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Absolut leiterfest. Hansjürgen Festerling hat über 35 Jahre die Schleiereulen im Blick18.08.2022
Hansjürgen Festerling nennt die Unterlagen, die vor ihm liegen sein Lebenswerk. Darin akribisch dokumentiert die Population von Schleiereulen in Oldenburg, der Wesermarsch, dem Ammerland, Teilen von Friesland und dem Cloppenburger Raum. Seit 1985 ist der 82-jährige unterwegs, um die Verbreitung von Schleiereulen zu fördern und für den NABU zu beobachten. Anhand dieser Aufzeichnungen lässt sich nicht nur über die SchleierEulenpopulation etwas lernen, sondern auch über zahlreiche Veränderungen in der Umwelt. Als ein Bekannter Hansjürgen Festerling vor 37 Jahren auf die erste Schleiereulentour mitnahm, gab es 50 Schleiereulenkästen zu kontrollieren, heute sind es 300. Diese speziell gefertigten Kästen im Format 1m x 60cm x 60cm werden in geschlossenen Räumen wie Kirchen oder in Bauernscheunen montiert, um den Tieren einen geeigneten Nistplatz zu bieten. „Schon 1979, nach dem schneereichen Winter war die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Oldenburg darum bemüht, der komplett dezimierten Population zu helfen. Erst wurden Plastikwannen mit Stroh zum Nisten aufgestellt und Labormäuse zum füttern gekauft, später folgten dann die ersten industriell gefertigten Kästen und Nisterfolge.“, erzählt Hansjürgen Festerling: „Das sprach sich unter den Bauern herum, schließlich ernähren sich die Schleiereulen von Mäusen und bieten so einen Nutzen.“ Heute braucht Hansjürgen Festerling 21 Tage, um die Bestände in der Region zu überprüfen und zu dokumentieren. Dabei hält er fest, was er in den Nestern vorfindet, sei es Schleiereulenbrut, ein leeres Nest oder ganz andere Arten wie Dohlen, die es sich in den Kästen gemütlich machen. Doch mit 82 Jahren ist das keine leichte Aufgabe. Es gilt, Leitern und Ausrüstung zu transportieren und Höhen weit über 4 Metern zu überwinden. „Dieses Jahr hatte ich immer 2 Helfer dabei, die das Tragen und Aufstellen der Leitern übernehmen. Aber nach oben muss meist ich. Nur wenige Menschen sind wirklich leiterfest, vor allem, wenn diese frei im Raum steht und nur oben am Nistkasten auf einem Scheunenbalken lehnt, und es keine stützende Wand gibt, die Sicherheit bietet.“, erzählt er. Aus diesem Grund gibt es aktuell auch große Schwierigkeiten, geeignete Nachfolger zu finden, die Festerlings langjährigen Aufgaben fortführen können, die dieser in absehbarer Zukunft aufgeben wird. Bevor Hansjürgen Festerling im Jahr 2000 in Rente ging und sich gänzlich seinem Projekt widmen konnte, arbeite er als Elektriker, doch naturverbunden war er schon immer. „Ich war mehr auf Wälder spezialisiert, aber das war dann nicht mehr relevant, als ich in diese Region gezogen bin.“, so Festerling. Geboren wurde er in Ostpreußen an der Memel. Nachdem sein Vater eingezogen wurde und nicht zurückkehrte, musste Festerling mit seiner Mutter und Schwester fliehen. Der Weg führte die Familie nach Boizenburg in Mecklenburg-Vorpommern, wo er eine Ausbildung zum Förster begann. Als seine Mutter jedoch zur Hilfsrichterin berufen werden sollte, was für diese keine Option war, ging es 1955 in den Westen. Gemeinsam mit seiner Schwester fuhr er mit dem Rad 10 km über die Grenze, während die Mutter mit dem Zug folgte. Über das Flüchtlingsauffanglager in Uelzen führte der Weg schließlich zu Verwandten nach Brake und anschließend Nordenham. Dort war die Fortführung der Lehre zum Förster finanziell nicht mehr möglich und Hansjürgen Festerling absolvierte eine Ausbildung zum Elektriker. In Oldenburg machte er seinen Meister und führte diesen Beruf bis zur Rente fort. Anfang der 70er Jahre wurde sein Interesse an der Vogelwelt über einen Freund entfacht, der ihn mit zu einer ornithologischen Wanderung in die Donnerschweer Wiesen nahm und den Elektriker so zurück zur Natur führte.
Text und Foto: Thea Drexhage