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Filmfest Oldenburg: Entführungsdramen aus L.A. und Japan27.09.2023



Text und Foto: Thea Drexhage
Eine junge Frau wird entführt und der Held des Films begibt sich auf den steinigen Weg die „Damsel in Distress“ zu retten. Was dabei in der Frau vorgeht wird in Filmen oft zur Nebensache. In der Independent Reihe des diesjährigen Olden-burg Filmfestival haben sich direkt zwei Spielfilme dieser The-matik aus einem anderen Blikkwinkel angenommen. „From Dawn Til Noon On The Sea“ aus Japan und „Beautiful Friend“ aus den USA befassen sich mit der Psychologie hinter so einem Akt, sowohl auf Seite des Täters als auch auf der Opferseite. Beide Filme verflechten dabei vor-herrschende Umstände ihrer Herkunftsländer, um Erklärungs-versuche für Entführung und Gewalt zu finden.
„Beautiful Friend“ ist dabei aufgezogen wie ein düsteres Heimvideo, das im Dark Web auftaucht. Der junge Mann Daniel (Adam Jones) findet sich während der Coronapandemie zunehmend vereinsamt wieder und plant die Entführung einer scheinbar willkürlich ausgewähl-ten Frau, um sie zu zwingen, ihn zu lieben. Daniel ist ein Incel, also ein Mann, der unfreiwillig im Zölibat lebt, obwohl er der Meinung ist, ein Recht auf Sex zu haben, gleichzeitig aber auch innerlich tiefen Hass gegenüber Frauen hegt - Incels zählen dabei zu einer Gruppe Menschen, die aktuell in den USA zuzunehmen scheint. Daniel baut nun also seinen Van um, um die junge Madison (Alexandra Meyer) zu kidnappen und tagelang in der Wüste gefangen zu halten. Dabei zeichnet der Film die Bilder zweier tief verstörter Personen und zeigt auf sehr drastische Art, zu welchen grausamen Taten der Mensch aus reiner Überzeugung fähig ist. Regisseur Truman Kewley hat mit Beautiful Friend ein Werk geschaffen, das es verdient, gesehen zu werden, das gleichzeitig aber auch hohes Durchhaltevermögen von seinem Publikum, das bei diesem offenen Ende sprachlos zurückgelassen wird, verlangt. Entstanden ist der Film durch tiefgehende Recherche und mit psycho-logischer Betreuung am Set, wie die Crew nach dem Screening verrät. Adam Jones findet sich in “Beautiful Friend” in seiner ersten Spielfilmrolle wieder und zeichnet den Charakter Daniel derart überzeugend, dass das Anschluss-gespräch auch notwendig ist, um die Grenze zwischen Realität und Fiktion zu ziehen, denn in Wirklichkeit ist Jones ein wirklich netter, zugänglicher Typ. Alexandra Meyer berichtet derweil über ihre Vorbereitung. Sie selbst habe in der Vergangenheit Missbrauchs-erfahrungen gemacht und sich mit vielen weiteren Opfern und Psychologinnen über die Rolle unterhalten. So gelingt ihr auch ohne viel Text die überzeugende Darstellung von Angst, Verzweiflung, Scham und Schmerz, sowie von einem win-zigen Funken Verständnis für ihren Peiniger.
Takayuki Hayashis „From Dawin Til Noon On The Sea“ beginnt ganz ähnlich. In einem Tunnel wird Schülerin Mai von einem brotlosen Künstler in seine Wohnung entführt, nicht, damit er sich an ihr vergehen kann, sondern damit dieser ihr seine Geschichte erzählen, kann bevor er an seinem 27. Geburtstag, nach dem Vorbild unzähliger Rockstars, plant, sein Leben zu beenden An diesem Tag beschließt er, Mai gehen zu lassen und verlässt selbst seine Wohnung. Als er zurück-kehrt, weil er sein Vorhaben nicht durchziehen konnte, stellt er erschrocken fest, das Mai nicht geflohen ist. Denn auch sie hatte vor der Entführung den Entschluss gefasst, sich umzu-bringen und weiß nun nicht so recht, wohin mit sich. Es entwickelt sich eine ungewöhn-liche Dynamik zwischen den beiden Figuren, bevor sich unerwartet ihre Wege trennen. Der Film springt dabei zwischen der Gefangennahme und der Zeit, als Mai nach 49 Tagen zurück in die Schule kehrt und mit den Nachwirkungen zu kämpfen hat, hin und her. In einem Land, das von hohen Suizidraten Jugend-licher geprägt ist, zeichnet “From Dawn Til Noon On The Sea” ein zuerst recht düsteres Bild, um dann mit einem überraschend hoffnungsvollen Ende eine Last von den Schultern der Zuschauer fallen zu lassen. Beide Filme schaffen es, trotz geringem Budget und kleiner Crew vor allem durch handwerkliches Können tiefe Emotionen im Publikum aus-zulösen ohne dabei auf übermäßig erklärende Dialoge oder Effekt-hascherei zu setzen. Den Filme-machern ist es gelungen, durch eine, bis ins letzte Detail durchdachte, Bildsprache und gut ausgewählte Schauspieler*innen komplexe Themen auf kleinste Elemente runterzubrechen, stän-dig wiederkehrende Filmtropen aufzulösen und Opfern eine Stimme zu geben. Während “Beautiful Friend” wegen seiner drastischen Darstellung wohl auch weiterhin nur einem Indepen-dentkino-Publikum vorbehalten bleiben wird, wäre bei “From Dawn Till Noon On The Sea” ein Sprung auf die größere Leinwand durchaus denkbar. Es ist wenig verwunderlich, dass Alexandra Meyer den Seymour Cassel Award für die beste Darstellerin entgegen nehmen konnte, während „From Dawn Till Noon On The Sea“ den neuen Preis der Hans Ohlms-Stiftung für den besten Erstlingsfilm gewann.

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