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Soundcheck28.10.2020



Melody Gardot: SUNSET IN THE BLUE (VÖ: 23.10.)
Melody Gardot glaubt immer noch fest daran, „dass alle Kunst aus Leiden entstehen sollte“. In ihrem Fall fußt diese Annahme natürlich auf einem Autounfall, der die seinerzeit 19-Jährige monatelang ans Krankenbett fesselte. Vom Arzt auf die schmerzlindernden Auswirkungen der Musiktherapie hingewiesen, verdankt die musikalische Senkrechtstarterin dieser Empfehlung den Zugang zu einer beispiellosen Karriere, gipfelnd etwa in Sternstunden à la zwei ECHO Jazz Awards-Auszeichnungen: Da wurde Melody 2010 zur besten internationalen Sängerin gekürt, ergänzt drei Jahre später durch eine Trophäe fürs Top-Album „The Absence“. Ihre bislang fünf Studioalben kennzeichnet unisono, dass die Gardot auf ihnen Genregrenzen so permanent wie mühelos niederreißt. Wetten, dass das musikalische Chamäleon mit dieser fesselnden „Sunset in the Blue“-Gesangsperformance einmal mehr selbst die kältesten Herzen zum Schmelzen bringt?

Bruce Springsteen: LETTER TO YOU (VÖ: 23.10)
Der Mann, den alle Welt “The Boss“ nennt, hat die altbewährten Mitstreiter ins Heimstudio gebeten, um dort in nicht mal einer Woche ein neues E-Street-Bandalbum einzuspielen. Als Frontmann dieser vor rund 45 Jahren gegründeten Truppe spendiert uns Bruce Springsteen neben neun brandneuen Tracks auch Neuaufnahmen von drei selbst live selten performten Songs aus den 1970ern: „Janey Needs a Shooter“, „If I Was a Priest“ und „Song for Orphans“. Unterm Strich geht der Motivationsschub fürs Ersinnen der „Letter to You“-Tracks laut Springsteen auf eine Akustikklampfe zurück, die dem Boss nach einer Liveperformance von einem seiner treuen Fans verehrt wurde. Obendrein inspirierte ihn die Black Lives Matter-Bewegung zu anregenden E-Street-Band-Mutmacher-Hymnen – Musik, die Not tut, wenn man sich die USA heute anschaut.


Sukie: LOVE AND IMPATIENCE (VÖ: 30.10.)


Sukie – ein Name, der nach Fernweh klingt. Und bestens zu jener Hamburger Pflanze passt, die vor gut 21 Jahren ins Multikulti-Milieu der weltoffenen Hafenstadt hineingeboren wurde. Von klein auf eröffnete Musik dem kreativen Lockenkopf die schönste Möglichkeit, der mitunter beinharten Wirklichkeit Adieu zu sagen. Inspirierte Sukie zum Klavier spielen, Texten, Komponieren. Wobei sich das Ersinnen eigener Songs vor allem dann anbot, wenn es anstand, über das ansonsten Unsagbare zu reflektieren.
Bei den Tracks ihrer Debüt-EP lustwandeln die Lyrics der 21-Jährigen hörbar gekonnt über jenen schmalen Grat zwischen Zerbrechlichkeit und unerschütterlicher Stärke. Wunderbar auch, wenn die Gewissheit überwiegt, dass am Ende doch irgendwie immer alles gut wird.

Keep Dancing Inc: EMBRACE (VÖ: 23.10.)

Es ist schon erstaunlich, wie gekonnt uns diese drei Pariser Jungs namens Louis, Joseph und Gabrielle auf eine Zeitreise entführen: Obwohl sie erst in ihren Zwanzigern sind, wecken die zwölf Tracks auf „Embrace“ Erinnerungen an Talking Heads, New Order, Depeche Mode – deren Synthpop- und New Wave-Attitude bravourös in die Jetztzeit überführt wird. Beseelt vom Geist der Achtziger verpasst das Trio dem Erbe sein ganz spezielles update. Schlussendlich eignen sich die „Embrace“-Tracks gerade unter Corona-Bedingungen bestens als furiose Stimmungsaufheller für schweißtreibende Daheimbleiber-Abende.


Tim Jaacks: DIE ZEIT WIRD NIEMALS REIF (VÖ: 30.10.)


Sich reichlich Zeit zu nehmen, um das gewünschte Endergebnis reifen zu lassen, dürfte dieser Tage äußerst ungewöhnlich sein. Nichtsdestotrotz kann man dem Hamburger Nachwuchsbarden Tim Jaacks nur beipflichten, dass das intensive Feilen an den Songs seines Debütalbums der Mühe wert war. Da werden einem nun kleine Alltagsgeschichtchen aufgetischt, die von gescheiterten Plänen, Glückskeksen oder dem Gefühl handeln, immerzu zu spät dran zu sein. Egal ob Schlagzeug, Gitarre oder Keyboards, bis hin zum Chorgesang achtete Multiinstrumentalist Jaacks obendrein strikt darauf, für sein „Band-Album“ bei allem höchstselbst mitzumischen. Daumen drauf – und gut ist´s. Unterm Strich: bestens geeignet für Sofa-Chill-Abende.


Ane Brun: AFTER THE GREAT STORM (VÖ: 30.10.)


Gut fünf Jahre ist’s her, seit Ane Bruns umjubeltes Album „When I´m free“ von Fachkritik und Fanpublikum gleichermaßen euphorisch aufgenommen wurde. Und natürlich hat die in Stockholm lebende norwegische Chanteuse die seither verstrichene Zeit genutzt, um intensiv in sich hineinzuhören. Auf dem anstehenden Longplayer „After the great Storm“ heißt es beispielsweise im Text zum clubbig auftaktenden Track “Take hold of me”: „My existence is screaming, it’s a physical feeling, of missing out on dance and light” – derlei schmerzhaften Erfahrungen, die geschlossene Tanzflächen für viele Zeitgenossen mit sich bringen, können Dancefloor-Jünger doch nur beipflichten! Oder? Gut zu wissen, dass man uns den nächsten Streich nach „After the great Storm“ schon für Ende November in Aussicht stellt. Offenbar beflügelt Corona die Brun, macht sie produktiv.

Karrie: HOME THOUGHTS (VÖ: 30.10)
Es gibt Rock- und Popklassiker, die nie aus der Mode kommen. Geschweige denn, dass sie je ein Staubflöckchen ansetzen dürften. Elton Johns „Rocket Man“-Ballade gehört da genauso genannt wie David Bowies „Life on Mars“ oder Eric Claptons „Promises“; Welthits, deren Refrains wir alle kennen und beseelt mitsingen könnten. Etliche dieser musikalischen Meisterwerke hat sich nun die irische Singer-Songwriterin Karrie O´Sullivan Holmes für ihr Feelgood-Album „Home Thoughts“ ausgeguckt. Unterstützt durch den Grammy-nominierten Vorzeige-Gitarristen Jimmy Smyth tänzelt frau durch elf Cover-Versionen, pulsiert Leidenschaft im Kollektiv. Betörend schön.  Und all die mal hier, mal da aufgeschnappten musikalischen Anregungen zu einem feinen Lebensbild voller existenzieller Melancholie zu verdichten.

                          Autor: Horst E. Wegener

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