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Gegen die Marktlogik: Bedarf an sozialem Wohnraum steigt09.10.2019
Text und Foto | Christoph Kienemann
Mieten muss man sich leisten können. In der Bundesrepublik liegt das mittlere Netteinkommen einer Familie mit zwei Kindern bei ca 3.400 Euro im Monat. Möchte diese Familie in einer Großstadt für ihre Bedürfnisse eine Wohnung mieten, muss sie dafür in aller Regel einen vierstelligen Betrag aufbringen. Für viele Menschen wird dies zunehmend zu einem Problem, denn die Mieten steigen im Land doppelt so schnell an, wie es Einkommen und Gehälter tun. In der Folge müssen die Haushalte einen immer größeren Anteil ihres verfügbaren Einkommens für die Miete aufbringen. „Die Mieten in Deutschland sind den Löhnen längst davongelaufen“ sagt Chris Kühn, baupolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen. Woran liegt diese Tatsache? Experten wie der Berliner Stadtsoziologe Andrej Holm verweisen auf die Wirksamkeit der Marktlogik im Wohnungsmarkt. Wollen Wohnungsbaugesellschaften oder börsennotierte Konzerne wie Vonovia Gewinne erzielen, können sie keine günstigen Mieten anbieten. Zudem fehlt es in den Städten an Bauland und die Auslastung der Bauwirtschaft lässt die Preise für Bauvorhaben steigen.
Der Ausweg aus dieser Misere könnte in einer Stärkung des kommunalen Wohnungsbaus, als gemeinnützigen Wohnungsbau liegen. Bereits in den 50er Jahren wurde der soziale Wohnungsbau im Baugesetz der Bundesrepublik verankert. Hier hieß es: „Wohnungsbau unter besonderer Bevorzugung des Baues von Wohnungen, die nach Größe, Ausstattung und Miete oder Belastung für breite Schichten des Volkes bestimmt und geeignet sind, als vordringliche Aufgabe zu fördern." Der Soziale Wohnungsbau war also keineswegs nur auf ‚bedürftige Menschen‘ ausgerichtet, auch die Mittelschicht sollte von ihm profitieren. Auch in Oldenburg ist das Thema inzwischen auf der politischen Agenda angekommen. Der Stadtrat beschloss in diesem Juni, dass die Stadtverwaltung die Schaffung eines kommunalen Unternehmens zur Schaffung preisgünstigen Wohnraums prüfen solle. Die Stadtverwaltung steht einem solchen Projekt bisher kritisch gegenüber. Sie verweist darauf, dass ein städtischer Wohnungsbau mit höheren Investitionskosten für den Haushalt einhergehen würde und damit in Konkurrenz zu anderen Projekten treten würde. Positiv könnte sich hingegen auswirken, dass eine städtische Gesellschaft Grundstücke bebauen könnte, die sich bereits im Eigentum der Kommune befinden, hierdurch könnten wiederum die Mieten geringer ausfallen.
Dass sozialer und gemeinnütziger Wohnungsbau funktionieren kann, zeigt Wien. Hier investiert die Stadt seit dem Ende des Ersten Weltkrieges in gemeinnützigen Wohnungsbau, dessen Vergabe an Gehaltsobergrenzen geknüpft ist. Mieten und Mietsteigerungen fallen hier niedriger aus. Hierfür ist die Stadt bereit, 4 % ihres Haushaltes (ca. 550 Millionen Euro) in den Wohnungsbau zu investieren. Für Oldenburg würde dies eine Summe von über 20 Millionen Euro bedeuten, die jährlich in den Wohnungsbau investiert werden müssten. Derzeit beläuft sich die Wohnungsbauförderung der Stadt auf 750.000 Euro. Wie akut der Bedarf an sozialem Wohnungsbau ist, zeigt derweil der Blick auf den Bestand an preisgünstigen Wohnungen in Niedersachsen. Vor dreißig Jahren existierten noch 120.000 Sozialwohnungen, 2022 werden es nur noch 40.000 sein.
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