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Kapital-Macht bändigen…17.12.2020



Text | Rüdiger Schön

Nicht immer, wenn ein Oldenburger ein Buch schreibt, ist es ein Heimatkrimi. Tatsächlich hat sich der in Oldenburg nicht ganz unbekannte Hans-Henning Adler einem ganz anderen Genre gewidmet, dem politischen Buch. Das überrascht wenig, schließlich sitzt Adler für die Linke im Oldenburger Stadtrat. Und auch seine Vita ist sehr politisch: Bis 1989 war er in der DKP, danach in der PDS, und macht mit ihr die Wandlung zur Partei Die Linke mit. Für die saß er fünf Jahre (2008 bis 2013) im Niedersächsischen Landtag.
Er hat also Erfahrung im Kampf gegen den Kapitalismus und hat den Systemkampf noch selbst miterlebt. Erfahrungen, die er in seinen „Gedanken zu einem Sozialismus mit Durchsetzungschancen” einfließen läßt. Und so beginnt er mit einer kritischen Rückschau auf die real-sozialistische Politik des Ostblocks, ihr Gelingen und ihr Scheitern.
Wie Adler die Kapitalmacht heute bändigen möchte, wird deutlich, wenn er sich mit Gewaltenteilung und Gewaltenkontrolle beschäftigt. Kurz und übersichtlich skizziert Adler, der ja Rechtsanwalt ist, den juristischen Rahmen der Fragen und kommt zu der Erkenntnis, dass auch die Mitbestimmung der Arbeiter in den Betrieben am Recht auf Eigentum an Produktionsmitteln nichts ändert. Enteignungen, die theoretisch in der Bundesrepublik Deutschland möglich sind, hält er für politisch kaum durchsetzbar, es sei denn aus sicherheitspolitischen Gründen, wie er Wirtschaftsminister Altmeier zitiert. Mit einem Zitat von Sarah Wagenknecht kommt er dann auf den Punkt seines Buches: „Natürlich sind die Interessen der Mitarbeiter eines Unternehmens nicht automatisch mit dem Allgemeinwohl identisch." Und das wird besonders, so Adler, bei der Ökologie sichtbar. Das Verwertungsinteresse des Kapitals ist seiner Meinung nach durch Gesetze kaum zu bändigen, und steht einer ökologischen Transformation grundsätzlich entgegen. Sein Vorschlag: der Staat beteiligt sich an zentralen Großunternehmen, um in die ökologische Krise unserer Gesellschaft einzugreifen. Bei anderen Krisen tut er das schließlich auch. Beispiel Commerzbank in der Finanzkrise oder Lufthansa jetzt in der Coronakrise. Doch den eigentlichen Weg, den Hans-Henning Adler gehen möchte, ist der eines „dreiteiligen Kräftegleichgewichts” in Großkonzernen. Durch gesellschaftliche Beteiligungsformen möchte er neben dem Kapital, den Arbeitnehmern, auch der Gesellschaft ein Mitspracherecht geben. Der einfachste Weg, so Adler, ist es, öffentliche Subventionen in Unternehmensanteile umzuwandeln, mit dem Ziel, einen „demokratischen Rahmenplan” erstellen zu können, in dem ökonomische, ökologische und soziale Erfolgskriterien verbunden werden” (Peter von Oertzen 1994, SPD). Ein Plan, in dem laut Adler auch Genossenschaft, Bürgerversicherungen und andere, nichtkapitalistische Eigentumsformen ihren wachsenden Platz finden sollten. Schließlich gilt: Gemeinwohl steht vor Eigennutz. So skizziert Hans-Henning Adler in groben Zügen einen Gegenentwurf zur Grünen Marktwirtschaft, die ja im wesentlichen über Marktanreize die ökologische Wende schaffen möchte.
Eine weitere, gesellschaftlich umstrittene Frage ist ihm wichtig: Die des Urheber- und Patentrechtes. Da nimmt der Rechtsanwalt klar Stellung für eine Aufweichung dieser Rechte. Beim Urheberrecht könnten ihm die Autoren widersprechen, die schließlich von ihren Tantiemen leben. Beim Patentrecht legt er sich dagegen mit der Großindustrie an, der er vorwirft, das Patentrecht zu nutzen, um Entwicklung zu behindern und Monopole zu festigen. Er fordert, das Wissen und Erkennisse gesellschaftlich geteilt werden können. Nicht selten sind die Forschungen dazu auch öffentlich finanziert worden.
Am Ende seiner Flugschrift geht es dann um das internationale Finanzkapital, und um Wege, es gesellschaftlich für die Allgemeinheit nützlich zu machen.
Insgesamt ist Hans-Henning Adler mit „Kapital-Macht wirksam bändigen" ein Beitrag zur Diskussion gelungen, wie man die gigantische Vermögens- und Einkommensungleichheit weltweit überwinden kann. Er leugnet nicht die Notwendigkeit einer profitablen Wirtschaft, weist aber deutlich auf die  ökologischen und sozialen Aspekte wirtschaftlichen Handelns hin. Seine politische Heimat ist dabei unübersehbar, was aber eher hilfreich in Bezug auf die Deutlichkeit seiner Standpunkte ist. Es ist zudem ein Verdienst des Buches, dass linke Diskussionen, nach einer langen Phase der Liberalisierung in der Wirtschaft wieder konkrete, realpolitisch durchsetzbare Ordnungsstrukturen in der Ökonomie erörtern.
Mit einem Vorwort von Oskar Lafontaine
vsa-verlag, 10 EUR

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