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kulturbericht: Ernste und lustige Produktionen09.10.2024



Fast alle zwei Jahre wurde im Schnitt eine neue Revue geschrieben, produziert und an vielen Spielorten in Ostfriesland und Umgebung einem begeisterten Publikum vorgestellt. Motor dieser Aktivitäten ist Christine Becker-Schmidt. Sie hat unter anderem den sehr bekannten Frauenchor Die „Malle Diven“ gegründet, leitet die Revuen und schreibt viele der Texte. Inzwischen sind in dem Chor auch einige Männer aktiv. So wurde der Name geändert: „Die Fußnoten“ heißt er jetzt.

Am Anfang ein Frauenchor
Immer wieder freuten sich bei den „Malle Diven“ die Zuschauer auf den Auftritt der ‚verrückten Frauen‘. Da ging es oft um das Dauerthema Frauen und Männer, mal auf Plattdeutsch, mal auf Hochdeutsch. Dabei nahmen sie (und nehmen sie auch unter dem neuen Namen) nicht nur die Männer sondern gerne auch sich selbst ein wenig aufs Korn. Der Chor bringt die männlichen und weiblichen Zuhörer immer schnell zum Schmunzeln. Auch aus dem Genre ‚Krimilieder‘ oder der eher „maritimen Ecke“ haben die Sängerinnen und Sänger mit vielen bekannten Gassenhauern viel zu bieten. Aber selbst da, etwa wenn ‚Hering und Makrele‘ im Lied zueinander finden, geht es oft um das Thema der Geschlechter. Und wenn es überhaupt nicht klappt, gibt es, frei nach dem Song „Skandal im Sperrbezirk“ immer noch den Callboy Robert aus Grimersum.

Viele ernste Themen im Programm
Aber das Ensemble bearbeitet auch oft sehr ernste Themen. Eine besondere Produktion in diesem Zusammenhang war „Der Funke Hoffnung“. Es geht darin um die in Norden geborene Jüdin Recha Freier. Sie hatte fast 10000 jüdische Kinder vor den Nazis gerettet. Mit dem Stück wurde die Gruppe vom SPD-Abgeordneten Johann Saathoff vor einigen Jahren in die niedersächsische Landesvertretung nach Berlin eingeladen um dort am „Gedenktag gegen das Vergessen“, dem 5. November, das Stück aufzuführen.

Zum Leben der Sozialdemokratin Wilhelmine Siefkes
Volle Säle erreichten im Jahre 2015 auch die Auftritte zum Leben von Wilhelmine Siefkes. Es war eine hochprofessionell dargebotene ‚Theatercollage mit Musik‘ über das Leben der in Leer geborenen niederdeutschen Schriftstellerin und Sozialdemokratin, deren Geburtstag sich damals zum 125. Mal jährte. Neben den Aufbruchsjahrzehnten der 1920er und 1930er Jahre wurde dabei natürlich auch die dunkle Zeit des Nationalsozialismus in Musik und Theaterspiel in Szene gesetzt. Das ging unter die Haut.
Siefkes erhielt seinerzeit Berufsverbot weil sie sich weigerte, eine ‚Ergebenheitserklärung auf den Führer‘ zu unterschreiben. Die Veröffentlichung ihrer Gedichte, Kurzgeschichten und Romane wurde verboten. Mehr durch Zufall gelang ihr aber doch die Veröffentlichung ihres sozialkritischen Romans „Keerlke“ mit deutlichen Schilderungen des ärmlichen Arbeitermilieus. Er wurde 1940 an der Zensur vorbei, nicht jeder zuständige Kontrolleur war gebildet und im Bilde, veröffentlicht. In der Theaterproduktion heißt es dazu: „So entdeckte der Roman Keerlke das Licht der Nazi-Welt.“ Dummheit und Unwissenheit hatten, in diesem Fall einmal positiv gewendet, dafür gesorgt.

