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Interview: Till Gerhard (Künstler von hier)05.03.2020



Text und Foto  | Karin Eickenberg

Seine Arbeiten sind in Hamburg und Berlin, in Helsinki, New York, London, Oslo und Madrid zu sehen – und jetzt  zum ersten Mal in Oldenburg! Wurde auch Zeit. Denn seit 2015 lebt und arbeitet Till Gerhard bei uns auf dem Lande, in Huntlosen-Hosüne. Nach Jahren des Hamburger Kunstlebens zog es den international renommierten Maler raus aus der Großstadt, mehr in die Natur. Seine  Gemälde bewegen sich zwischen figurativen und abstrakten Elementen, zwischen Traum und Wirklichkeit, Mystik und Mysteriösem. So auch die Ausstellung „Verlorener Schnee“, die aktuell im Kunstforum der Werkschule Oldenburg läuft. Gerhard zeigt hier Winterlandschaften und winterliche Bräuche aus dem Alpenraum, wie das „Klausentreiben“. „Alte Rituale und das Archaische reizen mich, eine wilde Energie, die in unserer zivilisierten Welt kaum noch vorkommt“, meint er. Einige seiner Figuren sind zudem verhüllt. Das entzieht dem Betrachter die Möglichkeit, aus ihren Gesichtern zu lesen und lenkt den Fokus mehr auf Körperhaltung und Bildkomposition. „Viele finden das eher unheimlich. Ich selbst finde Bilder, die für mich ein Geheimnis behalten, die nicht erklärlich sind, am besten.“ Kleckse und Farbverwischungen brechen die Motive und sorgen für weitere Irritationen. Man müsse Kunst nicht verstehen, ist Gerhard überzeugt, „entweder man ist offen für den Klang des Künstlers oder man kann damit nichts anfangen.“  Till Gerhard ist 1971 in Hamburg geboren. Zunächst studierte er Freie Kunst an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel und wechselte dann an die Hamburger Hochschule für angewandte Wissenschaften, Fachbereich Gestaltung. Zur Finissage seiner Oldenburger Ausstellung  lädt das Kunstforum am 13. März, 18.00 Uhr, zu einem Künstlergespräch ein. Eine Gelegenheit, die man nicht verpassen sollte.

DIABOLO: Was hat Sie zu Ihrer Kunst gebracht?
Gerhard: Vielleicht waren es Joseph Beuys und das Mammutskelett im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt. Meine Großmutter lebte in Darmstadt und bei Besuchen gingen wir häufig ins Landesmuseum. Das Mammutskelett faszinierte mich gleichermaßen wie die seltsamen Gegenstände im Block Beuys. Ich verstand diese nicht, aber Objekte wie der Fettstuhl hatten eine fast magische Anziehungskraft. Ein gutes Beispiel dafür, wie Kunst am Verstand vorbei wirken kann.
DIABOLO: Was möchten Sie mit Ihrer Kunst bewirken?
Gerhard: Im besten Falle bin ich da raus. Dann wirkt Kunst durch sich selbst, Risiken und Nebenwirkungen eingeschlossen. Wie Gerhard Richter sagt, sind die Bilder schlauer als er selbst. Diese können etwas transportieren, was im Betrachter Resonanz erzeugt oder Empfindungen auslöst, die jenseits von dem sind, was die Intention des Künstlers war. Das ist das Schöne und gleichzeitig Spannende, wenn für mich ungeahnte Zugänge vom Betrachter erschlossen werden. Jeder stellt seine völlig eigene Beziehung zum Bild her.
DIABOLO: Mit welchen Themen setzen Sie sich auseinander?
Gerhard: Natur, Sub- und Gegenkulturen der 60er und 70er Jahre, Spiritualität, Utopien und deren Scheitern, Mythen, folkloristische Rituale mit vorchristlichen Ursprüngen, Popkultur, Filme, Musik.
DIABOLO: Wo und wie arbeiten Sie?
Gerhard: Auf einer Insel im Wald, from nine to five – naja, eher eleven to six.
DIABOLO: Ihre kreative Eigen-Art?
Gerhard: Versuch und Irrtum. Ich versuche mir häufig selbst ein Bein zu stellen, das heißt Dinge zu tun, die ich vorher noch nicht getan habe. Ich misstraue einem zu gekonnt gemalten Bild und wenn man sich zu sehr auf sein Handwerk verlässt. Insofern ist der Zufall mein bester Gehilfe. Häufig opfere ich zu „schön“ gewordene Teile und übergieße diese mit Farbe oder übermale sie. Ich will mich selbst überraschen und eigentlich nicht mehr wissen, wie ich zum endgültigen Bild gelangt bin. Ich vertraue auf den Prozess, auch, wenn das bedeutet, dass ein Bild mal Monate oder Jahre brauchen kann, um fertig zu werden.
DIABOLO: Ein Höhepunkt in Ihrer bisherigen Arbeit?
Gerhard: Kommt noch.
DIABOLO: Ein aktuelles Projekt?
Gerhard: Eine Einzelausstellung in der Galerie Michael Janssen in Berlin im Mai.
DIABOLO: Wo ist Ihre Kunst zu sehen?
Gerhard: Im Internet und demnächst in Paris, Berlin und Hamburg.
DIABOLO: Was bedeutet Erfolg für Sie?
Gerhard: Wenn ein Funke überspringt. Es freut mich sehr, wenn man spontane Reaktionen von Menschen erhält, die gar nicht unbedingt Bilder ansehen wollten oder eine Vorbildung in Kunst haben. So habe ich spannende Gespräche mit Handwerkern oder Putzleuten beim Auf- oder Abbau einer Ausstellung geführt, die eher zufällig über die Bilder „gestolpert“ sind und wegen irgendwas daran hängen blieben.
DIABOLO: Wie lebt es sich als Künstler im Oldenburger Land?
Gerhard: Ruhig und gut.
DIABOLO: Ein Wunsch, ein Plan, eine Vision?
Gerhard: Zeit für neuen Wein in neuen Schläuchen.
Kontakt: www.tillgerhard.de

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