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Filmfest Oldenburg: Leichte Unterhaltung und bitterer Ernst27.09.2023



Text und Foto: Rüdiger Schön
Am Donnerstag, den 14.9.2023 feierte der Film im Rahmen des Oldenburg Filmfestival seine Premiere im Casablanca Kino. Er nimmt die ZuschauerInnen mit nach Teneriffa, wo Friedrich von Allmen (Heino Ferch) mit der sündhaft reichen Schweizerin Jo-Jo (Andrea Osvart) einen Liebesurlaub verbringen möchte. Daraus entspinnt sich eine High Society Kriminalkomödie, gut besetzt mit Samuel Finzi und Uwe Kockisch. Ein Film, der wenig überrascht aber angemessen unterhält. Tatsächlich spannend und hart an der Realität spielt dagegen „Im Toten Winkel” von Ayse Polat, die zurecht den German Independence Award erhielt. Ein Film, der in drei Episoden und aus drei Perspektiven den Mord an einem kurdischen Rechtsanwalt, einer deutschen Dokumentarfilmerin und einem türkischen Geheimdienstagenten zeigt. Zwar wackelt die Kamera manchmal bedenklich, aber Ayse Polat hat den Film mit sicherer Hand inszeniert, so dass ein wirklich spannender und gesellschaftlich hoch relevanter Film dabei herausgekommen ist. Der German Independence Award hat also genau die richtige Preisträgerin gefunden. Das Publikum darf gespannt sein, was noch von ihr kommen wird.
Auf andere Art spannend war „Willie and me” von Eva Hassmann. Nicht die Handlung ist das Aufregende an diesem Werk, sondern die Frage, wie wird Eva Hassmann ihrer Rolle gerecht. Und tatsächlich hat man nicht selten während der Vorführung die Befürchtung, dass die Handlung komplett ins Kitschige abdriftet. Doch zunächst geht es rasant los, die Küche steht in Flammen und der vom Gatten heiß geliebte Porsche wir billig verscherbelt, um eine Konzertreise in die USA zu finanzieren. Das ist eher einfach inszeniert und Eva Hassmanns Darstellung der leicht dümmlichen deutschen Hausfrau schrammelt sehr knapp am Niveau billiger Unterhaltungsfilme vorbei, während die Figur ihres Ehemannes dem Klischee des deppenhaften Vollmachos entspricht, Mario Barth lässt grüßen. Auch den Elvis-Imitator als charmanten Helfer der Frauen sollte man nicht allzu ernst nehmen. Da ist die Mutter mit drei bibelfesten Kindern als skrupellose Diebin die etwas originellere Idee. Und so schwankt der Film zwischen banalem Kitsch und guten komischen Episoden. An dieser Stelle sei Peter Bogdanovic (verstorben am 6.1.2022) erwähnt, der den Hotelportier brillant lakonisch spielt. Der Film endet dann mit einem schönen Konzertmitschnitt mit Willie Nelson.
Mehr griechisch als deutsch ist die Produktion „Behind the Haystacks” von Elektra Venaki. Der Film nimmt seine Handlung im Jahr 2015 an der griechisch-mazedonischen Grenze am Dojransee auf. Dort lebt der Bauer und Fischer Stergios, den seine Finanzsorgen in die Arme der örtlichen Mafia treibt. Die schleusen Flüchtlinge über den See und dort beginnt das Drama. Ein Boot kentert und mindestens zwei Personen sterben. Aus drei unterschiedlichen Perspektiven werden die sich nun verschärfenden Konflikte im Dorf erzählt. Manche helfen den Flüchtlingen, anderen wird es zu viel, und wieder andere wollen lieber die Kirche renovieren. Eine Liebesgeschichte verschärft die Situation zusätzlich und die letzte Einstellung des Films zeigt die Tochter des Bauern wartend auf dem Bahnhof, den Blick in die Ferne. Ein hartes Gesellschaftsdrama, spannend inszeniert, aber keine leichte Kost.
Nun gibt es ja kein Oldenburger Filmfest ohne eine kleine Tatort-Vorschau. Dieses Jahr wurde „Geisterfahrt” und „Das Wunderkind” gezeigt. In „Geisterfahrt” gehen Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) und Anais Schmitz (Florence Kasumba) auf Mörderjagd. Ein DDP-Fahrer rast völlig übermüdet in eine Menschengruppe und tötet dabei eine Person. Die beiden Kommissarinnen ermitteln daraufhin im Paketlieferdienst-Millieu, das von korrupten Subunternehmern, niedrigen Löhnen und enorm vielen Überstünden geprägt ist. Viele Fahrer halten sich mit Medikamenten wach, und einer, der Todesfahrer nahm etwas zu viel von den Aufputschmitteln. Nebenbei wird der leitende Staatsanwalt noch als prügelnder Ehemann entlarvt. Das alles im schönen Göttingen, das bei dieser Gelegenheit einige Male aus der Vogelperspektive gezeigt wird. Im besten Sinne ein gesellschaftskritischer Tatort (Regie: Christiane Hartmann), der Ausbeutung und Gewalt in der deutschen Gesellschaft zeigt und anprangert.
Eine gesellschaftliche Etage tiefer steigt Regisseur Thomas Stiller ein. Es geht in den bayrischen Knast. Der Häftling Scholz (Carlo Ljubek), man lernt nur den Nachnamen kennen, steht kurz vor der Haftentlassung und freut sich riesig auf das Wiedersehen mit seinem Sohn, der bei Pflegeeltern lebt. Doch der Machtkampf zweier Gefängnisgangs zieht ihn ins Unglück. Auch Stiller lässt es sich nicht nehmen, die Verknüpfung von großbürgerlichem Anspruchsdenken und krimineller Handlungsbereitschaft zu zeigen, denn keineswegs wollen die wohlhabenden Pflegeeltern das hochtalentierte Kind an seinen kriminellen Vater zurückgeben. Ein echter Knastfilm, hart, actionreich und ohne Sentimentalitäten gedreht.
Zwei Filme, die man sich notieren sollte.
So sind die deutschen Produktionen auf dem 30. Oldenburg Filmfestival allesamt sehenswert. Leider war die Gästeliste dieses Jahr eher dünn besetzt, trotz der protzigen Autos.

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