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Filme im Kino

MoX Kino-Tipps KW 2018.05.2023











Texte: Horst E. Wegener


Living – Einmal wirklich leben
GB/ Japan/ Schweden ´22: R: Oliver Hermanus. Ab 18.5. Wertung: ***** Bild: Metropolitan FilmExport


Die Diagnose des Hausarztes lautet Krebs im Endstadium – und trifft Witwer Rodney Williams (Nighy) ins Mark. Dem leitenden Beamten der Abteilung für die Vergabe öffentlicher Bauaufträge der London Country Hall ist das werktägliche Studium der Akten inklusive ihr Verteilen an seine sieben Untergebenen längst total ins Blut übergegangen. Angesichts der Schocknachricht fragt der hyperkorrekte Mr. Williams sich jetzt aber doch, ob er nicht einiges im Leben verpasst haben könnte. Spontan besteigt der Biedermann aus der Londoner Vorstadt den Zug gen Brighton, um dort einen drauf zu machen, statt wie sonst zur Arbeit ins Büro zu fahren. Tags darauf wieder in London begegnet ihm zufällig eine seiner Angestellten aus dem Dienst, die junge aufgeweckte Margaret Harris (Wood). Man kommt ins Gespräch - woraufhin sie ihren Vorgesetzten überreden kann, seine Arbeit wieder aufzunehmen, während er sich ihr anvertraut. In der Nachbarschaft des alten Herrn sorgt dessen plötzliche und unerwartet freundschaftliche Beziehung mit dieser lebenslustigen jüngeren Frau alsbald für Tratsch; man wittert eine Romanze, und die Schwiegertochter des fast Siebzigjährigen hat sogar Angst um ihr Erbe! Derweil ist Mr. Williams eher am gemeinsamen Kinobesuch mit Margaret und mitnichten an einem Techtelmechtel interessiert. Von seiner jungen Untergebenen ermuntert, kehrt der pflichtbewusste Anzugträger sogar wieder ins Büro zurück, um sich vor Ort mit aller Kraft darauf zu konzentrieren, wenigstens eine der unzähligen Bauumsetzungen, die sich die vielen Abteilungen ansonsten endlos zuschieben, bewilligt zu bekommen. Regisseur Oliver Hermanus adaptiert Regie-Titan Akira Kurosawas Filmklassiker „Ikiru“, verlegt seine Variante in ein Nachkriegs-England der 1950er-Jahre voller erzkonservativer Regeln – und überzeugt mit dem wie eh und je grandios schauspielernden Hauptdarsteller Bill Nighy in einer beeindruckenden Charakterstudie.
D: Bill Nighy, Aimee Lou Wood, Alex Sharp, Tom Burke, Adrian Rawlins.


Fast & Furious 10
Deutschland ´23: R: Christian Petzold. Ab 20.4. Wertung: **** Bild: Universal Studios.

Alles hat einmal ein Ende – und nachdem es trotz Paul Walkers tragischem Unfalltod im wahren Leben mit der Action-Saga rings um die sich immer wieder zusammenraufenden Buddies Dominic (Vin Diesel) Toretto und Brian O´Conner (alias Walker) wider Erwarten doch noch für ein paar Kapitel weiter gehen durfte, steht der weltweiten F&F-Fangemeinde nun doch der unwiderruflich allerletzte Einsatz bevor. Um noch einmal ordentlich die Kinokassen klingeln zu lassen, kommt Teil zehn, in Wahrheit der elfte Spielfilm innerhalb der Reihe, zweigeteilt daher. Mainstream-Filmer Louis Leterrier, neu an Bord, konfrontiert Dominics Familien- und Freundes-Clique mit dem nach Rache dürstenden Dante (Momoa) als Gegenspieler. Letzterer entpuppt sich als Sohn des brasilianischen Drogenbarons Hernan Reyes, der einst mit ansehen musste, wie Dominic und Co im F&F-Kapitel 5 auf einer Brücke in Rio de Janeiro seinen alten Herrn ins Jenseits beförderten – was Dante nun seinerseits einen perfiden Plan aushecken lässt. Keine Pressevorführung vorab – andererseits: Daran, dass es wie eh und je Streetcar-Rkcing- und Stunts-affin zugehen mag, besteht kaum Zweifel. In diesem Sinne: Lassen wir uns überraschen.
D: Vin Diesel, Michelle Rodriguez, Tyrese Gibson, Ludacris, Jason Momoa, John Cena.