100 Jahre Frauenwahlrecht
Ein Musiktheater zu 100 Jahren Frauenwahlrecht („Keine Wahl ist keine Wahl“) brachte die LAK im Herbst 2019 auf die Bühne. Auf der einen Seite der ‚Männerchor des Geschlechterkampfs‘. Auf der anderen der entsprechende Chor der Frauen. In historischen Szenen wurde da der Kampf zwischen Frauen und Männern bis in die Jetzt-Zeit vorgestellt. Denn in diesem Jahr jährte sich die Einführung des Frauenwahlrechts zum 100sten Mal.
Nach einigen lockeren ‚Aufwärmsongs‘ und Schlagern wurde es in dieser Revue ernst. Eingebunden in die Arbeit einer Journalistin im Jahre 2019 traten in einer Zeitreise wichtige historische Persönlichkeiten auf. Clara Zetkin war darunter, Marie Juchacz und auch die Ostfriesinnen Dr. Hermine Heusler-Edenhuizen und Wilhelmine Siefkes. Es wurden Szenen aus deren Leben und Kampf für die Rechte der Frauen gespielt. ‚Männer‘ im Biergarten, die sich über die Emanzipationsbestrebungen lästernd auslassen, gehörten dazu: „Die Frauen haben doch viel zu kleine Gehirne.“ Das sei schließlich wissenschaftlich bewiesen.  Gleichzeitig, und da brauchten die Männer wohl etwas länger um dies zu begreifen, wurden Frauen im ganzen Land aktiv im Kampf für ihre Rechte. Denn oft waren sie am Herd und als Gebärmaschinen wichtig für Kanonenfutter und Mutterkreuze. Kritisches Selberdenken war nicht so gefragt. Schließlich kam dann 1949 das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Aber bis heute war und ist die Gleichberechtigung noch immer nicht überall umgesetzt. Unterschiedliche Bezahlung für die gleiche Arbeit, kaum oder wenige Frauen in Vorständen, Parteien und Regierungen. Musikalisches Fazit des Frauenchors: „Es dürfen noch ein paar Prozente mehr sein.“ Dem „Männerchor des Geschlechterkampfes“ fiel da nur der alte Stephan Sulke Hit ein: „Uschi mach kein Quatsch.“

Die aktuelle Revue 2024: „Geld oder Leben“
„Geld regiert die Welt“. Sagt man doch so. Aber stimmt das und wenn ja: muss das denn immer so sein? Das ist das aktuelle Thema der Musiker und Theatermacher der LAK. Auch diese Revue wurde von Christine Becker-Schmidt entwickelt und umgesetzt. Wie immer mit viel Augenzwinkern und genauso viel Ernsthaftigkeit.
Bei „Geld oder Leben“ wird der Scheinwerfer auf viele Aspekte des Geldes und der manchmal (zu) weitgehenden Gier danach beleuchtet. Dazu hat Schmidt sich in dem großen Fundus von Liedern zu diesem Thema bedient. Denn da gibt es zwischen endlos vielen Schlagern, aussagestarken Popsongs und zahlreichen Rock-Stücken ja jede Menge bekannte Hits zu hören. Und viele davon werden auf die Bühne gebracht.  Große Hits sind da mit dabei: Von „Monopoly“ (Klaus Lage) über „Kaufen“ (Herbert Grönemeyer) bis zu „Money“ (Pink Floyd) geht es quer durch die Musikrichtungen. Begleitet wird der Chor von einer kleinen Musikgruppe mit Keyboard, Bass und Gitarre. Und da es sich bei dem Projekt ja auch wieder um eine Revue handelt, werden die Stücke durch ein vielseitiges Theaterensemble theatralisch in Szene gesetzt. Bei den aussagekräftigen Musiktiteln brauchen die Schauspieler keine großen Dialoge. So treten die bekannten Stücke mit den gespielten Szenen und Bildern in einen schönen Dialog.  Bei allen Produktionen, auch bei den politisch und historisch schwierigen Themen, gelingt es Musikern und Theaterleuten der LAK immer wieder hervorragend, Dummheit, Vorurteile und Gewalt mit einem kleinen Augenzwinkern auf die Schippe zu nehmen, manchmal die einzige angemessene Form.
Text und Foto: Joachim MIttelstaedt

Kontakt für Anfragen und Buchungen: 04926-9265777, info@lak.de

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