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Bernard Herrmanns Filmmusikklassiker. Interpretiert von Somtow Sucharitkul und Siam Sinfonietta31.08.2022
Es ist ein mitunter schwer zu lösendes Problem nicht nur für Kritiker, dass der Anteil aller Beteiligten am Gesamtkunstwerk Film im Nachhinein zu oft auf die üblichen Verdächtigen wie Darstellerriege und Regie reduziert wird - obwohl einem die Wirkung der per Mundharmonika intonierten Melodie zu Sergio Leones Edel-Western „Spiel mir das Lied vom Tod“ ähnlich bewusst sein sollte, wie die aufwühlend orchestrierte Annäherung des Monster-Hais an jene arglos ihrem Schicksal entgegen kraulende Schwimmerin in Steven Spielbergs Kulthit „Der weiße Hai“. Während Filmkomponisten wie Ennio Morricone oder John Williams weltweit geschätzt werden, dürften viele ihrer Kollegen allenfalls Insidern mit Namen bekannt sein. Was selbst dann gilt, wenn es sich um begnadete Alleskönner handelt. Beispiel gefällig? Wenn Cineasten über Sir Alfred Hitchcocks Kinoklassiker „Psycho“ von 1960 nachdenken, dann könnte ihnen ganz automatisch jene legendäre Mordszene unter der Dusche in den Sinn kommen – und vor unserem inneren Auge rekapitulieren wir, wie sich ein menschlicher Schatten dem von Janet Leigh verkörperten Opfer im Bad nähert, um auf die Ahnungslose rabiat einzustechen, während einem ein Streicherensemble hörbar expressiv in den Ohren schrillt. Der Schöpfer dieser Klangeffekte, die den ultimativen Thrill erst erlebbar machen, ist Filmkomponist Bernard Herrmann, dessen Kinokarriere mit seiner Arbeit für Orson Welles Meisterwerk „Citizen Kane“ von 1941 auftaktete, bevor er Jahre später als Hitchcocks zeitweiliger Stammkomponist neben seinen entfernt an Bartok oder Strawinsky erinnernden modernen kammermusikalischen „Psycho“-Klängen auch großorchestrale Scores zu kultigen Klassikern wie „Vertigo“ oder „Der unsichtbare Dritte“ ersann und sich bis zu seiner letzten Arbeit, der jazzigen Filmmusik zu Martin Scorseses „Taxi Driver“ von 1975, als verlässlich experimentierfreudig erwies.
Als Kind jüdisch-russischer Einwanderer in die Vereinigten Staaten im Sommer 1911 in eine nicht sonderlich musikaffine Familie hineingeboren, wurde das früh erkennbare musikalische Interesse des Juniors dennoch vom Vater nach Kräften gefördert – und ließ den musisch hochbegabten Youngster nach Beendigung seiner New Yorker Schule ein Stipendium fürs Kompositionsstudium an der renommierten Juilliard School ergattern. Mit achtzehn Jahren war der musikalische Überflieger so weit, dass er von seinem Talent leben konnte. Anno 1933 nahm ihn das CBS Radioorchester als Dirigent und Komponist unter Vertrag, wo workoholic Herrmann überm Hörspielmusiken komponieren das Multitalent Orson Welles kennen lernte. Ihrer Zusammenarbeit am Hörspiel „Krieg der Welten“ folgte dann 1941 das im Kino Maßstäbe setzende Sensationsdebüt „Citizen Kane“ nach. Dass der in Hollywood zuvor gänzlich unbekannte Filmkomponist dann für seine Kompositionen zu William Dieterles Kassenschlager „All that money can buy“ eine Oscar-Trophäe einheimste, erwies sich als Türöffner in LaLa-Land. In den nächsten paar Jahren zeigt sich der von der Traumfabrik hofierte Freiberufler offen für Experimente: Anno ´51 verwendet der nach Los Angeles übersiedelte Ex-New Yorker für „Der Tag, an dem die Erde still stand“ zwei Theremins, womit Herrmann den Sound von Sci-Fi-Filmen generell prägt. Nach ihrer Kooperation für sein Regiedebüt „Der Mann aus Kentucky“ bezeichnet Hollywood-Größe Burt Lancaster den Komponisten als den schwierigsten Mann, mit dem er je zusammengearbeitet habe. Die Begegnung mit einem gleichermaßen schwierigen Charakter leitet die fruchtbarste Kollaboration in Herrmanns Laufbahn ein. 1955 arbeitet er für „Immer Ärger mit Harry“ erstmals mit Alfred Hitchcock zusammen. Umgehend avanciert das Musikgenie zum Stammkomponisten des Masters of Suspense. Es folgen „Der Mann, der zuviel wusste“, „Der falsche Mann“ und „Vertigo“ sowie „Der unsichtbare Dritte“. Mit „Psycho“ erreicht die gemeinsame Zusammenarbeit 1960 ihren Höhepunkt. Als die US-Produktionsfirma Universal dann vor dem Hintergrund des aktuellen Zeitgeists und dem am Horizont aufziehenden New Hollywood von ihrem britischen Regiealtmeister Unterhaltungsmusik verlangt, kommt es überm Arbeiten an „Der zerrissene Vorhang“ zum Bruch zwischen Hitch und Herrmann.
Filmkomponist Herrmann übersiedelt nach England, arbeitet von dort aus mit Regiegrößen wie Francois Truffaut oder dem Hitchcock-Verehrer Brian de Palma zusammen – und steuert anno 1975 Martin Scorseses „Taxi Driver“ einen Soundtrack bei, der mit wehmütigem Jazz die Isolation der von Robert de Niro gespielten Titelfigur kongenial auf den Punkt bringt. Kurz nach Fertigstellung dieser Filmmusik stirbt Herrmann mit 64 Jahren.
Nachdem dem umtriebigen Musik-Veteran Somtow Sucharitkul in Zusammenhang mit der Weltpremiere des von ihm mit konzipierten Oldenburger Filmfestival-Closing Night-Events „The Maestro“ im Vorjahr die Spirit of Cinema-Trophäe zuerkannt worden war, will das Multitalent in diesem Jahr dem Huntestädter Festivalpublikum die grandiosen Filmmusiken des von ihm über die Maßen geschätzten Großmeisters Bernard Herrmann in Erinnerung bringen. Zum Galakonzert in der Lambertikirche am 17. September wird das zwischen Thailand und den Vereinigten Staaten dauerpendelnde musikalische Crossover-Genie Sucharitkul mit dem von ihm gegründeten thailändischen Jugendorchester, der Siam Sinfonietta, ein Medley aus Bernard Herrmanns Filmmusiken zum besten geben. Ein Muss nicht nur für Cineasten.
Text: Horst E. Wegener
Foto: Thea Drexhage
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