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Wochenzeitung DIABOLO:
Ex-Kanzler in Konfektschachtel: Aus alt mach neu: „MARTHA tauscht“06.03.2019
Text und Foo | BRITTA LÜBBERS
Ein altes Frühstücksbrett, das neu bemalt zum Deko-Stück wird; eine ausgediente Uhr, deren Einzelteile auf einen Rahmen geklebt ein Blickfang sind; eine umgedrehte Mokkatasse, die nun ein Hut ist – dies sind nur drei der Kunst-Objekte, die die Künstlergruppe MARTHA aus Gegenständen fertigt, die ausgedient haben, die eigentlich in den Müll sollten.
Seit drei Jahren veranstaltet die kreative Gemeinschaft, die sich Atelierräume in einem ehemaligen Gewerbegebäude am Hackenweg teilt, ihre Aktion „MARTHA tauscht“, die jeweils zum Tag der offenen Tür stattfindet. Das Prinzip ist so einfach wie wirkungsvoll: Die Besucher bringen Gegenstände mit, die nicht größer als 30 Zentimeter sind, und die entweder ein unbeachtetes Dasein in Schubladen führen oder gar als Abfall gelten. Alte Bilderrahmen und Bilder, Stoffe, Wolle, Glas und Porzellan, Nippes aus Plastik und Holz, ja sogar ausrangierte Putzlappen sind geeignet, unter den geschickten Fingern der Künstlerinnen und Künstler eine ganz neue Identität zu erhalten. Die Kunstgegenstände, die aus den scheinbar nutzlosen Dingen entstanden sind, werden an einer Wand befestigt. Jeder Besucher, der etwas Abgeliebtes mitbringt, kann sich von der Wand bedienen. „MARTHA tauscht Kunst gegen Material“, so lautet die Devise. Aber wer genau ist MARTHA, und wie entstand die Idee zu diesem einzigartigen Projekt gegen Wegwerfdenken und Konsumwahn?
Theo Haasche (Malerei), Petra Jaschinski (Malerei und Keramik), Beate Lama (Objekte, Malerei und Fotografie) und Nina Jersch (Malerei) bitten zum Austausch ins Atelier. Zur Gruppe zählt auch Tina Pöpken (Malerei und Fotografie), aber sie ist an diesem Nachmittag verhindert. „Wollen Sie erst einmal sehen, was wir so machen?“, fragt Petra Jaschinski und lädt ein zur Führung. Die großzügige Halle, in der sich die fünf jeweils ein Atelier eingerichtet haben, ist ideal für das Kunstschaffen geeignet. Jeder Raum geht in den nächsten über, jedes Atelier ist vom anderen nur durch eine Art Vorhang getrennt. „Zum Tag der offenen Tür räumen wir noch auf“, schmunzelt Petra Jaschinski und deutet auf das kreative Chaos. Jede Werkstatt hat eine eigene Atmosphäre. Es riecht nach Farbe und Farblöser, Bilder stehen und hängen, es gibt Fotos und Keramik zu bestaunen.
Vor 15 Jahren haben Petra Jaschinski und Theo Haasche die Ateliergemeinschaft ins Leben gerufen. Die Mitglieder wechselten zunächst, aber so, wie es jetzt ist, sei es gut, sagen die vier Anwesenden. Das Gespräch findet nun am großen Küchentisch statt, kleine Kuchen stehen bereit, die Sonne flutet die Wände. Nicht alle aus der Gruppe leben von ihrer Kunst. Nina Jersch arbeitet als Lehrerin. Beate Lama hat eine Zeit in den USA gelebt, aber bei allem, was sie gemacht hat, „immer den Bezug zur Kunst behalten“. Theo Haasche, der Lehrer wurde und nicht einen Tag vor einer Klasse stand, weil er lieber Künstler sein wollte, hat den Weg des Freiberuflers gewählt. Das sei nicht immer einfach, sagt er. Der Markt ist wählerisch, aber zurzeit läuft es recht gut. Petra Jaschinski erklärt, sie sei Autodidaktin.
Man darf es sich durchaus angenehm vorstellen, das Arbeiten in den benachbarten Ateliers und die Zusammenkünfte in der gemütlichen Küche. Hier entstand auch die Idee zur schöpferischen Tauschbörse. „Wir haben das Konzept an einem einzigen Arbeittag entwickelt“, erzählt Beate Lama. Mit der Aktion vereint die Künstlergruppe das, was den Mitgliedern wichtig ist. Sie verstehen das kreative Upcycling als künstlerisches Statement für mehr Nachhaltigkeit und gegen die Wegwerfgesellschaft. Zum anderen möchten sie auf die „immer selbstverständlicher werdende unentgeltliche Vereinnahmung künstlerischer Arbeit durch öffentliche und kulturelle Institutionen“ aufmerksam machen. „Wir wünschen uns eine faire Wertschätzung für Kunst und Umwelt“, betonen sie.
Nicht nur ihre Aktion, auch der regelmäßig stattfindende Tag der offenen Tür findet rege Resonanz. Hunderte von Menschen kommen dann ins Atelier, diskutieren mit den Künstlern, genießen Suppe und Kuchen oder besuchen das Konzert am Samstagabend. Diesmal tritt die Oldenburger Band BlackBirdPoetry auf.
Die von den Gästen mitgebrachten Wegwerfdinge landen in einer großen Seemannskiste und erhalten später Stück für Stück ihr Relaunch. Bereits fertige Werke aus der letzten Aktion hängen schon an der Küchenwand. Darunter ist z.B. eine Pralinenschachtel, deren leere Konfekthüllen Theo Haasche mit Fotoporträts aus einer ebenfalls entsorgten Zeitschrift versehen hat. „In der zweiten Reihe, der zweite von links, das ist Gerhard Schröder“, sagt er. Beate Lama wiederum hat einen Fahrradschlauch in einen Rahmen eingepasst, aus dem bunte Fasern hängen. Inoffizieller Titel: „One year before Banksy“. Sie lacht. Denn Banksy, der geheimnisvolle Street-Art-Künstler, hat auch einmal ein Bild geschreddert. Während einer Auktion. Unter großer medialer Aufmerksamkeit. Aber halt erst ein Jahr nach Beate Lama. MARTHA ist eben in jeder Hinsicht ein wegweisendes Projekt.
Atelier MARTHA
Hackenweg 33
Tag der offenen Tür
30. März, 14 Uhr bis open end
Ab 22 Uhr Konzert mit BlackBirdPoetry
31. März, 11 bis 18 Uhr
Tel. 0441 / 8000620
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