Screwball-Witz und unverkopfte Authentizität einlassen. Im Ergebnis bekommt das Kinopublikum einen Feelgood-Jux serviert, der so unverkrampft inszeniert wird, dass man verstehen kann, weshalb sich „Was ist schon normal?“ als Überraschungserfolg des Kinosommers in Frankreich etablieren mochte.
D: Victor Artus Solaro, Clovis Cornillac, Alice Belaidi, Marc Riso, Céline Groussard.


Ellbogen
Deutschland/ Türkei/ Frankreich ´24: R: Asli Özarslan. Ab 5.9. Wertung: **** Bild:Jip fil & verleih gbr
Wegen ihres türkischen Namens wird die in Berlin aufwachsende Hazal (Kara) im Alltag unentwegt mit Vorurteilen konfrontiert und ausgebremst. Verständlich, dass sich da Frust aufbaut, der ohne Ventil partout nicht abgebaut werden kann. Einzig im Kreise ihrer Freundinnen findet die 17-Jährige Frieden und Verständnis. Am Abend von Hazals 18. Geburtstag läuft mal wieder nichts wie erhofft: Der Zutritt zum Club wird den Mädels verwehrt, am U-Bahnhof fällt ein zudringlicher Student lästig. Da er das Frauentrio einfach nicht in Ruhe lassen will, platzt dem Geburtstagskind der Kragen, eskaliert die Gewalt – und Hazal sieht keine Alternative, als sich danach nach Istanbul abzusetzen. Dort kommt sie zwar bei einem Bekannten unter, wird aber in der ihr fremden Türkei bald vor ganz neue Probleme und Herausforderungen gestellt…
Basierend auf dem preisgekrönten Roman von Fatma Aydemir hat Regisseurin Asli Özarslan in Melia Kara die par excellence-Verkörperung ihrer Hauptdarstellerin gefunden, der jene Gratwanderung einer zwischen zwei Kulturen hin und herwandernden und nirgendwo Dazugehörenden so nuanciert wie glaubwürdig gelingt. Sehenswert.
D: Melia Kara, Doga Gürer, Jale Arikan, Haydar Sahin, Orhan Kilic.

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