Sparta
Deutschland/ Frankreich ´22: R: Ulrich Seidl. Ab 18.5. Wertung:*** Bild: Damned Films

Für Ewald (Friedrich) kommt es der Erfüllung eines Lebenstraums gleich, nachdem er seiner österreichischen Heimat schon vor Jahren Adieu sagen mochte, um in Rumänien den Neuanfang zu wagen – und jetzt dort im Hinterland beginnt, ein Jugendcamp für all jene Kinder aufzubauen, die aus schwierigen sozialen Verhältnissen kommen. Problematisch dabei ist und bleibt allerdings, dass Ewald pädophile Neigungen hegt, ohne diese auszuleben. Je länger das Camp existiert, desto schwieriger wird es für den Mittfünfziger, gegen das eigene Verlangen anzukämpfen… Zwar existieren im ganzen Film keine Szenen sexualisierter Gewalt des Erwachsenen mit den zwischen 9 und 16 Jahre alten Kindern. Trotzdem wurde dem für seine gewagten Doku-Spielfilm-Arbeiten seit langem bekannten österreichischen Filmemacher Ulrich Seidl (zuletzt mit „Rimini“ auf den Kinoleinwänden präsent) prompt der Vorwurf gemacht, er habe seine jugendlichen Laiendarsteller während des Drehs traumatisiert und sie psychisch ausgebeutet. Gegen die in Meinungsmacher-Medien wie dem Spiegel aufkommenden Anschuldigungen – und nachdem man beim Filmfestival von Toronto, wo „Sparta“ im vergangenen Herbst zunächst uraufgeführt werden sollte, die Weltpremiere kurzerhand wieder canceln mochte -, suchte der angegriffene Regisseur zum einen das Gespräch etwa mit den Eltern seiner rumänischen Jungs, platzierte er seinen Film zum anderen bei den Filmfestivals von San Sebastian und Hamburg. Beim jetzt landauf, landab anberaumten Kinoeinsatz kann sich die interessierte Öffentlichkeit ihre Meinung bilden.
D: Georg Friedrich, Hans-Michael Rehberg, Florentina Elena Pop, Marius Ignat, Octavian-Nicolae Cocis.


The Machine
USA ´23: R: Peter Atencio. Ab 25.5. Wertung: *** Bild: CTMG, Inc. Aleksandar Letic

Bert (Kreischer) genießt seinen typisch US-amerikanischen Wohlstands-Alltag. Doch dann wird der erfolgreiche Stand-up-Comedian eines Tages samt seinem Vater Albert (Hamill) von russischen Mafiosi entführt. Ganz allmählich dämmert´s Bert, dass dies als späte Rache für eine zwanzig Jahre zurückliegende Schmach gedacht ist. Damals hatte der spätere Comedian ein Auslandssemester in Russland absolviert und war besoffen Mafiosi in die Quere gekommen. Den Brutalos kommt die sich jetzt bietende Gelegenheit wie gerufen, um sich zu revanchieren – was Bert in eine Welt voller Drogen, Waffen und Exzesse eintauchen lässt.US-Comedian Bert Kreischer spielt sich nach eigener Aussage quasi selbst und macht seinem Spitznamen The Machine fürwahr Ehre. Nicht minder überzeugend: „Star Wars“-Urgestein Mark Hamill als total zugedröhnter Daddy Albert an Berts Seite; brutal klamaukige Situationskomik im „Hangover“-Stil.
D: Bert Kreischer, Mark Hamill, Jessica Gabor, Jimmy Tatro, Iva Babic, Stephanie Kurtzuba


All the Beauty and the Bloodshed
USA ´22: R: Laura Poitras. Ab 25.5. Wertung: ***** Bild: Pyramide Distribution

Einerseits hängen die Fotografien von Nan Goldin in den großen Kunstmuseen der Welt, andererseits ist einem die US-Künstlerin ein Begriff durch ihren Kampf gegen die Pharmadynastie Sackler – Dokumentarfilmerin Laura Poitras widmet sich beiden Aspekten in ihrem Portrait der Überlebenskünstlerin Goldin. In längeren Interviewsequenzen, die oft nur aus dem Off zu hören sind, blättert die frühere Chronistin der New Yorker Künstlerboheme ihr wildes Leben im Rückblick auf. Dabei gibt sie sich extrem offen und kehrt auch persönliche Schicksalsschläge im Elternhaus, die in den Suizid ihrer Schwester einmündeten, nicht untern Tisch. Nans sich sexuell und künstlerisch beginnendes Austoben-wollen in der metropolen Underground-Szene bringt uns einen Alternativen American Way of Life näher, der per Fotos oder Dia-Schauen randscharf illustriert wird. Als einschneidendes Erlebnis empfindet die Künstlerin dann die Einnahme eines Schmerzmittels nach einer Op, was sie abhängig macht. Nachdem Goldin den Ausstieg aus ihrer Sucht gemeistert hat, steht ihr nurmehr der Sinn danach, mit ihren Mitteln gegen die Eigentümer des US-Pharmariesen vorzugehen, die um die verheerende Wirkung ihres millionenfach verkauften Opioids wissen. Mit spektakulären Aktionen in Museen weltweit gelingt es der Fotografin, den Namen Sackler, der in Galerien und Kunsthäusern immer wieder als Leihgeber plakatiert wird, zu verbannen. Ein bewusstseinserweiternder Dokumentarfilm – emotional mitreißend; beim Filmfestival von Venedig anno 2022 zurecht mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet.
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