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Von Jaderberg in den Rockzirkus06.11.2024



Interview & Foto: Thea Drexhage

MoX: Am 9.5.2025 erscheint „Freaks“ – Wer sind diese Freaks eigentlich?
Ina Bredehorn: Ich bin ein Freak auf jeden Fall, deshalb war lange Thema, ob das Album Freak oder Freaks heißt. Es ist ein Wort, das auf dem Album und generell in meinem Sprachgebrauch sehr viel vorhanden ist. Eines, das mir Leute als positives Attribut entgegenwerfen, andere aber auch als Beleidigung verwenden. Nenn mich so oder so. Ich und meine Leute, wir sind Freaks und das Schöne ist, dass das eigentlich ein ur-positiver Begriff ist für jemanden, der sich sehr stark in etwas reinversetzt und für etwas brennt. Ich würde sagen, wir alle sind die Freaks die aktuell versuchen, noch irgendetwas anders zu machen und nicht mit dem kompletten Strom zu schwimmen.
MoX: Die erste Single „Allez Allez“ klingt deutlich elektronischer als deine bisherigen Sachen. Weiterentwicklung wird in Szenekreisen gern auch kritisch betrachtet. Wie gehst du mit sowas um?
Ina Bredehorn: Es kam auf jeden Fall auch schon Kritik. Der lustigste Kommentar bisher war: Bitte nicht so viel Ballermann. Ich denke zwischen Ballermann und dem Song ist doch noch ein meilenweiter Unterschied. Das, was ich in meiner Karriere bisher am Allermeisten gehört hab als Lob war, wie authentisch ich bin. Ich finde es absurd, dass vermutlich dieselben Leute jetzt schreien: Oh mein Gott, wie kann sie uns nur unsere Cousine wegnehmen, wie wir sie kennen und lieben? Am Ende des Tages entwickle ich mich weiter. Ich habe mich immer weiterentwickelt und es sogar angekündigt mit den Worten: Ich bleib nicht hier und auch in Interviews zum letzten Album schon gesagt, dass ich sehr gespannt bin, wo die Reise hingeht, weil ich merke, dass da was los ist in mir. Aber ich kann die Menschen, die jetzt aufschreien auch beruhigen, denn es wird auf dem Album auch 2-3 Songs geben, die so klingen, wie sie das glaube ich gern hätten. Diese Lieder mag ich, aber ich konnte so kein ganzes Album schreiben, denn ich war einfach todesgelangweilt an manchen Stellen.
MoX: Wie würdest du dann deine Hörer*innen noch auf Freaks vorbereiten?
Ina Bredehorn: Erwarte gar nichts, dann wirst du überrascht!
MoX: Du veröffentlichst nun schon zum dritten Mal ein Album auf deinem eigenen Label. Warum hast du dich für diesen Weg entschieden?
Ina Bredehorn: Beim ersten Album war es stumpf so, dass die Angebote, die auf dem Tisch lagen, nicht gut aussahen. Schließlich wusste niemand wo das mit Deine Cousine und Ina Bredehorn, die eigentlich schon ein bisschen zu alt ist um eine Musikkarriere zu starten, hinführt. Ich habe zu sehr an mich selbst geglaubt, um sowas zu unterschreiben, denn die Realität wäre gewesen, dass ich bis heute nicht von meiner Musik leben könnte, hätte ich das getan. Ich war nun aber bis dahin gekommen in meinem Leben und habe immer das Risiko allein getragen, also machte ich das weiter. Wenn ich nicht an mich glaube, wer soll es dann tun? Das war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe, weil sie mir so viele Freiheiten ermöglicht.
MoX: Aus dem kleinbürgerlichen Jaderberg über eine Ausbildung zur Industriemechanikerin samt Meistertitel in die Musikbranche. Wie lässt man das sichere Leben hinter sich?
