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Solidarität ist keine Einbahnstraße…
Zwischen Nachbarschaftshilfe und Corona-Bonds28.03.2020



Christoph Kienemann
Bild: © Amnesty International

Sind wir wirklich so solidarisch? Überall entstehen derzeit Initiativen, die an die Solidarität der Menschen appellieren und beispielsweise dazu aufrufen, ein virtuelles Bier in seiner Lieblingskneipe zu bestellen. Die Politik schnürt Hilfskredite und sogar in der EU wird über die gemeinsame Schuldenaufnahme diskutiert. In vielen Hausfluren hängen Aushänge, in den junge Menschen den Älteren Hilfe bei der Bewältigung des Alltags anbieten. Andererseits zeigen Hamsterkäufe in den Supermärkten oder die Grenzschließungen der letzten Tage, dass die Solidarität auch ihre Grenzen hat. Als Italien z.B. vor zwei Wochen in der Corona-Krise den EU-Katastrophenmechanismus aktivierte, meldete sich zunächst kein einziges Land und bot Hilfe an. Solidarität bedeutet zunächst einmal der Zusammenhalt von Menschen, die sich gegen die Verhältnisse wehren. Im Rahmen der Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts solidarisierten sich die Arbeiter auch über internationale Grenzen hinweg. So solidarisierten sich englische Arbeiter während des amerikanischen Bürgerkrieges mit Präsident Lincoln und setzten damit ein Zeichen für die Abschaffung der Sklaverei. In den letzten Jahrzehnten setzte der Neoliberalismus, mit seiner Denkweise „jeder ist sich selbst der nächste, den Gedanken der Solidarität immer weiter unter Druck. Wenn sich nun Politiker*innen mit vielen Angestellten in den Krankenhäusern solidarisch erklären, dann darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ökonomisierung des Gesundheitswesens erst die Strukturen geschaffen hat, die heute problematisch sind.
Ein Ort der fehlenden Solidarität scheint derweil die Runde der EU-Regierungschefs zu sein. Weder beim Thema der Entlastung Griechenlands bei der Versorgung der Geflüchteten, noch bei der Frage der finanziellen Unterstützung von Italien und Spanien bei der Bewältigung der Corona-Krise kamen die Regierungen der EU-Staaten weiter. Statt dem Problem mit gemeinsamen Anleihen zu begegnen, will insbesondere die Bundesrepublik lieber auf den ESM-Schirm setzen und sich Sanktionen gegen Staaten vorbehalten, die „zu viele“ Schulden aufnehmen. Dabei wäre es gerade an dieser Stelle längst an der Zeit, dass die Politik sich zu einer solidarischen Rahmensetzung entscheidet.

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