Ina Bredehorn: Ich hatte emotional gar keine andere Wahl. Ich wollte jahrelang, dass alle stolz sind auf mich und habe zu lange gedacht, dass es keine Alternative für mich gibt. Ich kam aus diesem Dorf und kannte auch niemanden sonst, der Musik so wirklich professionell gemacht hat. Für mich war das kein Job. Ich habe dann irgendwann gemerkt, als ich mit 23 neben der Arbeit noch angefangen habe Ingenieurwesen zu studieren, dass es das noch nicht sein kann. Jetzt kaufe ich mir ‘ne Eigentumswohnung in Oldenburg irgendwann und dann krieg ich Kinder und schicke die zum Gesangsunterricht, weil ich auch immer Sängerin werden wollte? Damit war ich so unglücklich, dass ich dachte, es nun probieren zu müssen oder es mir mein Leben lang nicht zu verzeihen. Nach einem Jahr war schon klar für mich, obwohl ich längst nicht von meiner Musik leben konnte, dass ich nicht mehr in mein altes Leben zurück kann.
MoX: Von einer Männerdomäne in die nächste. Wie hast du dich da durchgesetzt?
Ina Bredehorn: Die Welt ist eine Männerdomäne – natürlich entwickelt sich da etwas, aber es sind kleine Schritte. Mir hat mein vorheriger Job geholfen, weil ich mit sehr viel Stärke und Selbstbewusstsein in meine neuen Aufgaben gegangen bin. Ich habe in beiden Jobs aber nicht nur negative Erfahrungen gemacht, sondern auch viele gute und ich freue mich zu sehen, dass in der alten Firma jetzt auch viel mehr Frauen sind und hoffe, dass die nicht erleben müssen, was ich teilweise noch erleben musste.
MoX: Feminismus ist sehr präsent in deinen Texten – vieles unverblümt und direkt. Wie kommt das bei deinen Kollegen an?
Ina Bredehorn: Als ich das erste Album rausgebracht habe, kam das nicht so gut an. Ich merke aber, dass sich was verändert und so ein Thema auf’s Tableau zu holen hilft, dass da ein Bewusstsein geschaffen wird. Im März habe ich den Song „Raus an dich“ veröffentlicht, der würde ich sagen feministisch ist, im besten Sinne, und dabei gab es wesentlich weniger Kämpfe, die ich in meinem Umfeld aushalten musste als bei „Scheiß auf Ironie“- ein Lied wo Leute gesagt haben, dass das ja keiner hören will. Am Ende des Tages war das keine Single, aber ist heute mein meistgehörter Song und ich bin froh, dass ich auf mein Bauchgefühl gehört habe. Wir hatten ja vorhin den Gegenwind zu den neuen Sounds, die vielleicht auf dem Album sein werden und ich glaube, dass die Leute, die jetzt bei „Allez Allez“ sagen, dass sie ihn noch nicht verstehen, spätestens auf den Festivals im nächsten Sommer verstehen werden, worum es dabei geht. Denn die ganze Energie und der Aufbruch, der da drinsteckt, das bin zu 300% ich.
MoX: Hast du einen Rat für junge Musiker*innen, die vielleicht nicht in einer Metropole aufwachsen, wie sie ihren Weg gehen können?

Ina Bredehorn: Das hat sich ja eigentlich heutzutage durch die ganzen Social Media Themen mega liberalisiert. Als ich angefangen habe, musste man noch in einer Metropole wohnen, um Leute kennenzulernen. Heutzutage kannst du aus deinem Zimmer super viele Leute erreichen, also probiert Sachen aus und nutzt die Zeit, in der ihr jung seid, um so viele Skills an Instrumenten und im Producing zu lernen. Und habt keine Angst davor, sondern nutzt die Öffentlichkeit im Internet. Die Angst vor Fehlern in der Öffentlichkeit ist so groß, dabei sollte man diese ganzen neuen Plattformen wie TikTok als kreativen Spielplatz betrachten!

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